RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4). Indira Jackson
aber er wird nie mehr die Reiter in der Wüste anführen können ... ich habe ihm gesagt, dass ich an dich glaube und du der Einzige bist, der in meinen Augen dafür in Frage kommt. Du weißt, das habe ich bereits geglaubt, als ich noch nicht wusste, dass du hier geboren und somit einer von uns bist.“
Wieder hielt er inne, als suche er nach den richtigen Worten.
„Rayan, du gehörst hierher! Schau in dein Herz. Du bist wahrhaft deines Vaters Sohn! Nur du hast an unser Volk und den Sieg geglaubt, als wir alle Hoffnung aufgegeben hatten.
Lass‘ die Vergangenheit ruhen! Sie ist mit dir damals gestorben. Unter deiner Führung können wir wieder zu dem Volk werden, das wir einst waren.
Du hast gehört, was unsere Boten für Nachrichten mit zurückbringen: alle Stämme haben inzwischen von unserem Sieg gehört. Viele nennen unseren Namen wieder mit Ehrfurcht. Das haben wir ausschließlich dir zu verdanken!“ sein Ton war eindringlich, ihm war anzusehen, wie stolz er war.
„In wenigen Tagen wird dein Vater in der Lage sein, den Weg zurück bis nach Zarifa zu bewältigen. Wenn wir dort angekommen sind, möchte er das Volk zusammenrufen.“
Er wartete, ob Rayan etwas sagen würde. Als dies nicht der Fall war, fragte er direkt:
„Wirst du mit uns kommen?“
Rayan lächelte ihn an. Er hatte seine Entscheidung vor zwei Tagen getroffen, bei seiner langen Meditation in der Wüste: „Ja“, antwortete er dann ruhig.
Ruhi begann breit zu grinsen. „Du hast schon lange gewusst, was ich mit dir besprechen will und dann lässt du mich alten Mann hier solche Reden schwingen …“
Plötzlich wurde er ernst: „Dann erweise mir die Ehre und akzeptiere meinen Eid.“
Und als Rayan nickte, kniete der Anführer der tarmanischen Krieger, ganz wie es zuvor Hanif getan hatte, vor ihm nieder und schwor ihm seine Treue.
2001 - Oase von Zarifa - Aufbruch in ein neues Leben
Es dauerte noch fast eine Woche, bis der Arzt sein Einverständnis gab, dass Sedat ein Pferd besteigen konnte, um sich zurück nach Zarifa bringen zu lassen.
Am Vortag war Harun Said gekommen und hatte auch seinen Bruder Sarif und dessen Freund Resul nach Hause geholt. Er hatte bemerkt, dass sich die Situation für Rayan grundlegend geändert hatte und sich ehrlich für ihn gefreut. Mit dem Versprechen, dass er sie bald in Zarifa besuchen kommen würde, hatte er sich verabschiedet und war mit seinen Männern losgeritten.
Anfangs hatten sie eine Trage für Sedat bauen wollen, um ihn hoch ins Tal zu transportieren, doch das ließ dessen Stolz nicht zu. So kamen sie überein, dass er auf einem Pferd zusammen mit einem der Krieger reiten sollte, der ihn von hinten umfasste und dafür sorgte, dass das Pferd seine Last dorthin trug, wo seine Reiter es dirigierten.
Zu ihrer Überraschung hatte der Arzt darum gebeten, sie begleiten zu dürfen.
Normalerweise war es Fremden nicht gestattet, Zarifa zu betreten. Doch nachdem der Arzt so vielen von ihnen das Leben gerettet hatte und ihnen versicherte, einen Ort zu suchen, an dem er in Frieden leben könne, hatten sie seiner Bitte stattgegeben.
Das galt auch für eine der beiden Krankenschwestern, die, wie sich herausstellte, seine Lebensgefährtin war.
Die andere Pflegerin war bereits zusammen mit den Amerikanern abgereist.
Es war Rayan, der den beiden einschärfte, dass dies eine Entscheidung ohne Umkehr war. Er würde es nicht zulassen, dass sie nach wenigen Wochen feststellten, dass es ihnen doch nicht gefiel und sie wieder in ihre Heimat zurückkehren wollten.
Damit waren sie einverstanden. Und so packten sie die letzten Überbleibsel des Camps zusammen und ritten los.
Rayan hatte dafür gesorgt, dass in Zukunft der Zugang nach Zarifa immer unter Bewachung sein würde. Er teilte Männer ein, die als Posten in der Oase bleiben würden.
