Voller Misstrauen geliebt. Lara Greystone

Voller Misstrauen geliebt - Lara Greystone


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beobachtet zu werden, konnte sie nicht abschütteln.

      Erst spätabends kehrte Jo zu ihrem hübschen Einfamilienhaus im grünen Villenviertel zurück. Es war schon älter und nicht luxuriös wie die anderen in der Straße. Aber sie war darin aufgewachsen und es wärmte ihre Seele mit den Erinnerungen an Geborgenheit und Liebe.

      An der Auffahrt hielt sie kurz an und stieg aus, um voller Wut mit dem Fuß gegen das Zu-verkaufen-Schild zu treten, sodass es im Gras landete. Erst dann fuhr sie erleichtert weiter und betrat kurz darauf mit drei vollen Einkaufstüten ihr Haus.

      „Warum hast du das Schild umgetreten, Mama?“

      „Ich wollte das Haus meiner Eltern nie verkaufen.“

      „Aber du sagtest, wir müssten es dringend verkaufen, bevor die Bank es zwangsversteigert und es dann einen schlechteren Preis erzielt. Wobei du wochenlang alle Interessenten hingehalten und ihnen dann abgesagt hast.“

      „Ich habe den Auftrag bekommen, von dem ich dir gestern erzählt habe. Jetzt kann ich zumindest zwei Raten bezahlen und hoffen, dass die Bank mir den Rest erst mal stundet.“

      Während sie die Taschen ausräumte, erzählte sie ihrem Sohn die Details.

      „… Und sie haben mir tatsächlich alles in bar gegeben, hier siehst du?“ Sie zeigte ihm das edle Kuvert mit den Fünfhunderterscheinen, dazu ein paar Hunderter.

      „Zeig mal, ich hab noch nie einen Fünfhunderter gesehen.“

      „Vielleicht sind es ja doch Waffenhändler“, murmelte sie gedankenverloren, während ihr Sohn in das Kuvert lugte, das ein eingeprägtes Wappen mit einem A trug.

      Ehe sie es verhindern konnte, hatte er sich blitzschnell einen Hunderter herausgezogen.

      „Hey! Davon muss ich noch Unmengen an Material kaufen. Du kannst doch nicht einfach …“, protestierte sie.

      „Wie du siehst, kann ich doch“, gab er zurück und grinste schelmisch. Dann wechselte er in diesen charmant bittenden Gesichtsausdruck, den schon sein Vater so gut draufhatte und dem sie dann auch nie etwas abschlagen konnte. „Mensch, Mama, komm schon. Du hast mir schon ewig kein Taschengeld mehr gegeben. Ich brauch auch mal neue Klamotten.“

      Jo atmete tief durch. „Na, gut.“

      „Heute dachte ich, man würde mir wieder das Gedächtnis löschen“, vertraute sie ihrem Sohn an. „Dein Vater hat mir ja damals erzählt, wie sie das machen, und ich hatte den Eindruck …“

      „Du bist paranoid, Mama! Siehst überall nur Vampire oder neuerdings Waffenhändler. Hast du überhaupt je einen von denen getroffen?“

      „Ich weiß es doch nicht, aber ich vermute, sonst würden mir doch nicht 183 Tage fehlen.“

      Vom letzten Tag, an den sie sich mit ihrem Mann erinnerte, bis zum Aufwachen im Krankenhaus ohne ihn, waren es genau 183 Tage, die ihrem Gedächtnis fehlten. Das hatte sie damals nach langem Überlegen und logischen Schlussfolgerungen herausgefunden.

      „Ich kann’s nicht mehr hören Mama! Ewig erzählst du nur davon. Vielleicht war es auch einfach nur ein Raubüberfall und du hast einen Schlag auf den Kopf bekommen. Außerdem machst du ein absolutes Drama draus. Es war doch nur ein halbes Jahr und das Leben geht weiter.“

      „Das verstehst du nicht.“

      „Das sagst du immer, aber ich bin kein kleiner Junge mehr! Ich mag zwar aussehen, wie ein 15-jähriger, aber ich bin schon 22! Wäre mein Pass nicht gefälscht, dürfte ich sogar vom Gesetz her schon wählen, Alkohol trinken und Auto fahren!“

      „Dann hör auch auf zu jammern wie ein kleiner Junge!“

      Oh, oh! Sie sah an seiner Miene, dass sie ihn gekränkt hatte. Gleich würde sie eine Retourkutsche bekommen.

