RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4). Indira Jackson
ihre Entlassung aus dem aktiven Militärdienst baten, was dank der Verbindungen von Jack Tanner auch problemlos genehmigt wurde.
Dies war der Beginn von TanSEC.
2014 - Oase von Tayma - Aufbruch aus Tayma
Sie waren am frühen Vormittag aufgebrochen, nachdem sie sich offiziell von ihrem Gastgeber verabschiedet hatten.
Carina war aufgefallen, dass die Verabschiedung zwischen Rayan und Tarek durchaus kühl gewesen war, sie selbst hatte Tarek völlig ignoriert, was Carina aber nur recht war.
Sie hatte das Gefühl, dass ihr heute so leicht nichts die Laune verderben konnte. Hanif hatte erzählt, dass Tarek gestern Ali wie abgesprochen nach drei Tagen befreit hätte und ihn zusammen mit seiner Auserwählten ziehen lassen musste, da dieser die Tortur heil überstanden hatte. Ein Happy End für ihn - wie schön!
Und dann brachen sie auf, um hoffentlich bald so weit wie möglich weg zu sein von diesem Ekel Tarek.
Mittags hielten sie an und zogen sich um.
Trotzdem sie sich nun in den Hosen und sonstigem Männergewand eindeutig sicherer fühlte und dies auch auf dem Pferd um Welten bequemer war, stellte sie fest, dass sie ein kleines bisschen die bewundernden Blicke der Männer vermisste. Aber das Gewand war ja schließlich in ihrer Tasche gut untergebracht und würde eventuell später noch einmal Verwendung finden.
Gegen Abend suchten sie sich wie üblich eine passende Senke und schlugen ihr Lager auf. Carina war froh, endlich wieder etwas selber tun zu können, indem sie ihr kleines Zelt aufschlug und ihr Pferd versorgte. Dieses Leben wäre eindeutig nichts für sie! Den ganzen Tag darauf warten ob und wann die Männer sich dazu herabließen, sich um sie zu kümmern. Schrecklich.
Auch die anderen schienen allesamt froh zu sein, Tarek hinter sich gelassen zu haben, denn sie redeten und scherzten fröhlich am abendlichen Feuer. Sie erzählten sich die eine oder andere Geschichte, die sie während der vergangenen Tage erlebt hatten und Tarek musste so einigen Spott über sich ergehen lassen.
Rayan hielt sich zurück, zwar lächelte er ab und zu über die Geschichten der anderen, sagte von sich aus aber wenig. Bereits nach kurzer Zeit erhob er sich und verschwand ohne weitere Erklärung im Dunkeln.
Ihren fragenden Blick fing Hanif auf, der nur die Schultern zuckte und meinte: „Wichtige Telefonate …“
Offenbar musste sie einen ziemlich verdutzten Gesichtsausdruck gemacht haben, denn die Männer lachten nun amüsiert. Es war wieder Hanif, der ergänzte: „Ach kommen Sie, Sie haben nicht wirklich geglaubt, dass wir hier noch mit Trommeln und reitenden Boten arbeiten, oder?“
Carina murmelte etwas Unverständliches, sie war ein wenig rot geworden.
Innerlich hatte sie die Neugier gepackt. Telefonate? Um diese Uhrzeit? Vermutlich mit Amerika? Und tatsächlich meinte sie, Rayan von einigen Metern Entfernung in Englisch sprechen zu hören. Er war allerdings weit genug weg, dass sie, selbst wenn sie sich anstrengte, kein Wort verstehen konnte. Verdammt! Aber ihr fiel auch kein Grund ein, wie sie unauffällig hätte aufstehen können.
Etwa eine halbe Stunde später kam Rayan zurück. Doch er informierte Jassim lediglich, dass er wie üblich noch eine Kontrollrunde drehen würde und schon war er wieder verschwunden.
Trotz der ausgelassenen Stimmung hielten immer zwei der Männer Wache, aktuell Nihat auf der einen und einer der beiden jungen Burschen auf der anderen Seite.
Sie hörte Rayan einige Minuten mit Nihat sprechen, dann wurde es wieder still. Nachdem es um diese Zeit in der Wüste bereits unangenehm kühl wurde, beschloss sie, sich in ihr Zelt zurückzuziehen.
Einen kurzen Moment musste sie überlegen, was anders war als vorher, dann realisierte sie, dass sie noch nie in einer so kleinen Gruppe unterwegs gewesen war, seit sie von Dubai aufgebrochen war.
