Geheimauftrag für Sax (1). H. Georgy

Geheimauftrag für Sax (1) - H. Georgy


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am Horn nahezu den gleichen Auftrag erfüllt hatte und nun bald außer Dienst gestellt werden sollte.

      „Wo soll ich suchen?“

      „Kapitän Frier hat das Kommando über die „Baden-Württemberg“ erst kurz vor ihrem Auslaufen zum Horn von Afrika übernommen, nachdem der bisherige erste Mann auf der Brücke abgelöst werden musste.“

      „Abgelöst werden musste?“ Günter Freysing wiederholte die Worte langsam und bedächtig, als wittere er einen Hinweis.

      „Ja. Komische Sache. Kapitän Novotny hat seinen Posten auf sanften Druck hin aufgegeben, um einer Entlassung wegen Trunkenheit im Dienst und einem Strafverfahren zu entgehen. Ein Unfall während der Testfahrt auf der Nordsee. Da soll er ziemlich besoffen gewesen sein. Wurde aber alles etwas unter den Teppich gekehrt, von wegen Pressefreiheit und so… und außerdem, lebt Kapitän Friers Familie auch dort oben.“

      „Dünn.“

      „Sehr dünn. Ja. Aber das ist alles, was wir im Moment überhaupt haben. Vor Ort in Afrika sind die Kollegen am Ball.“ Das war eine schlichte Untertreibung für das, was das Verteidigungsministerium in Bewegung gesetzt hatte, um die Fregatte zu finden. „Da unten brauchen wir sie nicht!“

      „Ich soll also nach Hamburg fahren und ein bisschen im Umfeld von Novotny und Frier stöbern.“

      Freysing klang etwas enttäuscht; er hatte auf einen aktiveren Part gehofft. Andererseits dachte er sich, dass es der einzige Anhaltspunkt war, den der Dienst wohl überhaupt hatte. Und wer weiß, vielleicht lag ja in den amerikanischen Gerüchten doch ein kleines bisschen Wahrheit. Nicht, das er daran glaubte, aber er wollte es zumindest nicht gänzlich außer Acht lassen.

      Allerdings brachte sein Auftrag, nach Hamburg zu gehen, auch noch ein weiteres kleines Problem mit sich. Inlandsermittlung ist dem BND untersagt, und so würde er früher oder später die örtlichen Polizeibehörden hinzuziehen müssen – das, wo er doch lieber frei und unabhängig tätig wurde. „Sax“ war nicht begeistert.

      Generalmajor Stoessner setzte, Freysings lautlose Überlegungen wohl erahnend, seinen strengsten Blick auf.

      „Genau. Aber tun sie es diesmal bitte etwas diplomatischer als auf ihrer letzten Mission. Keine Mädchen. Keine Leichen. Keine Probleme.“

      „Aber Atmen und Trinken darf ich noch?“

      ***

      Kapitel 5. Hamburg – Nacht ohne Ende.

       Hamburg, St. Pauli, Bar „Excellence“. 9. Mai, 23:00 Uhr Ortszeit. Eine Nacht ohne Ende.

       Seine allzeit bereite, moderne BMW ActiveHybrid 7er-Limousine aus der Tiefgarage des BND-Komplexes hatte Günter Freysing nach der Besprechung zügig und schnell trotz relativ dichten Freitagnachmittagsverkehrs in drei Stunden nach Hamburg gebracht. Er fuhr diesen Wagen seit knapp einem halben Jahr dienstlich, während sein 2008er Z1 in der Garage seines selten benutzten Häuschens in der Nähe von München stand. Es war etwas gewöhnungsbedürftig gewesen, auf das neue Modell umzusteigen, doch er hatte einsehen müssen, dass eine bequeme Limousine für seine mitunter langen Dienstfahrten wesentlich geeigneter war als das wohlgefällige Cabrio, dass er als Zweijahreswagen günstig von seiner Dienststelle privat übernommen hatte. Und dass er keine dreißig mehr war und daher auch ein entsprechendes Auto fahren sollte. Er sollte den Z1 doch wieder verkaufen…

      Nach gutem Zureden der Fahrbereitschaft hatte er beschlossen, das Angebot des „Dienstes“ wahrzunehmen und den 7er voll ausrüsten zu lassen.