      „Und du hast Schiss ohne Ende, Mama! Bei jedem Fremden, der dir begegnet, denkst du, es könnte ein Vampir sein! Ich frage mich, warum du dann von den Kanalinseln überhaupt zurückgekommen bist, wenn du so Angst vor ihnen hast.“

      Leider wusste ihr Sohn ganz genau, wie er sie am besten verletzen konnte, und es tat wie immer verdammt weh, aber leider hatte er in diesem Punkt recht.

      Ging es anderen Müttern eigentlich auch so?

      Sie wusste es nicht, hatte nie engeren Kontakt mit anderen gehabt, aus Angst, ihr Geheimnis könnte entdeckt werden.

      „Ja, verflixt, ich habe Angst! Und nicht zu Unrecht.“ Und dann erzählte sie ihm die Wahrheit. „Ich bin nur zurückgekommen, um …“, sie zögerte, denn es widersprach jeder Logik. Doch dann brach es doch aus ihr heraus: „Um deinen Vater zu suchen, falls er noch lebt.“

      „Was?“ Ihr Sohn sah sie entgeistert an. „Du hast mir immer erzählt, er wäre tot, nur dass sie seine Leiche nach dem Überfall eben nicht gefunden hätten.“

      „Vermutlich ist er auch tot“, ihre Stimme wurde leiser, „bestimmt sogar, aber ich habe keinen Beweis, kann es nicht mit Sicherheit sagen – und ich will endlich Gewissheit.“

      Für einen langen Moment stand ihr Sohn einfach nur da und starrte sie fassungslos an.

      „Mama, ich glaube, du drehst durch. Wenn er leben würde, würde er dich doch suchen und mich auch. Oder gibt es da noch mehr, was du mir verschwiegen hast? Will mein Vater vielleicht gar nichts mit mir zu tun haben? Ist er meinetwegen abgehauen und hat dich sitzen lassen?“

      „Nein, ganz sicher nicht!“

      „Aber du weißt es nicht, oder?! Du hast deine Erinnerung verloren.“

      Ihr Sohn sah auf einmal völlig verunsichert aus.

      „Er hat mich geliebt und dich hätte er genauso geliebt, da bin ich mir ganz sicher.“

      Die Miene ihres Sohnes spiegelte ein Wechselbad an Gefühlen wider. Was hatte sie nur angerichtet?

      „Lass uns in Ruhe darüber reden, okay?“

      „Nein, Mama. Ich kann nicht, das war einfach zu viel. Ich muss hier raus. Ich hau ab in die Stadt und …“

      „Nein, nicht! Das ist gefährlich!“

      „Das ist mir egal! Ich fühl mich hier sowieso eingesperrt! Ständig soll ich immer nur vorsichtig sein. Ich hab die Nase gestrichen voll davon.“

      „Bitte! Ich habe doch nur noch dich!“

      „Ich will aber nicht dein Ein und Alles sein, Mama! Warum ziehst du es nicht durch? Warum machst du dich nicht auf die Suche nach ihm? Hast du Schiss? Oder jagst du doch nur in Gedanken einer Illusion nach, weil du in Wirklichkeit genau weißt, dass er tot ist?“

      „Ich, ich …“

      „Mir reicht’s für heute. Mach das mit dir ab. Ich bin raus.“

      Er stürmte aus dem Haus, die Tür knallte ins Schloss und Stille eroberte das Haus. Stille, die ganz im Gegensatz zu ihrem inneren Aufruhr stand.

       Jage ich tatsächlich nur einer Illusion nach?

       Oder habe ich einfach nur Angst, mich mit den Mächten einzulassen, die damals vielleicht im Hintergrund die Fäden gezogen haben und es immer noch tun?

       Wie gefährlich wird diese Suche werden?

       Riskiere ich damit möglicherweise nicht nur mein Leben, sondern auch noch das meines Sohnes?

      Die Aufgabe einer Mutter war es doch, ihr Kind zu beschützen. Bisher war ihr das auch gelungen, aber nun?

      Es wurde sowieso immer schwerer, je älter er wurde. Er schlug seine eigenen Wege ein, nahm Risiken in Kauf und sie war meist nicht mehr in der Lage das zu verhindern.

      Ging es anderen Müttern eigentlich auch so?

      Vielleicht, aber normale Mütter hatten es zumindest nicht mit diesen Wesen zu tun …

      Ihr Magen


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