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gewahr wurde, seinen alten Freunden zu Hilfe zu

       kommen. Daher sammelte er in seinem Königreiche einen ansehnlichen Heerhaufen, legte sich in der

       Nähe des griechischen Schiffslagers in einen Hinterhalt und war mit seiner Schar eben erst in diesem

       Versteck angekommen, als die Griechen, aus dem ersten Treffen mit den Trojanern als Sieger

       zurückgekehrt, ihrem gefallenen Helden die letzte Ehre erwiesen. Während sie sorglos und nicht in

       der vollen Waffenrüstung um den Scheiterhaufen geschart standen, sahen sie sich plötzlich von

       Streitwagen und Bewaffneten umringt, und ehe sie sich nur besinnen konnten, ob der Boden die

       Streiter ausgespien habe oder woher sie sonst erschienen seien, hatte Kyknos mit seiner

       Heeresmacht ein furchtbares Blutbad unter den Griechen angerichtet.

       Doch war nur ein Teil der Argiver bei der Leichenfeier des Protesilaos beschäftigt und zugegen. Die

       andern bei den Schiffen und in den Lagerhütten waren ihren Waffen näher und eilten, den Peliden

       Achill an der Spitze, den Ihrigen bald in voller Rüstung und in geschlossenen Kriegsreihen zu Hilfe. Ihr

       Anführer selbst stand auf dem Streitwagen, schrecklich anzuschauen, und seine todbringende Lanze

       traf mit ihrem Stoße bald diesen, bald jenen Kolonaier, bis er, in den Reihen der Schlacht nur den

       Feldherrn der Fremdlinge suchend, diesen im fernen Kampfgewühle an den gewaltigen Stößen

       erkannte, die er, auch auf einem hohen Streitwagen stehend, rechts und links an die Griechen

       austeilte. Dorthin lenkte der Held Achill seine schneeweißen Rosse, und als er nun dem Kyknos

       gegenüber auf dem Wagen stand, rief er, die bebende Lanze mit nervigem Arme schwingend: »Wer

       du auch seiest Jüngling! nimm diesen Trost mit in den Tod, daß du von dem Sohne der Göttin Thetis

       getroffen worden!« Diesem Ausruf folgte sein Geschoß. Aber so sicher er die Lanze abgezielt hatte,

       so rüttelte sie dem Sohne des Poseidon doch nur mit dumpfem Stoße an der Brust; und mit

       staunendem Blicke maß der Pelide seinen unverwundlichen Gegner. »Wundre dich nicht, Sohn der

       Göttin«, rief dieser ihm lächelnd zu; »nicht mein Helm, den du anzustaunen scheinst, oder mein

       hohler Schild in der Linken halten die Stöße von meinem Leibe ab; vielmehr trage ich diese

       Schutzwaffe als bloßen Zierat, wie auch wohl der Kriegsgott Ares zuweilen zum Scherze Waffen

       anzulegen pflegt, deren er doch gewiß nicht bedarf, seinen Götterleib zu schirmen. Wenn ich alle

       Bedeckung von mir werfe, so wirst du mir doch die Haut mit deinem Speere nicht ritzen können.

       Wisse, daß ich am ganzen Leibe fest wie Eisen bin und daß es etwas heißt, nicht etwa der Sohn einer

       Meernymphe zu sein, nein der geliebte Sohn dessen, der den Nereus und seinen Töchtern und allen

       Meeren gebeut. Erfahre, daß du dem Sohne Poseidons selbst gegenüberstehst!« Mit diesen Worten

       schleuderte er seinen Speer auf den Peliden und durchbohrte damit die Wölbung seines Schildes, so

       daß derselbe durch das Erz und die neun ersten Stierhäute der göttlichen Waffe hindurchdrang: erst

       in der zehnten Lage blieb das Wurfgeschoß stecken. Achill aber schüttelte den Speer aus dem Schilde

       und sandte dafür den seinigen gegen den Göttersohn ab. Aber der Leib des Feindes blieb

       unverwundet. Selbst das dritte Geschoß, das der Pelide absandte, blieb ohne Wirkung. Jetzt geriet

       Achill in Wut wie ein Stier im Tiergefechte, dem ein rotes Tuch vorgehalten wird und der mit den

       Hörnern in die Luft gestoßen hat. Noch einmal warf er die Lanze aus Eschenholz nach Kyknos, traf

       diesen auch wirklich an der linken Schulter und jubelte laut auf; denn die Schulter war blutig. Doch

       seine Freude war vergeblich, das Blut war nicht das Blut des Göttersohnes, es war der Blutstrahl des

       Menötes, eines neben Kyknos fechtenden und von anderer Hand getroffenen feindlichen Helden.

