Voller Misstrauen geliebt. Lara Greystone

Voller Misstrauen geliebt - Lara Greystone


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sich um, verengte abermals die Augen zu Schlitzen und legte den Kopf schief.

      „Ist sie was Besonderes?“

      Das war eine Fangfrage und zeigte zugleich, dass Snake nicht viel über Jo wusste. Der skrupellose Typ würde jedoch gegebenenfalls den Preis treiben oder Jo gar nicht an ihn verkaufen, falls sie etwas Besonderes wäre – zum Beispiel eine der extrem seltenen Symbiontinnen.

      Nur mit diesen besonderen Frauen konnte ein Vampir eine tiefe Verbindung fürs Leben eingehen und Kinder zeugen. Entgegen den Mythen wurde niemand durch einen Biss zum Vampir. Auch die Gefährtin eines Vampirs blieb stets menschlich, doch das Blut, das er ihr schenkte, erneuerte immer wieder ihre Zellen – und zwar jede ihrer Zellen. Aus diesem Grund blieb die Gefährtin eines Vampirs gesund und alterte nicht, sondern durchwanderte an seiner Seite die Jahrhunderte.

      Quint versuchte, sich im Inferno seiner Schmerzen zu konzentrieren.

      Was sollte er Snake nur antworten?

      Ein falsches Wort, und ein Deal würde nicht zustande kommen, sondern irgendein Blutfürst würde Jo entführen. Vor denen war man nur im Hauptquartier sicher und selbst das war keine Garantie mehr, was sie erst vor Kurzem schmerzlich erfahren mussten.

      Sein Vater William, natürlich ebenfalls ein Vampir, hatte ihm von klein auf eingebläut, immer die Wahrheit zu sagen oder lieber zu schweigen, als zu lügen. Über die Jahrhunderte hinweg wäre das einfach der bessere Weg.

      Von Krämpfen geschüttelt, stammelte Quint daher: „Sie ist nur eine ganz normale Menschenfrau, eine die mich sogar ganz schön nervt, aber ich habe in ihre Augen gesehen und – ich bin eben ein Trottel. Also: Wie viel? Wie viel, damit du sie von deiner Liste streichst und nie wiederkommst?“

      Misstrauisch fragte Snake: „Sie muss irgendwas haben, wenn du so versessen auf sie bist. Was ist es

       Nicht lügen. Nicht lügen. Nicht lügen!

      „Sie hat – wunderschöne Haare“, presste er schließlich unter Schmerzen hervor und das meinte er sogar ehrlich.

      „Sonst nichts? Davon werde ich mich persönlich überzeugen.“

      „Rühr sie nicht an!“, stieß Quint aus.

      „Und ob ich das werde. Vielleicht hast du mich ja belogen und sie trägt die Blüte der Ewigkeit“, sagte Snake, sprang auf die Brüstung und verschwand im Schlafzimmer.

      Die Blüte der Ewigkeit war etwas, das jede Frau, die zu einer Symbiose mit einem Vampir fähig war, von Geburt an irgendwo auf ihrer Haut trug. Die beiden kleinen, eher unauffälligen Blättchen sahen für Menschen aus wie weiße, feine Narbenlinien, wie ein sehr filigranes Branding, doch Vampiraugen sahen darüber hinaus ein fluoreszierendes Leuchten in ihnen.

      Der Gedanke, dass dieser Bastard Jo auszog und sonst was mit ihr anstellte, ließ Quint all seine Kräfte mobilisieren. Doch es gelang ihm nicht, auf die Füße zu kommen. Mehr, als sich unter den brutalen Schmerzen der Krämpfe und dem heißen Brennen in seinem Körper zu winden, war nicht drin.

      Eine quälende Ewigkeit begann für Quint, in der tausend Szenarien in seinem Kopf entstanden, eines schlimmer als das andere. Am Ende hatte der Kahlköpfige wohl nur eine Minute gebraucht, dann sprang er wieder geschmeidig aus dem Fenster und landete im Gras.

      „Ihre Haare sind in der Tat schön, aber sie trägt keine Blüte der Ewigkeit, ist also keine Symbiontin. Du bist wirklich ein Trottel, dich in eine gewöhnliche Frau zu verlieben“, verhöhnte ihn Snake. „Hat dein Vater dich nicht davor gewarnt, eine ernsthafte Beziehung mit einer normalen Frau einzugehen?“

      Oh doch! Diese Warnung hatte sein Vater immer und immer wieder ausgesprochen, und zwar an seinen Bruder, dem genau das passiert war. So lange, bis Samuel das Haus auf Nimmerwiedersehen verlassen hatte. Die Identität seiner Freundin jedoch hatte sein Bruder nie preisgegeben und stets alle Versuche vereitelt, ihm heimlich folgen zu wollen. Er hatte Samuel geliebt und war deswegen sauer auf ihn gewesen, noch mehr aber auf dessen Freundin, die Ursache des Ganzen. Jahrelang war sein Bruder spurlos verschwunden gewesen, hatte nichts von sich hören lassen und alle hatten sich große Sorgen um ihn gemacht, wussten nicht, ob er überhaupt noch lebte. Als Samuel dann endlich wieder Kontakt zu ihm aufgenommen hatte und ihn um ein Treffen bat, war er, Quint, nicht rechtzeitig gekommen und hatte deswegen nur noch Samuels Leichnam in den Armen halten können.

