Violet Socks. Celine Ziegler

Violet Socks - Celine Ziegler


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dazu zwingen musste, für mich Tortellini zu kochen. Mindestens einmal die Woche.

      Doch ob er heute noch immer so leidenschaftlich kocht, ist eine andere Sache. Ich denke, nicht. In der Schule wird immer erzählt, dass er nach der Highschool irgendwo im Supermarkt arbeiten wird, weil er keine Lust auf studieren hat. Es wird auch erzählt, dass er mit dem Soccerspielen weiterkommen will, denn das hat er auch schon immer gerne gemacht. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich all diesen Gerüchten glauben kann, denn ich kenne Harrys Eltern und schon von klein auf wollten sie, dass aus ihm mal etwas ganz Großes wird. Und da ist Anwalt zu werden nur das kleinere Übel. Ich will gar nicht wissen, wie viel Ärger seine Eltern machen, weil er in der Schule so schlechte Noten schreibt.

      „Ich werde Mama fragen, ob sie mir auch solche Strümpfe kauft", holt mich Coco aus meinen Gedanken und streicht über meine Katzensocken. „Ich find die echt schön."

      „Ich kann dir gerne welche kaufen", biete ich ihr schmunzelnd an, weil sie supersüß ist. „Als Entschuldigung dafür, dass dieser Kotzbrocken in der Küche heute da ist."

      Sofort verzieht Coco wieder das Gesicht, weil sie merkt, wie ich auf Harry reagiere. „Ja, echt voll der Kotzbrocken. Und Mikey ist auch ein Kotzbrocken."

      Ich flüstere ihr zu: „Versprich mir, dass du sagen wirst, dass mein Essen besser ist als seins, egal wie gut es schmeckt, ja?"

      Sie nickt. „Versprochen."

      „Was sagst du?", höre ich Harrys Stimme aus der Küche.

      Mikey sagt irgendwas, doch ich verstehe es nicht.

      „Du musstest davon brechen? Man, das muss echt abartig gewesen sein."

      Wieder sagt Mikey etwas Unverständliches.

      „Oh, Gott, hör lieber auf, davon zu reden, mir wird gleich übel."

      Beleidigt presse ich die Lippen aufeinander und versuche, ihr Gerede in der Küche zu ignorieren, zumal ich ganz genau weiß, dass Harry extra laut spricht, damit er mir noch mal unter die Nase reiben kann, wie schlecht ich koche. Idiot. Beide. Er und Mikey. Heute heißt es also zwei gegen zwei. Das ist fair.

      „Und dann habt ihr alles wieder weggeschmissen?", fragt Harry Mikey wieder extra laut.

      Ich will ihn treten.

      „Was für eine Verschwendung. Da hat wohl jemand keine Ahnung von richtigem Umgang mit Lebensmitteln."

      Jetzt reicht es mir. Zickig rufe ich zur Küche: „Mal so nebenbei: Wir können euch hören!"

      „Ups." Ich höre Harrys Belustigung klar und deutlich. „Das war nicht unsere Absicht."

      Ich murre leise: „Klar, du Vollidiot."

      Coco sieht mich neugierig von der Seite an und ihre großen blauen Augen strahlen mir entgegen. Ein Wunder, dass sie so hübsch ist. Sie sieht kein Stück aus wie Misses Heath. Zumal Misses Heath sowieso viel zu alt für solch kleine Kinder ist. Zumindest verhältnismäßig.

      „Wieso mögen wir ihn nicht?", fragt die Kleine mich.

      Ich sehe weg und versuche, eine gute Antwort darauf zu finden. „Weil er doof ist."

      „Aber wieso ist er doof?"

      „Weil er gemein ist."

      „Was hat er Gemeines getan?"

      „Er ... Er ist ständig gemein. Sogar jetzt gerade ist er gemein."

      „Weil er sagt, dass du nicht kochen kannst?"

      „Zum Beispiel."

      Nickend sieht sie nachdenklich weg. „Oh ... Also magst du ihn nur nicht, weil er sagt, dass du nicht kochen kannst?"

      „Nein. Ich mag ihn nicht, weil er fies und gemein und unausstehlich ist." Ich würde ihn gerne als Arschloch betiteln, doch vor einer Sechsjährigen sollte ich solche Ausdrücke lassen.

      „Hat er noch etwas anderes getan?"

      Ich lache auf. „Sogar eine ganze Menge."

