Dr. Patchwork und die Insekten. Gordon Goh
und aus den verschiedenen Verzweigungen vernehmen wir weiteres Fauchen. Auch pulsierendes Zirpen hören wir. Das verheißt nichts Gutes. Dieses Geräusch bedeutet für uns „Kampfdrohnen im Anmarsch!“. Hier sind immer noch lebende Kampfdrohnen und sie haben die Schüsse gehört. Wir schnappen den Käfig, lassen die Toten zurück und rennen in Richtung Ausgang. An den Wänden und an der Decke sehe und höre ich weitere Unsichtbare. Ich sehe nur ihre Umrisse und die Lichtbrechung an ihren Körpern. Aber ich sehe sie. Nicht wenn sie stehen bleiben. Aber wenn sie sich bewegen. Ich greife nach meiner Pumpgun und schieße sie von der Wand, wo sie auf uns lauern. Einer lässt sich von der Decke auf mich herunterfallen. Ich weiche aus und schieß dem Vieh ins Gesicht oder so. Kleine Säurespritzer fliegen gegen meine Gesichtsbedeckung. Auch der Sergeant muss Salven verschießen. Eines der Dinger lauert dem Sergeant an der Wand auf. Aber der hat ihn bereits bemerkt und zerquetscht es mit seinem Stiefel gegen die Wand. Rückblickend betrachtet war das eine sehr dumme Idee. Denn jetzt frisst sich die austretende Säure durch seine Sohle. Er muss den Stiefel schnell ausziehen. Dann rennt der Sergeant halb barfüßig durch die Höhle. Ich werfe die Pumpgun zur Seite, weil ich sie leer geschossen habe, und greife nach meinem Teslaschwert. Ich aktiviere es und schon erscheinen zwei strahlende Blitze an den Kathoden. Ich trage einen Faraday Handschuh. Schutzkleidung, damit ich von der Waffe nicht selbst versehentlich eine gewischt kriege. Eines der Unsichtbaren überrascht mich kurz vor dem Ausgang. Bevor es mir ins Gesicht springen kann, halte ich das Teslaschwert schützend vor mich und das blöde Teil springt genau rein. Ich sehe, wie die elektrische Ladung das Ding erwischt und es fliegt fast zehn Meter weit zurück. Ein weiterer Unsichtbarer kriecht dem sandigen Boden vor dem Ausgang auf mich zu. Ich spiele Golf mit dem Vieh und schlag es gegen die Wand vom Höhleneingang. Natürlich mit Stromschlägen. Wir verlassen die Höhle und der Sergeant wirft noch eine Handgranate gegen den Eingang. Sie explodiert und tatsächlich erwischt die Explosion noch ein paar Unsichtbare, die wir gar nicht bemerkt hatten. Auch ein paar Steine an der Decke stürzen herab. Lieutenant Heckler steht vor dem Lehemoziz, macht aber einen erschrockenen Eindruck. Er sieht nicht nur uns, sondern auch die riesige Orgaschine, die fünfbeinig auf dem Berggipfel über dem Eingang steht. Sie hat uns bemerkt. Der Lieutenant greift nach seiner Panzerfaust und will auf die Orgaschine schießen. Bevor er den Abzug betätigen kann, beschießt die Orgaschine den Lieutenant mit einem sauberen Laserstrahl und schneidet ihn direkt vor unseren Augen schräg in zwei Teile. Als sein Torso herunterfällt, betätigt seine Leiche durch einen letzten Reflex doch noch den Abzug der Panzerfaust und eine Rakete schießt an unseren Köpfen vorbei zum Eingang, wo schon die ersten Kampfdrohnen heraus krabbeln. In einer Komposition aus Feuer und Druckwelle fliegen brennende Insektenkörperteile und staubige Felsbrocken aus dem Eingang. Wir rennen an dem toten Lieutenant vorbei, dessen Leiche uns um ein Haar mit einer Rakete erwischt hätte. Wir steigen in den Panzer, während dieser von Cesar gesteuert wird und mit der Mikrowellenkanone auf die Orgaschine zielt. Sie scheint eine Wirkung zu erzielen. Die Orgaschine schießt in unsere Richtung, aber unkoordiniert an uns vorbei. Die Mikrowellen scheinen sie blind zu machen und die Orgaschine fängt sogar Feuer. Ich ergreife die Chance und bediene eines der 150 mm Maschinengewehre. Ich schieße auf das, was so aussieht wie ein Kopf. Ich durchlöchere dieses Ding, das so aussieht, als käme es aus einer ekelhafteren Version von Krieg der Welten (Wells 1898). Eigentlich sieht es aus wie ein grüner Radarturm auf fünf Krebsbeinen. Wir fahren weg, während ich und Cesar weiter feuern. Der Orgaschinenkopf explodiert und ich lächele. Ich habe meinen Traum erfüllt. Irgendwann kehre ich zurück und sehe nach, was drin war. Ich bin Tunnelblick-Marie und ich habe soeben eine Orgaschine geplättet.
Abb. 8: Maria Steinberg alias „Tunnelblick-Marie“.
