Dr. Patchwork und die Insekten. Gordon Goh
mit einem Lehemoziz-Amphibienpanzer zum Plagenest D-1Y. Erläuterung: Die Nummer der Plagenester werden wie folgt definiert. D steht für einen der vier Quadranten ausgehend von der Kolonie. A bedeutet nordwestlich, B nordöstlich, C südöstlich und D südwestlich der Kolonie. Die Zahl ist die jeweilige Nummerierung des Nestes eines Quadranten. Am Ende wird die Nummer mit einem Y für observiert und X für unbekannt gekennzeichnet. Wenn Nester zerstört sind, werden diese mit einem Z gekennzeichnet. Aber solche Nester gibt es nicht. Noch nicht! Zu unserer Ausrüstung gehören zum Einen die Interstellar Force-Standardausrüstung nach § 5 Abs. 2 des SOD-Militärhandbuches (Tab. 1) sowie ein Probensammel-Kit des Doktors, 100kg C4-Sprengstoff und einige individuelle Zusatzwaffen der Teammitglieder von jedem Mitglied selbst ausgesucht. Dazu gehören drei Elektroschockpistolen mit je 500 Watt-Leistung, eine Panzerfaust mit fünf Wärmelenkraketen (Wärmelenkfunktion optional), ein Kampfspaten und mein persönliches Teslaschwert, eine Hiebwaffe mit zwei seitlich angebrachten Blitzleiter-Kathoden. Für den Fall einer Konfrontation mit Orgaschinen oder Metallosphären ist der Lehemoziz mit einer 0,5 m-Mikrowellen-Langstreckenkanone und zwei 150 mm Maschinengewehren ausgestattet. Mein Team ist angetreten und steht bereit zum Aufbruch. Wir machen uns auf den Weg. Wir verlassen die Sicherheit der Kuppel und betreten die gefährliche Einöde von Eden-2 außerhalb der Kolonie, um meinem verrückten Bruder seine Insektenproben zu bringen. Lebendig wenn es geht. Ich hoffe, das geht gut für uns aus. Adam ist vielleicht der Nagel zu unserem Sarg.
Tab. 1: Interstellar Force-Standardausrüstung nach § 5 Abs. 2 des SOD-Militärhandbuches
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8:42 Uhr. Die Mannschaft steht am Hangar unserer Militärzentrale bereit. Wir steigen in den Lehemoziz. Der Hangar ist so groß wie zwei Fußballstadien. Unter unseren Stiefeln höre ich das Geräusch von betretenem Metallboden. Ein schönes Geräusch, wenn Kunsthartledersohlen auf Stahlplatten treten. Der Hangar, unsere Ausstattung an mobilen, tragbaren und stationären Waffen. All das erfüllt mich mit Stolz. Und es erfüllt mich mit Stolz eine dieser Waffen zu sein. Eine Waffe aus Fleisch und Blut und Knochen. Ich bin keine Frau. Ich bin eine Einheit. Ich gehöre zur Infanterie der Interstellar Force. Bei uns wird nicht gedacht, wie bei den Kittelträgern. Bei uns wird stillgestanden, geladen, entsichert, gezielt und gefeuert. Wir schießen mit Handfeuerwaffen, mit Gewehren, mit Kanonenrohren und mit Lenkraketen. Wir bombardieren die Plage, die Matrix, die Flora und, wenn es sein muss, auch feindliche Zivilisten. Zivilisten, die aus der Reihe tanzen. Zivilisten, die falsche Entscheidungen treffen. Zivilisten, die meine Mutter getötet haben. Zivilisten, die mein Bruder noch mehr hasst als ich. Aber das ist kein Grund mir ein schlechtes Gewissen einzureden. Ich bin stolz zu einer Einheit zu gehören, die solche schlimmen Dinge in Zukunft verhindern wird. Es erfüllt mich mit Stolz. Mit Stolz! Stolz!!! Ich bin keine Kriegerin. Ich bin eine Soldatin. Ein Werkzeug. Nein! Eine Waffe. So wie dieser Lehemoziz. Der fliegende Amphibienpanzer, der aussieht wie ein Tarnkappenbomber mit zentralem Übergewicht. Die Tragflächen sind riesig, aber ein- und ausfahrbar. Ein Flügel ist dreimal so breit wie die Panzeruntereinheit in der Mitte. Er besteht aus einem Polymer, was ihn leichter, aber trotzdem stabiler macht als Stahl. Trotzdem ist er kein eleganter Vogel. Er kann per Düsenantrieb fliegen. Zwei bewegliche Düsen sitzen zum Vorwärtsflug und zum Lenken am hinteren Bereich der Panzeruntereinheit, vier weitere direkt unter dem Panzer zum Abheben. Das verbraucht viel Energie, weshalb der Lehemoziz kein Langstreckenflieger ist. Zum Glück ist Eden-2 sehr warm. Das gibt zusätzlichen Auftrieb. Er ist abgesehen von den Tragflächen nicht sehr aerodynamisch und trotz des Polymers noch ziemlich schwerfällig. Das macht ihn langsam. Das Problem ist nicht die Außenhülle, sondern der Reaktor und die Bewaffnung. Würden wir auf den Reaktor verzichten, könnte der Lehemoziz gar nichts und ohne Bewaffnung würde niemand rausfliegen. Nicht bei all den Drohneninsekten, Orgaschinen und Metallosphären. Das wäre glatter Selbstmord. Wenn ich in den Lehemoziz einsteige, ist es, als würde ich zu einem Teil von ihm. Ich und die anderen