Das Leben des Giacomo Casanova und seine frivolen erotischen Abenteuer - Teil 1. Giacomo Casanova

Das Leben des Giacomo Casanova und seine frivolen erotischen Abenteuer - Teil 1 - Giacomo Casanova


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ich kannte ihn noch nicht genug, hätte auch selber keinen Willen in dieser Sache und bäte ihn, nicht mehr davon zu sprechen. Er tat, als hätte er sich dabei beruhigt, bald darauf jedoch bemerkte ich, dass dies nicht der Fall war; denn als er mich eines Tages bat, ich möchte doch zuweilen in sein Zimmer kommen und ihn frisieren, und ich ihm erwiderte, ich hätte keine Zeit dazu, da sagte er, Sie wären glücklicher als er. Dieser Vorwurf war mir lächerlich, denn im Hause wusste ja ein jeder, dass ich Sie zu bedienen hatte.

      Vierzehn Tage nach dieser Weigerung verbrachte ich mit Ihnen ein Stündchen in einem Getändel, das Sie natürlich auf Gedanken brachte, die Sie bis dahin nicht gehabt hatten. Ich selber war vollkommen zufrieden; ich liebte Sie, und da ich mich nur natürlichen Begierden überlassen hatte, so genoss ich, ohne dass ein Gewissensbiss mich hätte beunruhigen können. Ich sehnte mich danach, am nächsten Tage wieder mit Ihnen beisammen zu sein, aber am selben Tage nach dem Abendessen nahm mein Unglück seinen Anfang. Cordiani steckte mir diesen Brief und diesen Zettel zu, die ich seitdem in einer Mauerritze versteckt gehalten habe, um sie Ihnen bei passender Gelegenheit zeigen zu können.“

      Mit diesen Worten übergab Bettina mir Brief und Zettel; der letztere lautete folgendermaßen: „Entweder empfangen Sie mich heute Abend in Ihrer Kammer, indem Sie die Hoftür offen lassen, oder sehen Sie morgen zu, wie Sie mit dem Doktor fertig werden, dem ich den in Abschrift beiliegenden Brief übergeben werde.“

      Der Brief war der Bericht eines niederträchtigen, wütenden Angebers und hätte wirklich sehr unangenehme Folgen haben können. Er zeigte dem Doktor an, dass seine Schwester die Vormittage mit mir in sträflichem Verkehr verbrächte, während er selber die Messe läse, und versprach ihm hierüber Aufklärungen zu geben, die jeden Zweifel beseitigen würden.

      „Nachdem ich, wie die Umstände es erforderten, reiflich nachgedacht hatte,“ fuhr Bettina fort, „entschloss ich mich, das Scheusal anzuhören; aber zu allem entschlossen, steckte ich meines Vaters Stilet in die Tasche und erwartete ihn an der halboffenen Tür; denn ich wollte ihn nicht hineinlassen, weil meine Kammer von der meines Vaters nur durch eine einsame Scheidewand getrennt ist und das leiseste Geräusch ihn hätte aufwecken können. Auf meine erste Frage, wie er zu der Verleumdung käme, die in dem meinem Bruder zugedachten Briefe stände, antwortete Cordiani, es wäre keine Verleumdung, denn er hätte unsere ganze Morgenunterhaltung durch ein senkrecht über Ihrem Bett befindliches Loch mit angesehen. Dieses Loch hätte er selber vom Dachboden aus in die Decke gebohrt und er begäbe sich an diesen Beobachtungsposten, sobald er merkte, dass ich zu Ihnen ginge. Zum Schluss sagte er nur, er würde meinem Bruder und meiner Mutter alles entdecken, wenn ich mich weigerte, ihm dieselben Gunstbezeigungen zu erweisen wie Ihnen. Nachdem ich ihm in meinem gerechten Zorn die stärksten Beleidigungen gesagt, ihn einen feigen Spion und Verleumder genannt hatte – denn er konnte nur Kindereien gesehen haben – erklärte ich ihm zum Schluss feierlich, er hoffe vergeblich, durch Drohungen von mir ebenfalls solche Gefälligkeiten zu erreichen. Nun bat er mich tausendmal um Verzeihung und stellte mir vor, dass doch nur meine Strenge ihn zu dem Schritt getrieben hätte; von selber würde er niemals daran gedacht haben, nur seine Leidenschaft, die ihn unglücklich mache, sei schuld daran. Er gab zu, dass sein Brief vielleicht verleumderisch sei und dass er sich hinterlistig benommen habe; er versicherte mir, er werde niemals zu Gewaltmitteln greifen, um von mir Huldbeweise zu erhalten, die er nur der Beständigkeit seiner Liebe verdanken wolle. Hierauf glaubte ich ihm erwidern zu müssen, dass es mir vielleicht später möglich sein werde, ihn zu lieben; ebenso versprach ich ihm, ich würde niemals mehr an Ihr Bett kommen, wenn der Doktor nicht zu Hause wäre. Hierdurch gelang es mir, ihn los zu werden; er ging ganz zufrieden weg und wagte nicht mal um einen Kuss zu bitten; ich versprach ihm nur, wir könnten vielleicht ab und zu mal am selben Ort miteinander plaudern.

