Dr. Patchwork und die Insekten. Gordon Goh
verglichen haben. Und es ist ebenfalls natürlich, dass das Männchen mit dem größeren Schwanz diesen Moment des Erfolges auskostet. Adam dreht sich zum applaudierenden Weibchen Ivy um und verbeugt sich vor seinem Publikum.
Sinclair muss schlucken bevor er fortfährt »Also gut, Steinberg! So ungern ich das auch zugebe. Aber offensichtlich benötigen wir Ihre Dienste doch noch. Wenn Sie sich bei mir entschuldigen, können Sie gerne wieder Ihren Dienst antreten.«.
Adam erwidert »Ich nehme Ihre Entschuldigung an, Sinclair! Aber damit ist es nicht getan. Sie haben sich wie ein Riesenarschloch aufgeführt und dafür erwarte ich eine Wiedergutmachung.«.
Sinclair bebt vor Stöhnen und Knurren und sein verachtender Blick lässt seine Stirn wie die eines Klingonen aus Star Trek wirken (Wise et al. 1979). Dann muss er es aussprechen.
Worte die sein Selbstbewusstsein und seinen Stolz wie Holz in 1molare Salzsäure verätzen lassen »~Also schön!~ Was kann ich denn für Sie tun?«.
»Ich möchte, dass Ivy Ihnen eine reinhauen darf.« antwortet Adam.
Die Kneipengäste, die das Spektakel schon eine Weile beobachten, waren schon vorher sehr aufmerksam. Doch diejenigen, die bisher nur mit einem Ohr zugehört haben, drehen ihre Gesichter nun ebenfalls in voller Aufmerksamkeit in Richtung Sinclair, Steinberg und Ivy. Adam setzt aber noch einen drauf »Und zwar hier und jetzt. Vor allen Leuten.«.
Sinclair sieht sich um und blickt dann zur verängstigten Ivy, die den Eindruck macht, als wüsste sie gar nicht wie ihr geschieht und wie sie auf diese Umstände reagieren soll. Sie wirkt leicht irritiert.
»Abgemacht!« antwortet Sinclair übermütig mit einem Schulterziehen »Wie schlimm kann das schon werden. Ich mach mir eher Sorgen um Ihre Ratte, dass sie sich die Pfote verletzen könnte.«.
Adam fordert Ivy mit einer Handbewegung auf aufzustehen und zu ihm zu kommen. Sie folgt der Aufforderung und reicht Adam ihre Pfote. Adam greift sie und positioniert sie zu Sinclair. Ratte und Peiniger stehen sich nun erneut gegenüber und der Peiniger wird zum Gepeinigten. Adam massiert Ivy mit beiden Händen die Schultern wie ein Trainer seinen Boxchampion und sagt »Denk dran, dass der Kerl dir zuerst in die Fresse geschlagen hat. Es ist nur gerecht.«.
Sinclair hebt das Kinn und sieht Ivy hochnäsig und dominant in die Augen. Dann kommt eine kleine Backpfeife, für die ein Zuschauer sein Geld zurückverlangen würde. Es war eher eine sanfte Berührung als ein Schlag und Sinclair erwidert es mit einem grunzenden Kichern.
»Nein! Fester, Ivy!« sagt Adam.
Ivy schlägt nochmal zu etwas schneller, aber auch ohne Wumms.
»Nein, Ivy! Du musst ihm voll auf die Fresse hauen!« fordert Adam.
Aus Sinclairs Kichern wird ein spottendes Lachen. Dieses Lachen kann Ivy jedoch gar nicht leiden und lässt sie erinnern wie wenig Respekt sie von den Leuten bekommt und wie sehr man im Besprechungsraum auf sie herabgeschaut hat. Dann folgt ein wuchtiger Schlag mit dem Sinclair nicht rechnet. Ivy schlägt ihm genau seitlich gegen den Unterkiefer. Sinclair fällt nach hinten gegen den Türrahmen vom Eingang, kann aber noch geradeso ein „zu Boden fallen“ verhindern. Er behält das Bewusstsein, was die Sache, aber noch schlimmer macht. Denn bewusst bekommt er mit, wie die Gäste, der Barkeeper MIR, Adam, Kane, Kalle und Ivy ihn dabei beobachten von einer Rattenlady niedergeschlagen worden zu sein.
Sinclair richtet wütend seinen Kragen und verlässt die Kneipe mit einer Bemerkung »Sie haben, was Sie wollten, Steinberg! Jetzt machen Sie sich an die Arbeit, Sie Choleriker!«.
Nachdem das Bier, der Schnaps, der Wodka und die Scotchflasche bezahlt sind, verlassen alle das MIR`s. Adam klopft Ivy stolz auf den Rücken und kommentiert »Das war für den Anfang nicht schlecht, aber beim nächsten Mal müssen Zähne fliegen.«.