Teammitglieder werden eins mit ihm, verschmelzen mit ihm zu einer Einheit. Er ist wie eine Verlängerung unserer Körper. Und wir vervollständigen ihn. Das macht uns stolz. Wir starten. Wir fliegen los. Wir brechen auf und unser Missionsziel ist eine frische bis lebende Probe eines Drohneninsektes. Dr. Noah weiß, was da zu tun ist. Aber ich hoffe, wir begegnen genug Plagen, um unseren Spaß zu haben. Ich liebe es Projektile auf bewegliche Ziele abzufeuern. Vollmantel- und Hohlspitzgeschosse. Halb- und Vollautomatik. Am liebsten Vollautomatik. Eine geölte Waffe mit langem Lauf und einem geschmeidigen Abzug. Ich liebe es, diesen Abzug zu drücken und das Magazin auf meinem Ziel zu entleeren. Den Druck rauszulassen. Ich liebe das kreischende Geräusch von sterbenden Rieseninsekten und das Knacken von Chitinpanzern. Knacks! Als würde man eine Walnuss öffnen. Oder eine Erdnuss, wenn es ein kleines Exemplar ist. Ich würde mal so gerne eine Orgaschine aufknacken, um zu sehen, was drin ist. Ich liebe es, wenn der Saft aus ihren Körpern spritzt. Der Saft ist hoch ätzend. Mein Bruder sollte mal herausfinden, wie ihre Körper den hohen Säuregehalt ihrer eigenen Körperflüssigkeiten standhalten. Wir könnten eine neue Rüstung damit bauen. Dann könnte ich mal ausnahmsweise einer Plage den Kopf weg schießen, während ich direkt davor stehe. Mit einer schönen Schrotladung mitten ins Gesicht. Das sind alles kranke Gedanken. Ich weiß das. Aber wir sind im Krieg. Und diese kranken Gefühle helfen mir dabei meine Missionen zu überstehen und sogar dabei Spaß zu haben. Es ist beunruhigend, aber zweckmäßig. Ich bin Maria Steinberg und mein Team hat soeben die Kuppel durch den Ausgang am Hangar verlassen.
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9:21 Uhr. Meine Kameraden reden über meinen Spitznamen. Sie nennen mich Tunnelblick-Marie, weil ich an den Gefahren vorbeigehe, als würde ich sie ignorieren. Das ist besorgniserregend, aber zweckmäßig. Denn so komme ich an mein Ziel. Ich verlasse mich auf die Rückendeckung meiner Kameraden. Privat Vergil Colt sieht die ganze Zeit aus dem Fenster, um den Außenposten zu erblicken, den wir nun überfliegen. Sein Bruder ist dort stationiert. Luke Colt. Nicht als Soldat. Als Sanitäter. Seine Sorge ist berechtigt. Man weiß nie, wann ein Außenposten angegriffen wird. Wir sind an ihr vorbei und Vergil hat die Bestätigung, dass der Außenposten noch steht. Er winkt seinem Bruder zu. Wer weiß, wie oft noch. Einer von beiden könnte sterben. Jederzeit. Wir fliegen weiter. Um uns herum - Rot violetter Himmel und karge Sanddünen.
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Abb. 7: Das Geheimnis von D-1Y
11:02 Uhr. Wir sind angekommen. Wir verlassen die Sicherheit unseres Lehemoziz und stehen nun vor dem Eingang des Plagenestes D-1Y. Vor dem Eingang liegen abgetrennte Fangarme und Beine von Kampfdrohnen. Sie sind alt und vertrocknet. Hier sind mal Orgaschinen patroulliert, aber mittlerweile sind sie weg. Hier werden meistens nur Kampfdrohnen und kleinere Exemplare gesichtet. Wir wissen nicht warum, aber vielleicht finden wir hier ein paar kleinere hilflosere Drohneninsekten, die wir leicht einfangen und transportieren können. Der Eingang steht unter einer Gebirgskette aus Sandstein und Geröll. Es macht keinen soliden Eindruck. Der Eingang selbst ist einfach nur ein dunkles schwarzes Nichts, eingebettet im Sandstein. Wir müssen unsere Taschenlampen einschalten. Lieutenant Heckler wartet mit Cesar im Lehemoziz. Der Rest von uns geht rein. Vergil, Nero, Sergeant Browning, der Doktor und ich begeben uns schwerbewaffnet in die Höhle. Der Doktor hat eine Zange, einen kleinen Käfig mit Polymerwänden und ein Kitt mit Probenbehältern. Hoffen wir, was da drin ist, ist klein genug für den Käfig. Wir Interstellar Force Einheiten tragen immer Helme mit großen transparenten Gesichtsschirmen. Ebenfalls aus Polymer. Die schützen zumindest vor Nahkampfangriffen ins Gesicht und kleinen Säurespritzern. Aber nicht ewig. Es war zuerst so schön ruhig. Dann musste Vergil jedoch sein dummes Maul auf machen.
»Habt ihr mal Berge des Wahnsinns von H.P. Lovecraft (1931) gelesen? Ich sag euch, ich hätte lieber die Finger davon gelassen. Aber wenn wir hier fertig sind, lese ich trotzdem weiter.«.
»Seit wann haben wir denn dieses Buch in unserer Datenbank?« fragt Nero.
»Wir haben alles in unserer Datenbank. Aber da lese ich es nicht.« antwortet Vergil mit vorgehaltener Waffe