Auf halber Höhe nach Zarifa würden sie ebenfalls ein permanentes Lager einrichten, sodass Nachrichten bei Bedarf schnell weitergegeben werden konnten.
Und noch eine Sicherheitsmaßnahme entsprang Rayans Planungen: Ein kleines Team von Männern würde Stellung auf dem Plateau nahe der Hütte seiner Großmutter beziehen. Der Steilabhang war der ideale Aussichtspunkt, von dort konnte man bis weit über die große Düne hinweg in die Wüste blicken und würde jede Annäherung anhand der Staubfontänen schon aus vielen Kilometern Entfernung sehen.
Es wurde ein Plan entworfen, nachdem die Männer durchwechseln sollten. So konnte jeder nach einigen Tagen zu seiner Familie in Zarifa zurückkehren.
2001 - Tal von Zarifa - Die Bestimmung
Es hatte länger als üblich gedauert, den Aufstieg nach Zarifa zu bewältigen.
Zum einen, weil Sedat Ruhepausen benötigte, gegen die er zwar protestierte, die der Arzt jedoch unbeeindruckt anordnete. Zum anderen nahmen sie sich Zeit, den Posten an der „Mittelstation“ einzurichten.
Im Tal selber angekommen, wurden sie schon mit Ungeduld erwartet. Die Krieger führten das übliche, laute Theater auf, mit Schüssen in die Luft und einige ritten ihnen schon von weitem entgegen. Die Frauen stießen ihre schrillen Willkommensgeräusche aus und winkten und lachten.
Ohne jegliche Pause forderte Sedat, auf einen kleinen Podest gesetzt zu werden und sie fanden schnell eine Lösung auf einem Balkon eines der Häuser, das zentral auf dem Marktplatz des Ortes stand.
Seine Stimme hallte die Gassen wider, als er wortreich noch einmal die Schlacht schilderte und den Sieg, den sie über Yuemnue errungen hatten. Die Menge jubelte und viele Stimmen priesen den Namen von Yasin Tanner.
Nach einer Weile brachte Sedat mit einer herrischen Geste die Leute zum Schweigen.
„Es gibt noch eine Nachricht, die ich euch überbringen muss. Es ist eine wundersame Nachricht, die für mich ein Zeichen von Allah ist!
In unserer dunkelsten Stunde habe ich zu Allah gebetet und ihn um ein Wunder gebeten, um uns vor Vernichtung und Tyrannei zu retten. UND ER HAT MICH ERHÖRT!!!
Mein Sohn, den ich verloren zu haben glaubte, gestorben aufgrund meines falschen Stolzes und um den ich seit Jahren stumm trauere, ist zu mir zurückgekehrt!“
Ein Raunen ging durch die Reihen der Zuhörer, doch Sedat brachte sie wiederum zum Schweigen.
„Manche mögen noch immer sagen, er sei ein Verräter! Doch das ist nicht wahr! Sein einziger Verrat bestand darin, dass er vor einem tyrannischen Vater davonlief. Doch nie hat er unser Volk verraten!!
Er ging in die Fremde und hat dort im Exil gelebt, um in der Zeit unserer größten Not zu uns zurückzukehren und uns zu retten. Wie könnte er mehr seine Zuneigung zu seinem Volk beweisen?!“
Sedat wartete einen Moment, um den Menschen Zeit zu geben, diese Worte zu verinnerlichen.
Dann fuhr er mit für sein Alter erstaunlich lauter Stimme fort: „Und so soll sein Name nie mehr beschmutzt oder im Geheimen geraunt werden. Nein! Laut werden wir ihn von jetzt an als unseren Retter preisen und noch in vielen Jahren von seinen Heldentaten berichten!!
Und ihr kennt ihn! Sein Name ist nicht Yasin Tanner! Und er ist wahrlich KEIN Amerikaner!!“ Er lachte kurz theatralisch auf, um dann wieder ernst fortzufahren:
„Er ist mein Fleisch und Blut und ein Sprössling vieler Generationen von Fürsten.
Hier ist er – Rayan Suekran Ibn Sedat Suekran!!“
Als Rayan aus dem Hintergrund ans Balkongeländer trat, konnte er es nicht fassen: Das Volk jubelte ihm zu! Und so wie sie vorher seinen anderen Namen Yasin gefeiert hatten, hörte er nun die Rufe seines wahren Namens.
Ein Traum war für ihn in Erfüllung gegangen. Die Jahre des Exils waren vorbei. Er war nach Hause zurückgekehrt und