Violet Socks. Celine Ziegler
mich nicht doofer Sack, du Blöde!", keift Mikey wieder und so langsam macht mir sein ernster Ausdruck Angst.
Coco lässt das nicht auf sich sitzen und beugt sich ebenfalls weiter über den Tisch. „Nenn du mich nicht doofe Kuh, du Doofer!"
„Hey", sage ich jetzt und hebe beschwichtigend die Hände. „Ist doch alles gut. Lasst uns lieber essen, bevor …''
„Genau", sagt Mikey, allerdings wieder in Cocos Richtung. „Lass uns das Essen essen, das viel besser als Violets Essen ist!"
„Nimm das zurück!", wütet Coco.
„Nö!"
„Doch!"
Und dann geht es zu schnell, bevor Harry oder ich reagieren können.
Coco greift in die Schüssel mit Nudeln und beschmeißt Mikey damit.
Wir halten alle inne.
Bitte, bitte, bitte lass das jetzt nicht ausarten.
„Okaaaay", sagt jetzt Harry und nimmt Mikey schnell die Nudeln aus den Haaren. „Ich denke, wir …''
„Ich zeig's dir!" Schließlich schmeißt sich Mikey auf den Topf mit Soße, hält seine Faust rein und bespritzt Coco damit, die aufkreischt.
Heilige Scheiße. Das artet definitiv aus!
„Mikey!", mahne ich ihn und wische Coco die Soßenspritzer vom Gesicht.
Misses Heath wird uns umbringen. Tomatensoße geht unmöglich wieder aus den Klamotten raus, noch dazu sind genug Spritzer auf den Boden gekommen, manche auf den Holztisch, wo ich schon sehen kann, wie sich die Soße von dem Holz eingesogen wird.
„Blödmann!", meckert Coco Mikey an, während ich ihre Hände zurückhalte, mit der sie ebenfalls in die Soße greifen wollte.
„Eure Mutter wird so sauer auf euch sein!", sage ich überfordert und blicke auf die vielen Soßenspritzer auf dem Tisch und dem Boden. Hastig bücke ich mich um ein paar Flecken aufzuwischen. Ich kann es nicht glauben. Da ist man mal einen Abend mit Harry zusammen, schon passiert so etwas. War ja klar, dass es eskalieren muss.
Ich richte mich wieder auf.
Und kneife sofort die Augen zusammen, denn jetzt habe ich einen Flatschen Soße mit Nudeln ins Gesicht bekommen.
Schockiert halte ich den Atem an und halte inne, während ich die warme Soße in meinem Gesicht spüre und die Nudeln langsam ihren Weg von meiner Nase auf meinen Schoß machen.
Für ein paar Sekunden herrscht Stille am Tisch. Sogar Mikey und Coco haben aufgehört zu streiten. Und auch, wenn ich nicht gesehen habe, wer mich mit den Nudeln beschmissen hat, bin ich mir sehr sicher, dass es der gehässig grinsende Kotzbrocken vor mir war.
Innerlich auf hundertachtzig schmiere ich mir die Soße von den Augen und sehe unmittelbar in Harrys Gesicht, der mich mit erhobenem Mundwinkel mustert.
„Das hast du nicht getan", zische ich ihn an.
Doch er scheint sich keiner Schuld bewusst und zuckt nur mit einer Schulter. „Mikey war's."
Nicht belustigt lache ich auf und schüttle den Kopf, während ich mir noch ein wenig Soße aus dem Gesicht wische. Mikey war es. Wer es glaubt, wird selig, du Vollspaten.
„War ich gar nicht", flüstert Mikey Harry zu, worauf ich Harry wieder böse ansehe.
Meine ganzen Klamotten sind versaut und noch dazu können wir hier nach Misses Heaths Küche sauber machen, der Kinder eingeschlossen. Cocos Haare sind voll mit Soße und Mikey sieht nicht weniger schlimm aus.
„Ich würde sagen, das Essen hat sich gelohnt", sagt Harry nach einer kurzen Pause und steht auf, um die schmutzigen Sachen wegzuräumen.
Ungläubig sehe ich ihm hinterher, wie er einfach verschwindet, als wäre nichts. Als hätte ich gerade keine Nudeln auf dem Schoß und der Rest am Tisch keine Soße im Gesicht. Und das lasse ich nicht auf mir sitzen. Er denkt, er kann mich mit Essen beschmeißen und vorher noch über Verschwendung von Lebensmitteln predigen?
