Anaconny. Lewis Cowley

Anaconny - Lewis Cowley


Скачать книгу
entdeckte sie, dass Hubert keinen Alligator bei sich hatte.

      Inzwischen war die andere Frau mit ihrem Hund durch die Tür verschwunden, als Lydia rief:

      „Eine Schlange, ich fass es nicht. Was schleppst du denn noch alles an? Ich habe echt geglaubt, du würdest normal werden. Erst die Riesenspinne, dann die Löwin und wer weiß noch alles noch, und zuletzt das Möchtegernstinktier…“

      „Das war ein Eichhörnchen!“ unterbrach Hubert sie barsch. „Und jetzt hör endlich auf. Sie ist verletzt und muss behandelt werden.“

      „Du bist unmöglich.“ herrschte ihn die Ärztin an. „Und ich habe geglaubt, dass du endlich einmal vernünftiger werden würdest, seit du damals mit diesem komischen Wildschwein aufgekreuzt bist.“

      „Das war ein Frischling.“ korrigierte Hubert die Ärztin.

      „Hör endlich auf, mir zu widersprechen.“ rief Lydia.

      „Ich weiß nicht, was ihr alle habt.“ verteidigte sich Hubert und deutete auf die Schlange. „Sie ist doch so klein und außerdem verletzt.“

      „Das hast du damals von dem Wildschwein auch behauptet.“ erinnerte ihn Lydia. „Und dann hat es mich gebissen.“

      „Du musstest ja unbedingt ihre Klauen anfassen.“ erklärte Hubert. „Und ich dachte, du kennst dich mit Tieren aus.“

      „Mit Haustieren.“ vollendete Lydia. „Aber Wildschweine sind keine Haustiere.“

      „Du sollst mich nicht dauernd verbessern.“ erboste sich Hubert. „Du sollst sie behandeln. Du siehst doch, dass sie Schmerzen hat.“

      „Ich auch.“ meinte Lydia süffisant. „Besonders, wenn ich an Uschi denke, diese Zitteraaldame. Die hat mir nämlich einen ganz schönen Stromstoß verpasst.“

      „Weil du in ihr Maul gefasst hast.“ erinnert Hubert sie. „Das mochte sie nicht. Aber sie hat mir einiges an Strom geliefert. Und jetzt Schluss mit der Debatte. Behandle sie.“

      Inzwischen hatte die Schlange mehrfach gefaucht. Endlich erbarmte sich Lydia des kleinen Wesens, nahm es in ihre Arme und ging in den Behandlungsraum.

      „Unmöglicher Kerl.“ sagte sie in einem abfälligen Ton.

      Hubert wartete draußen. Am liebsten wäre er reingegangen, doch er wusste von früher, dass er sich da nicht einmischen durfte. Dazu kannte er Lydia viel zu gut. Die temperamentvolle und resolute Ärztin hasste nichts mehr, als bei einer Behandlung gestört zu werden. Hubert hatte das selbst erlebt, als er einst seine Spinne Thekla zu Lydia gebracht hatte.

      Eine halbe Stunde war vergangen, als Lydia wieder aus der Tür trat, allerdings allein. Hubert erwartete sie schon voller Ungeduld.

      „Und?“ fragte er. „Wo ist sie?“

      „Ich habe sie betäubt, damit sie sich erholen kann.“ erklärte die Ärztin. „Wo hast du die denn aufgegabelt?“

      „Aufgegabelt?“ gab er zurück. „Sie ist doch nichts zum Essen.“

      „Schon gut, Hubsi.“ herrschte Lydia ihn an. „Woher hast du sie?“

      „Im Wald gefunden, wie alle anderen.“ erklärte er. „Warum, was ist mit ihr?“

      „Ich habe dir alles zugetraut, aber das nicht.“ sagte sie.

      „Auf deutsch, bitte.“ wollte Hubert wissen.

      Lydia ging auf ihn zu und erklärte:

      „Sie ist ein Anakondababy, höchstens drei Tage alt.“

      „Was heißt `sie´?“ fragte Hubert. „Ist das etwas schon wieder ein Weibchen?“

      „Der Kandidat kriegt 10 Punkte.“ bestätigte Lydia. „Also braucht sie auch einen Namen, wie die anderen.“

      „Warum reagierst du denn immer so abfällig?“ wollte Hubert wissen. „Immerhin habe ich das Eichhörnchen nach dir benannt.“

      „Weil du die Wildsau erst später gefunden hast.“ erklärte Lydia.