      „Was denn?"

      „Er hat …''

      „Violet Lotta Berrymore", werde ich jedoch von Mikey unterbrochen, der mit erhobenem Kinn und gestreckter Brust vor der Couch steht, als wäre er ein Soldat. „Ich soll Sie bitten, Coco zum Tisch zu führen, damit sie das beste Essen der Welt essen kann."

      „Und ich darf nichts essen?", frage ich.

      Er schüttelt vehement den Kopf. „Ich tue nur, was mir gesagt wurde."

      Wieder will ich Harry treten. Nicht nur, weil er mir sein Essen verweigern will, sondern weil er tatsächlich jemanden meinen Zweitnamen verraten hat. Er weiß ganz genau, dass ich diesen Namen hasse, und jetzt verwendet er ihn als Waffe gegen mich. Aber na gut. Das Spiel kann ich auch spielen. Ich habe noch genug Dinge, mit denen ich ihn genauso ärgern kann.

      „Okay", sage ich deswegen entschlossen und stehe auf. „Violet Lotta Berrymore und Coco werden kommen. Sag doch bitte Harold Jermaine-René Perlman Bescheid, ja?"

      Ich erreiche genau das, was ich wollte. Mikey und Coco kichern genauso wie jeder andere, der Harrys vollen Namen zum ersten Mal hört. Ich habe mich damals auch totgelacht. Doch was er kann, kann ich auch. Sein Pech.

      Als wir in die Küche kommen, sitzt auch schon der besagte Harold Jermaine-René Perlman mit bösem Ausdruck am Tisch und starrt mich niederschmetternd an. Ich bin mir sicher, dass er mitbekommen hat, wie ich eins seiner intimsten Geheimnisse ausgeplaudert habe. Gut so. Er hätte ja nicht verraten müssen, dass mein Zweitname Lotta ist.

      „Guck doch nicht so beleidigt", ziehe ich ihn zufrieden auf und muss mich beherrschen, nicht gleich über das Essen herzufallen, weil es so wunderbar riecht.

      „Ich hab dir gesagt, du sollst es niemandem verraten", knurrt er, als sich Mikey neben ihn setzt und Coco neben mich auf den Stuhl.

      „Ach ja?" Ich sehe ihn mit erhobener Braue an. „Soweit ich mit entsinnen kann, habe ich dir auch gesagt, dass du meinen Zweitnamen für dich behalten sollst. Du hast angefangen."

      „Du Kotzbrocken", verteidigt mich Coco noch nachdrücklich und verschränkt halbstark die Arme.

      Harry sieht sie fast schon fassungslos an. „Was?"

      „Sie nannte dich Kotzbrocken", wiederhole ich zufrieden mit Cocos Benehmen ihre Worte. „So wie es sich gehört."

      Jedoch schaltet Mikey sich ein. „Und ihr seid komische Mädchen, die auf komische Katzenstrümpfe stehen!"

      Jetzt grinst Harry selbstgefällig zu Mikey, auf den er bestimmt genauso stolz ist wie ich auf Coco. „Gut gemacht. Lass dich bloß nicht unterkriegen."

      „Lass ich nicht", sagt Mikey erschreckend ernst und starrt uns an. „Das ist dafür, dass ich beim letzten Mal brechen musste, weil Violet nicht kochen kann!"

      „Hey, so schlimm war es auch nicht. Du hast einfach einen zu empfindlichen Magen."

      „Genau!", steht mir wieder Coco zur Seite. „Ich wette, das Essen hier schmeckt total ekelig!"

      „Ich wette nicht", wirft Harry ein, worauf ich ihn wieder böse ansehe.

      „Ich wette doch!", sage ich.

      „Und ich wette nicht."

      „Es schmeckt bestimmt wie Omas alte Füße!", meckert Coco weiter, jedoch nicht in Harrys Richtung, sondern in Mikeys, der wahrscheinlich am wenigsten für den Geschmack des Essens kann.

      Aber Mikey kämpft tapfer zurück und beugt sich weiter über den Tisch. „Dann musst du ja oft von Omas alten Füßen probiert haben, du doofe Kuh!"

      Beleidigt streckt Coco die Zunge heraus und ruft: „Wohl eher du! Du doofer Sack!"

      So langsam bekomme ich das Gefühl, es läuft aus dem Ruder. Eigentlich wollte ich den Abend nicht damit verbringen, dass Coco und


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