       Knirschend vor Wut, sprang jetzt Achill vom Wagen, eilte auf den Gegner zu und hieb mit gezücktem

       Schwerte auf ihn ein; aber selbst der Stahl prallte stumpf an dem zu Eisen gehärteten Körper ab. Da

       erhub Achill in der Verzweiflung den zehnhäutigen Schild und zerschlug dem unverwüstlichen Feinde,

       ganz auf ihn eingedrungen, drei‐, viermal die Schläfe mit der Schildbuckel. Jetzt erst fing Kyknos an zu

       weichen, und Nebel schwamm ihm vor den Augen; er wandte seine Schritte rückwärts, strauchelte

       über einen Stein, darüber ergriff ihn Achill mit der Hand im Nacken und warf ihn vollends zu Boden.

       Dann stemmte er sich mit Schild und Knien auf die Brust des Liegenden und schnürte dem Feinde mit

       seinem eigenen Helmbande die Kehle zu.

       Der Fall ihres göttlichen Führers nahm den Kolonaiern plötzlich den Mut; sie verließen den

       Kampfplatz in wilder Flucht, und bald war von dem ganzen Überfalle nichts mehr zu sehen als die

       vielen Leichen von Griechen und Barbaren, die auf dem Felde um den halbvollendeten Grabhügel des

       Protesilaos zerstreut umherlagen und den um viele der Ihrigen trauernden Argivern neue Arbeit

       machten.

       Die Folge dieses Überfalls war, daß die Griechen in die Landschaft des erschlagenen Königes Kyknos

       einfielen und aus der Hauptstadt Mentora die Kinder desselben als Beute hinwegführten. Dann

       griffen sie das benachbarte Killa an, eroberten auch diese feste Stadt mit unermeßlicher Kriegsbeute

       und kehrten so beladen zu ihrem wohlbewachten Schiffslager zurück.

       Palamedes und sein Tod

       Der einsichtsvollste Mann im griechischen Heere war Palamedes, tätig, weise, gerecht und standhaft;

       von zarter Gestalt, des Gesanges und Leierspiels kundig. Seine Beredsamkeit hatte den Atriden die

       meisten Fürsten Griechenlands für den Feldzug gegen Troja gestimmt, seine Klugheit selbst den Sohn

       des Laërtes überlistet. Dadurch hatte er sich aber auch einen unversöhnlichen Feind in dem Heere

       der Danaer erworben, der Tag und Nacht auf Rache sann und nur um so finsterer darüber brütete, je

       mehr das Ansehen des verständigen Euböers unter den Fürsten zunahm. Nun wurde den Griechen

       durch ein Orakel Apollos bekannt, daß sie diesem Gott als Apollo Smintheus ‐ unter solchem Namen

       wurde er in der Landschaft Troas verehrt ‐ eine Hekatombe an der Stelle opfern sollten, wo seine

       Bildsäule und sein Tempel stand, und Palamedes war von dem Gotte auserwählt worden, die

       stattlichen Opfertiere nach der heiligen Stätte zu führen. Dort wartete ihrer Chryses, der Priester des

       Gottes, der das feierliche Opfer vollbrachte. Die Verehrung Apollos in dieser Landschaft hatte einen

       seltsamen Ursprung. Als die alten Teukrer, aus Kreta herüber mit ihrem Könige Teucer kommend, an

       dieser Küste Kleinasiens gelandet waren, gab ihnen das Orakel den Befehl, da zu bleiben, wo sie ihre

       Feinde aus der Erde würden hervorkriechen sehen. Als sie nun in Hamaxitos, einer Stadt dieser

       Landschaft, angekommen waren, benagten die Mäuse, aus der Erde hervorschlüpfend,


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