RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4). Indira Jackson
gewöhnen.“ Diesmal grinste Sedat sogar hinterhältig.
Und zum zweiten Mal an diesem Tag stand ihm der Mund offen. Offenbar war für Sedat das Thema völlig klar. Er dachte nach. Dies war seine Chance, seine Schmach ein für alle Mal hinter sich zu lassen und den ihm durch sein Geburtsrecht angestammten Platz einzunehmen! Ruhis Worte gingen ihm durch den Kopf, seine Reaktion auf die Wahrheit. Seine Bitte, er möge dem Volk vertrauen. SEINEM Volk! Er zögerte noch, dann traf er seine Entscheidung und erhob sich.
Hanif trat mit gesenktem Kopf direkt vor ihn. Dann ging er zwei Schritte zurück und senke sich auf die Knie. Er beugte seinen Kopf mit der Stirn auf den Boden direkt an den Füßen von Rayan.
„Ich schwöre, dass ich Euch stets dienen werde, mit allem was ich habe, mit meinem ganzen Sein und allen Gedanken. Alle meine Kräfte werde ich zu Eurem Wohl und Schutze einsetzen. Ich werde jedem Eurer Befehle Folge leisten und eventuelle Strafen, die Ihr mir auferlegt ohne Zögern annehmen.“
Dann stand er auf und trat an Rayan heran. Sie besiegelten den Eid mit einem traditionellen Kuss auf beide Wangen.
Und so bekam Rayan Suekran, Ibn Sedat Suekran seinen ersten ihm zur Treue verpflichteten Untertanen.
2014 - Tal von Zarifa - Der Ausflug
Am nächsten Morgen lud Rayan Carina beim Frühstück ein, mit ihm einen Ausflug zu machen. Er bat sie darum, auch Badekleidung anzuziehen, da sie dort, wo sie hingingen, schwimmen konnten. Carina kam der Bitte nur zu gerne nach, bei der Hitze war ihr jedes Bad willkommen. Dann brachen sie auf.
Sie war ein bisschen nervös, denn die unangenehme Situation gestern im Büro stand ihr noch klar vor Augen. Ein wenig hatte sie befürchtet, Rayan könnte wütend auf sie sein. Und nun wollte er auf einmal mit ihr alleine sein?
Der Ausflug war Julies Idee gewesen, die ihren Adoptivsohn gut genug kannte, dass er jetzt ein klein wenig Support gebrauchen konnte.
Sie informierte ihn, dass sie zusammen mit Tahsin dessen Ur-Großmutter Eleonora besuchen würde, bevor er nächste Woche in sein Internat in England zurückkehren würde.
Sie würden zwei Tage wegbleiben und vor übermorgen Abend nicht zurückkommen. Daoud nahmen die beiden auch mit, der zwar etwas maulte, weil er schließlich eben erst bei Großmutter Eleonora gewesen war und lieber bei seiner neuen Freundin Carina bleiben wollte. Er ließ sich dann jedoch überreden.
Beim Losreiten lächelte Julie Rayan zu, als wollte sie sagen: „Los jetzt, schnapp sie dir.“ Der verzog das Gesicht. Er war der Meinung, dass er sein Liebesleben alleine geregelt bekommen würde und zu alt für mütterliche Hilfe war. Doch er kannte Julie gut genug, dass er wusste, dass sie es nicht böse meinte. Tahsin freute sich auch bereits, vor seiner Abreise seine rüstige Urgroßmutter noch einmal zu sehen. Daher ritten die drei bald nach dem Frühstück davon. Ein wenig musste Rayan jetzt doch grinsen, auch wenn er dies Julie gegenüber nie zugeben würde.
Er führte Carina den Weg durch den hinteren Garten entlang zum Fuß der Felswand, dort, wo der Fluss aus etwa 30 Metern Höhe nach unten in ein Becken fiel und zeigte ihr einen kleinen, versteckten Pfad, der am Wasserfall entlang steil nach oben führte.
Mit keinem Wort erwähnte er ihren Wortwechsel vom Vortag.
Carina ihrerseits hatte ebenfalls kein Interesse dieses Thema anzuschneiden und fragte stattdessen nach Tahsins Schule.
Ausnahmsweise bekam sie eine direkte, ausführliche Antwort: Weil er viel in der Welt herumreiste, konnte er sich nicht selbst um Tahsin kümmern. Früher hatte Julie das getan. Doch seit sie vor vier Jahren nach dem Tod ihres Mannes Jack aus Amerika hierher gezogen war, ging Tahsin auf ein Internat in England. Es hieß Eston Castle und befand sich in der Nähe von Oxford. Daher kam Tahsin lediglich in den großen Ferien hierher.
Somit war endlich klar, wieso Rayans Sohn einen so starken amerikanischen Akzent hatte: Er war bei Julie in Amerika aufgewachsen.