Alles war auf einmal viel intensiver und persönlicher.
Für sie als einzige Frau war das nicht ganz leicht, aber auch die Männer schienen ab und zu nicht zu wissen, wie sie mit ihr umgehen sollten. Trotzdem freute es sie, dass sie durch das gemeinsame Erlebnis mit Tarek mittlerweile dazugehörte und sie fühlte sich nicht länger wie ein Eindringling.
Während ihrer Gespräche am Abend hatte Hanif sie unvermittelt gefragt, ob sie wirklich mit dem Wasser erst auf dem Weg zu Ali gewesen war? Sie wusste nicht, was sie antworten sollte, konnte jedoch ein triumphierendes Grinsen nicht unterdrücken, was ihr anerkennendes Gelächter der anderen einbrachte. Alle schienen sich zu freuen, dass sie Tarek ein Schnippchen geschlagen hatte. Alle bis auf Rayan.
Sie blickte zu ihm hinüber. Er saß seitlich ein Stück links von ihr und sie fing seinen undurchdringlichen Blick auf. Wie so oft konnte sie seine Emotionen nicht lesen.
2001 - Oase von Zarifa - Hanif
Hanif war hin- und hergerissen. Seine Welt war komplett von unten nach oben gekehrt worden.
Auf der einen Seite war er schlau genug, zu erkennen, dass sie zum ersten Mal eine wirkliche Chance hatten. Auf der anderen Seite hasste er den Trubel und das Heldentum, das um Yasin Tanner auf einmal ausgebrochen war.
Konnten die Leute alle nicht mehr klar denken? Er hatte einen Mann fast zu Tode gefoltert, ihn dann auf bestialische Weise getötet und seinen Körper als Nachricht verwendet!
Wenn die Geschichten über den Anführer der Banu Shams stimmten, dann war dieser Yasin auch noch so blöd gewesen, so einen überaus gefährlichen Stamm gegen sie aufzubringen, die den Tod ihres Anführers niemals akzeptieren würden, sondern nun nach Rache dürsten würden.
Das war ausgesprochen dämlich und barbarisch dazu.
Und die beiden Amerikaner – die waren so typisch, wie er sie in Rabea Akbar kennengelernt hatte. Laut und nervtötend, der eine zumindest.
Am meisten erschüttert war er aber über seinen Helden Scheich Sedat. Auch er schien vollkommen dem „Wahn des Tanner“ erlegen zu sein. Wie er ihn ansah!
So konnte das nicht weitergehen.
Er hoffte, dass sich die Situation beruhigen würde, sobald der Kampf anfing. Dann würden sie sehen, dass Tanner auch nur mit Wasser kochte.
Und je nachdem wie der Kampf verlief, konnte eventuell eine verirrte Kugel dem Hype ein Ende setzen.
Ja, das nahm er sich vor, er würde weiter Ausschau halten. Und dann die richtige Gelegenheit suchen. Sie hatten einen Helden, dessen Name war Sedat – sie brauchten keinen zweiten Helden.
2014 - Rub’al Khali - Der Angriff
Wie üblich brachen sie morgens noch vor Sonnenaufgang auf.
Kurz hatte Carina sich gewundert, als Rayan von seiner Kontrollrunde zurückgekommen war, um dann mit Jassim zusammen nochmals wegzureiten, aber sie schob es darauf, dass sie jetzt in einem erheblich kleineren Verband unterwegs waren und damit natürlich auch gefährdeter waren. Als sie in der Mittagspause dann sah, dass alle ihre Gewehre in Griffweite liegen hatten, war sie beunruhigt.
Rayan trug statt eines Gewehres wie üblich sein Schwert über den Rücken, aber auch er legte es nicht mehr ab.
Gegen Abend dauerte es länger als üblich, einen geeigneten Rastplatz für die Nacht zu finden.
Erst als sie eine Senke gefunden hatten, in der links und rechts einige etwa drei Meter hohe Felsen aus dem Sand ragten, schien der Scheich zufrieden. Mit ernster Miene kam er auf sie zu.
„Hören Sie. Wir haben ein Problem … wir werden vermutlich verfolgt. Sie sind sehr geschickt, aber ich bin mir sicher, dass es etwa 15-20 Mann sind. Und ich halte das nicht für einen Zufall, dass sie in die gleiche Richtung reiten wie wir.“
Als sie ihn nervös ansah, fuhr er fort: „Im Moment brauchen Sie sich noch keine Sorgen