»Bitte halt mich das nächste Mal da raus und mach das selbst, Adam!« erwidert Ivy.
Kane Steinberg geht nochmal auf Adam und Ivy zu und hält sie für ein weiteres Gespräch an »Ivy, ich muss noch etwas mit dir bereden.«.
»Was denn?« fragt Ivy.
»Es geht um ein Zuchtprogramm. Ich habe jetzt einige Rattus sapiens-Exemplare gezüchtet und anstatt sie noch weiter im Reagenzglas zu züchten, will ich einige Ratten miteinander kreuzen. Ich möchte dich gerne in das Zuchtprogramm integrieren.« antwortet Kane.
Während Ivy mit einem überraschten Blick den Mund nicht mehr zu kriegt, reagiert Adam mit einem leichten kurzen Würgen, als ob ihm die Nachricht etwas Kotze hochkommen ließe.
Ivy stottert vor Scham »Äh, äh, äh... ähm! I...I...Ich..., äh....«.
Adam ergreift das Wort »Du musst nicht antworten. Ich kann gleich sagen, dass das eine blöde Idee ist. Tut mir Leid, Paps, aber Ivy muss mir im Labor helfen. Außerdem ist Ivy ein Prototyp. Du weißt gar nicht, ob Ivy kompatibel ist.«.
Kane antwortet darauf »Deswegen will ich es ja ausprobieren. Außerdem hab ich sie ja dafür geschaffen.«.
Adam erwidert »Nein! Nein! Sie ist ein Prototyp. Das heißt, du hast Sie geschaffen, um zu gucken, ob die Erschaffung möglich ist. Das heißt, Ivy hat ihre Schuldigkeit damit getan.«.
»Hier geht es nicht um Schuldigkeit. Hier geht es um maximale Ausbeute. Ivy soll über sich hinaus gehen.« sagt Kane.
»Sie ist meine wissenschaftliche Assistentin. Wie weit hinaus soll sie denn noch gehen?«
»Sie ist aber vor allem eine Dame, die das Recht auf eigenen Nachwuchs hat.«
»Vielleicht solltest du sie erst mal fragen, ob sie das überhaupt will.«
Kane zieht die Schultern nach oben und antwortet darauf »Ich muss sie nicht fragen. Sie ist mein Eigentum.«.
Adam erhebt den Zeigefinger vor dem Gesicht seines Vaters und will noch etwas hinzufügen, aber bevor er ein Wort sagen kann, legt Ivy sanft die Pfote auf Adams Zeigefinger und drückt diesen wieder runter, während sie ihn unterbricht »Das ist schon in Ordnung, Adam! Ich hab nichts dagegen, das mit unserem Vater zu bereden.«.
»Ja, aber...« stottert Adam.
Bevor Adam noch ein weiteres Wort sagen kann, hält Ivy ihren Zeigefinger vor seinem Mund und unterbricht ihn »Ä ä... Kein „Aber“! Das ist meine Angelegenheit und die unseres Vaters. Und wenn du mich respektierst, dann mischst du dich nicht ein. Verstanden? Ich kann für mich selbst sprechen.«.
»Sicher?« antwortet Adam wider willens.
»Geh schon mal vor, Adam! Ich werde das mit deinem Vater unter vier Augen bereden. Geh schon mal ins Labor! Bereite die Aminosäure-Isolation vor, die wir für morgen geplant haben und dann geh nach Hause! Ich komme dann nach und wir können noch etwas Keyboard spielen. Und arbeite nicht solange!« zieht Ivy ihren Adam auf.
Während Ivy und Kane über dieses Zuchtprogramm sprechen und sich immer weiter von Adam distanzieren, bleibt Adam an der Stelle stehen, steckt die Hände in die Hosentaschen mit vorgestrecktem Brustkorb und erhobener Nase. Mit der Pose will er verdeutlichen, dass er ein Mann ist, der Veränderungen akzeptieren kann und dass er die Dynamik und die Philosophie des Lebens als Wissenschaftler versteht und dass das alles völlig normal ist. Das sagt ihm zumindest sein Verstand. Aber der Mensch hat auch noch ein Unterbewusstsein und das würde so gerne auch noch etwas dazu sagen. Adam unterdrückt dieses Gefühl, denn er ist ein perfekter Mensch, der diese Situation völlig rational betrachtet. Und das ist so bedauerlich.
Kapitel 4: Material
1
7:35 Uhr, Eden-2-Kolonie. Ein Tag ist es her seit Sinclair der Interstellar-Force den Auftrag gegeben hat, Frischproben der Plage für die Forschungsarbeit meines Bruders Adam Steinberg zu besorgen und ins SOD-Zentrum zu bringen. Ich, Major Maria Steinberg, begebe mich mit einem Außenteam zu einem der Nester der Plage, um die Proben von dort zu beschaffen. Zum Team gehören Private Nero Parrot,