Carinas nächste Frage nach Tahsins Mutter beantwortete Rayan dagegen nur mit knappen Worten: „Sie ist kurz nach Tahsins Geburt gestorben.“ Sein Tonfall verriet, dass er auf dieses Thema nicht weiter einzugehen wünschte. Seufzend fand sich Carina wieder einmal in einer Sackgasse.
Bevor sie ihren Gedanken weiter nachhängen konnte, wie sie mehr aus ihm herausbekommen würde, wurde sie abgelenkt: Sie stiegen die Passage hinauf, die teilweise aus einem Kiesweg, teilweise aus steinernen Stufen bestand, bis sie ganz oben waren und eine herrliche Aussicht über das gesamte Tal hatten.
Dort angekommen, befanden sie sich in einer kleinen Höhle, an deren hinterer Wand der Fluß aus dem Felsen trat und nach zwei Seiten hin abfloss. Nach Zarifa hinunter, aber auch in die entgegengesetzte Richtung, wo er irgendwo in den hinteren, fast unzugänglichen Bergen des Gebirgsmassivs verschwand.
Somit handelte es sich eigentlich weniger um eine Höhle, sondern eher um eine Art großer Torbogen. Mit einer Decke aus Fels, aber zu beiden Seiten hin offen.
Carina war begeistert von der Schönheit dieser Stelle. Trotz der Hitze draußen, herrschte hier eine angenehm kühle Atmosphäre.
In nördlicher Richtung konnte sie nicht nur das komplette Tal von Zarifa überblicken, sondern hatte auch einen grandiosen Ausblick über die Felskette hinweg. Ganz hinten konnte sie sogar an einigen Stellen das rötlich-gelbe Braun der Wüste ausmachen.
In der entgegengesetzten, südlichen Richtung erstreckte sich vor ihr die Wildheit des Gebirges mit seinen schroffen Felsen, aber auch Wäldern.
„Hier muss ich ein Foto machen- das ist wirklich einer der schönsten Orte, die ich je gesehen habe“, fuhr es ihr durch den Kopf. Sie bereute, dass sie ihre Kamera nicht mitgenommen hatte.
Direkt zu ihren Füßen hatte das Wasser im Laufe der Zeit ein Becken gebildet, das etwa einen bis eineinhalb Meter tief war. Wo es über den Rand trat, suchten sich die beiden Läufe getrennt ihren Weg.
Der größte Teil folgte der Schwerkraft hinunter ins große Tal. Aber auch das kleinere Rinnsal hatte sich seinen Weg gegraben.
Um wieder ins Tal von Zarifa zu gelangen, hätten sie umkehren müssen. Stattdessen führte Rayan sie am Pool entlang und Carina konnte nun erst sehen, dass der Weg hier weiterging: dicht am anderen Wasserfall nach unten. Sie folgten diesem Pfad einige Minuten, der recht einfach zu laufen und nicht zu steil war.
Nachdem sie einige 20 Höhenmeter abgestiegen waren, kamen sie an eine Plattform, die durch das Wasser in zwei Hälften geteilt wurde. Am Ende der natürlichen Steinplatte fiel der Bach etwa acht Meter in die Tiefe.
Carina trat an den Abgrund heran und erkannte unten einen größeren Teich, in dem sich das Wasser sammelte, bevor es dann langsam seinen Weg in die Bergwelt fand.
Sie schauerte vor der Höhe, denn sie war nicht schwindelfrei.
Rayan, der vorher vor ihr gelaufen war, trat hinter sie. „Wunderschön nicht wahr? Als Kinder sind wir oft hierhergekommen, um zu baden. Wir sind dann immer von hier aus ins Wasser gesprungen.“
Carina schüttelte den Kopf. „Das könnte ich nie tun, es ist viel zu hoch! Ich habe Angst vor der Höhe.“
Er grinste breit. „Ach sieh an.“ Dann umfasste er sie blitzschnell von hinten mit beiden Armen und sprang mit ihr in die Tiefe. Carina schrie kurz auf, danach blieb ihr die Stimme vor Entsetzen weg.
Es war kein Spaß gewesen, wenn sie von ihrer Furcht vor Höhen sprach und der Flug durch die Luft nahm ihr den Atem.
Als sie unten gemeinsam ins kalte Wasser schlugen, war sie wie gelähmt, doch Rayan zog sie an die Oberfläche und in Richtung des Ufers.
Als sie am Rand angekommen waren, brach der Schreck des gerade Erlebten seine Bahn.
Panisch zog Carina sich aus dem Wasser und kroch einige Meter vom Wasser weg, wo sie nach Luft ringend liegen blieb. Sie erschauerte am ganzen Körper und dachte einen Moment lang, sie müsse ersticken.
Rayan kam ihr verwundert nach. Er beugte