      Snake warf einen Blick zum heller werdenden Himmel.

      „Da die Sonne gleich aufgeht, machen wir es kurz: 200.000 – kannst du dir das überhaupt leisten?“

      Quint nickte.

      „Bis zum Sonnenuntergang, sonst ist der Deal geplatzt, verstanden?“

      Mit einer abfälligen Geste warf Snake ihm einen Zettel zu.

      „Hier ist mein Nummernkonto. Und beweg deinen Hintern ins Haus, bevor du zu Grillkohle wirst.“

      Snake war gegangen, und obwohl der heller werdende Himmel mit sengenden Qualen drohte, gehorchte ihm sein Körper immer noch nicht. Das Gift von Snake war berüchtigt. Mit einem normalen Gift wäre ein Vampirorganismus längst fertiggeworden.

      Er sah zum Fenster im ersten Stock hinauf. Das würde er in seinem Zustand keinesfalls schaffen. Jo um Hilfe zu rufen, wäre sinnlos, weil sie ohne seine Berührung nicht aufwachen würde. Auch wenn er es wegen der brutalen Krämpfe nicht auf die Beine schaffte, wäre es möglich, mit seinem Körper die Eingangstür aufzubrechen. Aber die demolierte Tür würde womöglich Passanten und schließlich die Polizei alarmieren. Zudem war das Haus voller Fenster, durch die das tödliche Sonnenlicht drang, und ob es einen Keller gab, hatte er in der Eile vorhin nicht registriert.

      Abgesehen davon hatte er gewaltig Mist gebaut und die anderen würden es erfahren, wenn er sich direkt vor Jos Haus von ihnen abholen ließ.

      Um seine Anwesenheit nicht zu verraten, stand die Kawasaki, mit der er hergefahren war, ein ganzes Stück entfernt. Aber er rechnete damit, dass das Gift in seiner Wirkung schon auf dem Weg dorthin nachlassen würde und dass er sich für den Rückweg schon irgendwie auf dem Motorrad halten könnte.

      Halb rollend, halb robbend und unter heftigen Krämpfen, machte er sich also auf den Weg zu seiner Maschine. Doch da irrte er sich gewaltig. Das Gift war so heftig, dass er gerade erst die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatte, als seine Zeit ablief.

      Die Sonne ließ ihm keine Gnadenfrist mehr.

      „Ich soll also in der Sonne verbrennen?“, beschwerte er sich knurrend bei der höheren Macht. „Ich warte schon so lange drauf, dass du da oben den Hammer schwingst. Ist meine Schuld dann endlich getilgt? Warum hast du überhaupt so lange gewartet? Ist das Warten auch Teil deiner Strafe? Oder war erst mit meiner Gebetserhörung für Jo mein Konto bei dir überzogen?“

      Als er mit Meckern fertig war, fiel ihm auf, dass Mülltonnen die Straße säumten und ein größerer Abfallcontainer in der Nähe stand. Nur Sekunden bevor die Sonnenstrahlen ihr tödliches Werk an ihm verrichten konnten, erreichte er den Container. Immer noch nicht in der Lage sich aufzurichten, kippte er das Ding vom Boden aus um, kroch hinein und schloss den Deckel.

      „Dich da oben werde ich nie verstehen“, murrte er. „Und nein, ich werde mich nicht über den abartigen Gestank nach vergammeltem Fleisch beschweren.“ Kaum hörbar fügte er hinzu: „Danke.“

      Diese Rettung in letzter Sekunde war vorläufig, denn sich den ganzen Tag über darin zu verstecken, war nicht möglich. Der Container würde nämlich, wie in dieser Stadt üblich, frühmorgens geleert werden.

      Nach einigen Minuten ließ die Wirkung des Giftes zumindest so weit nach, dass es ihm mit Mühe gelang, sein Handy aus der Tasche zu holen und auch eine Nummer zu wählen – die von Arabella. Die anderen Wächter hätten das Desaster dieser Nacht Agnus gemeldet und das wollte er um jeden Preis verhindern.

      Arabella fragte auch nicht nach dem Wieso und Warum, sondern versprach einfach, so schnell wie möglich zu kommen.

      Auf Ara war Verlass. Viele hatten sich schon in ihr getäuscht.


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