Nein, da hat er sich geschnitten.
Mutig nehme ich meinen Löffel und mache Soße darauf. Ich will es nicht direkt übertreiben, ich will ihm einfach nur klarmachen, dass ich auch zurückschlagen kann. Coco und Mikey gebe ich ein Zeichen, dass sie mich nicht verraten sollen, und dann schleiche ich mich von hinten an Harry ran, der die beschmutzten Teller in die Spüle stellt.
„Hey, Harry."
Er dreht sich um – und schon landet die Soße von meinem Löffel mitten in seinem Gesicht.
Selbstgefällig grinse ich ihn an, während er genauso innehält wie ich vorhin und leicht auflacht, als könnte er es nicht glauben.
„Tja", sage ich nur und wende mich selbst an die Spüle, als er einen Schritt zur Seite geht. „Du hast angefangen, also wage es dich bloß nicht, dich zu beschweren." Ich lasse Wasser über die schmutzigen Teller laufen, um sie zu reinigen. „Außerdem kannst du das alles hier sauber machen. Und ich werde dir nicht helfen. Du hast – verdammte Scheiße!"
Weil mich plötzlich eine seltsame Wärme von Kopf bis Fuß trifft und es sich alles andere als angenehm und natürlich anfühlt, schreie ich auf und hüpfe einen Schritt zurück.
Beinahe rutsche ich auf dem Fußboden aus, der jetzt in roter Soße getränkt ist, und muss mich am Küchentresen festhalten, um nicht auf das Hinterteil zu knallen.
Mikey und Coco beginnen zu lachen, als ich zum zweiten Mal heute innehalte, um zu kapieren, was, zur verdammten Hölle, hier gerade passiert ist.
Außer mir sehe ich Harry an, der zufrieden mit dem Topf in der Hand neben mir steht. „Sag mal, hast du sie noch alle?", brülle ich ihn an und wische wieder durch mein Gesicht, allerdings tropft mir daraufhin sofort Soße von meinen Haaren auf meine Stirn und Nase. „Was ist nur los mit dir?"
Harry zuckt wieder resigniert mit den Schultern. „Du hättest es nicht provozieren dürfen. Dein Pech."
„Mein Pech?", keuche ich entsetzt. „Du glaubst doch nicht, dass –"
Diesmal überlege ich nicht lange. Ich schnappe mir den Topf, der noch gefüllt mit dem verkochten Wasser der Nudeln ist und hebe ihn über Harry, um ihn hemmungslos über seinen Kopf zu schütten.
„Das wagst du nicht!", wehrt sich Harry jedoch und will meine Arme weghalten.
„Und wie ich das wage!", keife ich und kämpfe gegen seine Stärke an.
„Los, Vio!", feuert mich Coco an und beugt sich neugierig über den Stuhl.
Für die beiden ist das wahrscheinlich die beste Abendunterhaltung der Welt, nicht mal Fernsehgucken könnte da mithalten, aber das ist nebensächlich. Ich konzentriere mich nur auf Harry, um endlich die Chance zu ergreifen, die zwei Liter Wasser über seinen Kopf zu kippen.
„Violet!", beschwert sich Harry, während wir miteinander rangeln und ich immer wieder versuche, den Topf für mich zu gewinnen.
Doch endlich schaffe ich es. Ihm rutscht der Topf aus der Hand, ich hebe ihn an und im nächsten Moment ist Harry komplett durchnässt.
„Ha!", freue ich mich und zeige mit dem Finger auf ihn. Dass ich auch etwas abbekommen habe, ist nicht wichtig, denn Harry hat mehr abbekommen. Er ist klitschnass.
Allerdings fackelt er nicht lange, sondern will einen Schritt auf mich zumachen, aber der nasse Boden macht ihm einen Strich durch die Rechnung.
Er rutscht mit seinem rechten Fuß aus, flutscht nach vorne und hinten. Harry will sich an mir festhalten, wogegen ich mich versuche zu wehren, damit er mich nicht mit sich in den Abgrund reißt, doch es ist zwecklos.
Wir knallen beide wie zwei eingelegte Heringe auf den Boden unter uns und liegen mitten in der Suppe aus Soße und warmem Wasser.
Harry fällt auf den Rücken und ich lande bäuchlings