5
Uhrzeit ist mir gerade egal! Ich habe drei Kameraden verloren. Noah behandelt seine verletzte Schulter und Cesar begutachtet das Unsichtbare in der Kiste, das wie wild hin und her wackelt. Es hat eine scheiß Wut. Wir haben auch schon einen Namen für den kleinen Teufel. Wir nennen ihn Schlitzi die Stealth-Drohne. Ich bin Tunnelblick-Marie und ich habe soeben eine neue Art entdeckt. Wir fahren an dem Außenposten vorbei, an dem Vergils Bruder stationiert ist. Aber der Stützpunkt ist völlig zerstört. Wir sind fassungslos. Wir halten an. Wir steigen aus. Wir sind immer noch fassungslos.
»In Deckung!« flüstert der Sergeant.
Wir ducken uns und sehen, was er sieht. Hinter den Trümmern des etwa 500 m² großen Stützpunktes schwebt am Himmel eine fast 10 m dicke Metallosphäre vorbei. Wir versuchen unbemerkt zu bleiben und meiden jeden Kontakt. Sie anzugreifen wäre töricht. Eine schwebende Metallkugel ist zwar längst nicht so gruselig, wie das, was wir in der Höhle entdeckt haben oder das Teil, das wir in der Box eingesperrt halten. Dennoch darf man die Agenten der Matrix nicht unterschätzen. Sie kann sofort beschleunigen und uns alle zermalmen. Wir warten bis das Ding weiterfliegt und den Trümmerhaufen verlässt. Wir beobachten, wie es am Horizont verschwindet. Das Teil sieht nicht nach viel aus, aber dieser Anblick ist einfach bizarr und beeindruckend. Eine perfekt geometrische Struktur fliegt, scheinbar ohne Antrieb, quasi wie durch Magie, zum Horizont und verschwindet dort. Manchmal frag ich mich, ob die Dinger wirklich denken können. Jetzt kommen die Überlebenden aus ihrem Versteck hervorgekrochen und direkt auf uns zu. Sie sind verängstigt und völlig traumatisiert. Es liegen sogar viele Tote zwischen den Trümmern. Einer scheint sogar von der Sphäre völlig zermatscht worden zu sein. Sein blutiger Körper liegt platt auf dem Sandstein. Armer Teufel! Aber sie hatten Glück. Hätte sie eine purpurne Wolke besucht, hätte sie keine Überlebende hinterlassen. Nur ein Friedhof voller verkohlter Leichen, wäre übriggeblieben. Unter den Überlebenden ist Vergils Bruder Luke. Scheiße! Wie soll ich ihm das jetzt mit Vergil erklären? Dieser Tag kotzt mich an! Ich bin Tunnelblick-Marie und ich habe soeben einen Scheißtag erlebt. Aber eines war gut! Ich habe eine Orgaschine zum Knacken gebracht. Knacks!
Abb. 9: Metallosphäre
Kapitel 5: Töne, Klänge & Rhythmen
1
Es ist spät am Abend. Adam sitzt bei sich zu Hause auf der Couch und isst aufgewärmte Nudeln. Ivy wollte pünktlich da sein. Das Keyboard, mit dem die beiden musizieren wollten, steht einsam und allein in der Mitte des Wohnzimmers. Es ist gemütlich. Aber nur, weil Ivy sich darum kümmert. Und weil Adam nicht oft genug hier ist, um es scheußlich aussehen zu lassen. Meistens schläft er im Labor. Da öffnet sich die Tür und Ivy betritt die Wohnung.
»Tut mir Leid, dass du warten musstest, Adam! Aber dein Vater und ich haben sehr lange über dieses Zuchtprojekt geredet.« entschuldigt sie sich.
»Du weißt, dass du das nicht tun musst. Ich könnte mich für deine Rechte einsetzen und dich decken, äh... Ich meinte dir Rückendeckung geben.« kommentiert Adam.
»Darüber haben wir doch schon geredet, Adam! Meine Daseinsberechtigung liegt darin, deinem Vater zu dienen. Dafür hat er mich erschaffen.«
Adam wirft entnervt seine Gabel in den Nudeltopf, aus dem er isst, und stellt diesen entnervt auf den Boden.
Dann legt er los »Sag mal! Hältst du dich etwa für sein Eigentum?«.
»Bin ich das nicht?«
»OK, Ivy! Lass uns über Eigentümer reden. Warum glaubst du, du gehörst meinem Vater?«
»Weil ich wegen ihm existiere.«
»Das tue ich auch, aber deshalb lasse ich mich nicht von ihm rumkommandieren.«
»Warum eigentlich nicht? Du stellst dich gegen deine eigene Sippe, Adam! Gegen deine eigene Nationalität, deine Religion, ja sogar gegen deine eigene Spezies.«
»Okay, fangen wir mal mit der Nationalität an. Davon kann ich dir ein ganzes Lied trällern. Zunächst einmal befinden wir uns in einer Kolonie. Es gibt hier keine Nation. Und warum diese Dödel von Volkstrotteln immer noch daran