      Sobald er fort war, ging ich zu Bett; ich war in Verzweiflung, dass ich Sie nun nicht mehr besuchen konnte, wenn mein Bruder nicht zu Hause war, und dass ich mit Rücksicht auf die möglichen Folgen Ihnen nicht einmal den Grund angeben konnte. So verstrichen drei Wochen, und ich kann Ihnen nicht sagen, was ich gelitten habe. Denn natürlich drängten Sie mich und ich musste doch immer wieder mein Wort brechen. Ich fürchtete mich sogar vor dem Augenblick, wo ich mit Ihnen allein sein würde, denn ich wusste, dass ich meinem Drange nicht würde widerstehen können, Ihnen die Ursache meines so ganz anderen Benehmens zu entdecken. Dazu kam noch, dass ich jede Woche mindestens einmal an die Korridortür kommen musste, um mit dem Hallunken zu sprechen und seine Ungeduld durch meine Worte zu beschwichtigen.

      Endlich konnte ich die Qual nicht mehr ertragen, und da ich mich zugleich auch von Ihnen bedroht sah, fasste ich den Entschluss, der Sache ein Ende zu machen. Um Ihnen die ganze Intrigue zu entdecken und mit Ihrer Hilfe zunichte zu machen, schlug ich Ihnen vor, mich als Mädchen verkleidet auf den Ball zu begleiten, obgleich ich sehr gut wusste, dass Cordiani sich darüber ärgern würde; mein Entschluss stand fest! Sie wissen, wie meine Absicht zuschanden wurde. Die unvermutete Reise meines Vaters und meines Bruders gab euch beiden den gleichen Gedanken ein; aber ich hatte Cordianis Brief noch nicht erhalten, als ich Ihnen versprach, zu Ihnen zu kommen. Cordiani verlangte ja kein Beisammensein, sondern teilte mir nur mit, dass er mich in meiner Kammer erwartete; leider hatte ich keine Zeit ihm zu sagen, dass ich aus gewissen Gründen ihm meine Kammer verbiete, und ebenso wenig konnte ich Ihnen Bescheid sagen, dass ich erst nach Mitternacht zu Ihnen kommen könnte – wie ich's nämlich zu tun gedachte; denn ich glaubte bestimmt, ich würde den Unglücksmenschen nach einem Stündchen auf sein Zimmer schicken können. In dieser Berechnung hatte ich mich aber getäuscht, denn Cordiani hatte einen ganzen Plan ausgedacht, und ich musste diesen von A bis Z anhören. Seine Klagen und übertriebenen Schilderungen seines Unglücks wollten gar kein Ende nehmen. Er jammerte, ich wolle den von ihm ersonnenen Plan nicht unterstützen, mit dem ich doch einverstanden sein müsste, wenn ich ihn wirklich liebte. Dieser Plan lief darauf hinaus, dass ich während der Karwoche mit ihm nach Ferrara fliehen sollte, wo ein Oheim von ihm uns aufgenommen und seinen Vater leicht zur Vernunft gebracht hätte; dann würden wir für unser ganzes Leben glücklich sein. Über meinen Einwendungen, seinen Antworten und umständlichen Erklärungen über die Beseitigung der Hindernisse verging die ganze Nacht. Mir blutete das Herz bei dem Gedanken an Sie, aber ich habe mir keinen Vorwurf zu machen, und es ist nichts vorgefallen, was mich Ihrer Achtung unwert machen könnte. Sie können sie mir nur dann versagen, wenn Sie glauben, dass meine ganze Erzählung ein Märchen ist; Sie würden sich täuschen und wären ungerecht. Hätte ich mich zu Opfern entschließen können, die nur die Liebe bringen darf, so wäre der Schurke höchstens eine Stunde bei mir geblieben; aber lieber hätte ich sterben wollen, als zu einem so furchtbaren Mittel greifen. Konnte ich ahnen, dass Sie in Wind und Schnee draußen standen? Sie und ich, wir waren beide zu beklagen, aber ich mehr als Sie. Es stand alles in den Sternen geschrieben, damit ich meinen Verstand verlieren sollte; denn ich besitze diesen nur noch zeitweise, und meine Krämpfe können jeden Augenblick wiederkehren. Man behauptete, ich sei behext und der Teufel sei in mich gefahren. Von alledem weiß ich nichts; aber wenn es wahr sein sollte, dann wäre ich die unglücklichste Person auf der ganzen Welt.“

      Bettina schwieg und ließ ihren Tränen, Schluchzern und Seufzern freien Lauf. Ich war tief bewegt; obwohl ich fühlte, dass alles, was sie mir gesagt hatte, wahr sein konnte, so schien es doch nicht glaubhaft:

       Forse era ver, ma non pero credibile

       a chi del senso suo fosse signore.

      Es konnte wahr sein, glaubhaft war es nicht

      für einen Menschen, der bei Sinnen war.

      Aber sie weinte, und an der Echtheit ihrer Tränen konnte ich nicht zweifeln. Trotzdem schrieb ich diese Tränen nur auf Rechnung ihrer verletzten Eitelkeit; denn, um von meiner Ansicht abzugehen, musste ich überzeugt sein, und Überzeugung gewinnt man nicht durch Wahrscheinlichkeit, sondern durch Augenschein. Ich konnte weder an Cordianis Mäßigung glauben noch an Bettinas Geduld noch an eine einfache Unterhaltung, die sieben Stunden gedauert haben sollte. Gleichwohl empfand ich ein gewisses Vergnügen daran, das falsche Geld, das sie mir aufgezählt hatte, für bare Münze zu nehmen.

      Nachdem sie ihre Tränen getrocknet hatte, versenkte Bettina ihre schönen Augen in die meinen, in denen sie die deutlichen Zeichen ihres Sieges zu erkennen glaubte; aber ich überraschte sie, indem ich auf einen Punkt zu sprechen


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