      „Das ist meine Sache.“ sagte Hubert.

      „Was willst du damit sagen?“ fuhr sie ihn an.

      „Das liegt doch klar auf der Hand.“ kam es zurück. „Zu den anderen bis du immer nett, aber deinen Frust lässt du immer an mir aus. Ich bin nicht Kurt.“

      „Lass meinen Bruder aus dem Spiel.“ gab sie bestimmt zurück. „Außerdem habe ich mich immer gut um deine Haustiere gekümmert.“

      „Bis Thekla starb.“ ergänzte er. „Du hättest ihr kein Chloroform geben sollen.“

      „Hör endlich auf.“ rief Lydia. „Du wirst doch nicht behaupten wollen…“

      „Jetzt verschon mich damit.“ unterbrach Hubert sie. „Wo ist die Schlange?“

      „Komm mit.“

      Lydia führte ihn in ihren Behandlungsraum. Auf dem Tisch lag die kleine Schlange. Das mittlere Teil ihres Körpers war verbunden und sie schien vor sich hinzudämmern.

      „Ich hab ihr ein Schlafmittel geben müssen, weil sie so zappelte.“ erklärte Lydia. „Sie wird bald wieder aufwachen.“

      „Doch nicht schon wieder Chloroform.“ stieß Hubert hervor.

      „Nein, diesmal nicht.“ beruhigte sie ihn. „Inzwischen weiß ich, dass Reptilien das nicht vertragen. Übrigens ist deine Schlange keins.“

      „Erklär mir das.“ kam es erstaunt von Hubert.

      „Die Anakonda ist laut Überlieferung die erste Schlangengattung, die keine Eier legt, sondern ihre Jungen lebendig gebärt.“ erklärte Lydia. „Sie ist eine Art Mischung zwischen Reptil und Säugetier. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Anakonda eine Brücke zwischen diesen Arten geschaffen hat. Vermutlich gibt es sie schon seit der Dinosaurierzeit.“

      Nun vernahmen beide ein leises Zischen.

      „Sie wacht auf.“ stellte Lydia fest.

      Sofort war Hubert bei seiner Schlange. Sie schaute ihn an. Dann streckte sie ihren Kopf nach oben und geriet ganz nah an sein Gesicht.

      Was jetzt passierte, entzog sich jeder Logik. Hubert gab der kleinen Schlange einen Kuss. Als Lydia das sah, stöhnte sie leise:

      „Nicht schon wieder. Wie mit dem Wildschwein damals.“

      Sie hielt sich zurück und wartete ab.

      Innzwischen war es 19.00 Uhr geworden. Lydia schaltete die Geräte ab. Hubert sah es und bemerkte:

      “Man sieht sich.“

      „Das kenn ich doch aus einem Film.“ erkannte Lydia. „Zwei Geschwister, die sich hassen und durch eine Notlage doch noch zusammenfinden.“

      „Nur mit dem Unterschied, dass wir keine Geschwister sind.“ bemerkte Hubert. „Und jetzt gib mir die Schlange.“

      Lydia hob das Tier behutsam hoch und legte es in Hubert´s Arme.

      „Versorge sie gut.“ sagte sie.

      „Und wie soll ich das machen?“ erkundigte sich Hubert.

      „Damit.“ Lydia steckte einen Zettel in seine Hosentasche. „Da steht alles drauf.“

      Ohne ein Wort zu sagen, ging Hubert mit seiner Schlange aus dem Behandlungszimmer. Dann verschwand er in seinen Wagen und brauste davon. Lydia schaute ihm hinterher.

      „Armer guter Hubsi.“ sagte sie in einem mitleidigen Ton. „Er gibt die Hoffnung nicht auf. Aber auch jetzt schafft er es nicht.“

      Keine 5 Minuten später verließ Lydia ihre Praxis. Schon stand ein üppig gebauter Mann vor ihr.

      „Was willst denn du hier?“ fragte sie.

      „Du


Скачать книгу