      In ihm befand sich nun eine Menge Elektronik; viel mehr, als vom Hersteller serienmäßig oder auf Kundensonderwunsch angeboten wurde. Stoessner war darüber eigentlich nicht glücklich gewesen, er war wie sein Vorgänger wegen wiederholter Haushaltskürzungen für den Geheimdienst ein Pfennigfuchser und immer darauf bedacht, dass jeder Cent, den die Spezialabteilung ausgab, auch wirklich gerechtfertigt war.

      Vor sich ein Glas seines Lieblings-Drinks, saß Sax nun auf einem der Barhocker des „Excellence“ und konnte im großen Spiegel hinter Gläsern und Flaschen die Dreiergruppe von jungen Marinesoldaten in eher lässigem Zivil beobachten.

      Sie befanden sich in einer Sitzecke um einen kleinen Tisch, jeder neben sich ein Mädchen in mehr als leichter Kleidung. Sie gehörten zu einem Teil der Besatzung der „Baden-Württemberg“, die nicht mit auf die Fahrt zum „Horn“ gegangen war, aber an der kurzen Nordsee-Testfahrt teilgenommen hatte. Am Tisch wurde fleißig getrunken, frivol geplaudert und gekichert.

      Hin und wieder ließ Freysing seinen Blick durch den Rest der Bar schweifen, die ihre besten Tage hinter sich hatte, ohne heruntergekommen zu wirken. Nur irgendwie… altmodisch!

      Die Einrichtung war auf jeden Fall aus dem vorigen Jahrhundert, Mitte der Achtziger, schätzte er, als sich hier wahrscheinlich neureiche IT-Manager und Börsianer ihr Stelldichein gaben und das Geld schneller wieder los wurden, als sie sie es über den Tag ihren Kunden aus den Taschen gezogen hatten.

      Auf einer kleinen Bühne in der linken Raumhälfte neben der Bartheke mühten sich zwei viel zu junge vollbusige Mädchen, die eineiige Zwillinge sein konnten, recht gelangweilt ab, um dem männlichen Publikum einzuheizen.

      Sie führten parallel zueinander an zwei bis fast zur Decke reichenden hohen Stangen langsam eine Art von „rhythmischer Sportgymnastik“ auf; mit Jeans-Hot-Pants und Stilettos bekleidet – und zwar nur noch damit bekleidet – das Ganze zu schwülstigen Rhythmen längst vergangener Tage. „Sax“ meinte „Freddies Blues“ von Hound Dog Taylor zu erkennen, allerdings ohne Gesang.

      Trotz der späten Stunde und der halbwegs akzeptablen Show waren die Plätze in der Bar nur spärlich besetzt. Die meisten Menschen befanden sich dieser Tage auf dem Hafenfest, das alljährlich im Mai zehntausende von Menschen anlockt. Aber auch sonst schienen die großen Tage des ehemals ebenso glamourösen wie verruchten Stadtteils vorbei zu sein.

      Freysing hatte sich auf der Fahrt von Berlin nach Hamburg über den Bordbildschirm mit den Fakten vertraut gemacht, die man über Novotny und Frier kannte, und die auf sein Computersystem übertragen worden waren.

      Beides eigentlich untadelige Seeleute, schien es irgendetwas in Novotnys Leben gegeben zu haben, das ihn unlängst aus der Bahn geworfen hatte.

      Der Kapitän a.D. hatte angeblich, erst heimlich und dann unheimlich, mit dem Trinken angefangen, und laut den Unterlagen hatte das zu einem Unfall an Bord der „Baden-Württemberg“ während der Testfahrt auf der Nordsee geführt. Drei Matrosen waren dabei nicht unerheblich verletzt worden. Man hatte nicht herausfinden können, was der Hintergrund war, oder sich auch nicht wirklich Mühe gegeben. Oder es war etwas vertuscht worden.

      Novotny war unverheiratet und es auch nie gewesen, aber dem Anschein nach solide. Keine großartigen Frauengeschichten, auch keine Männer; der Dienst auf See war seine Heimat, Beruf und Berufung gewesen. Er beteiligte sich nicht an Glücksspielen, und das einzige nicht seemännische Hobby, für das er sich je zu interessieren schien, war American Football. Er hätte durchaus das Zeug gehabt, irgendwann einen der geringeren Admiralsränge zu bekleiden.

      Frier war da von einem etwas anderen Schlag. Ein Karrieremensch, der aber nichts riskierte, sondern mit vorsichtigem Handeln stets in der Deckung blieb und immer zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle war. So wie diesmal auch, weshalb die Wahl, ihn zum Nachfolger für Novotny zu machen, scheinbar automatisch erfolgt war. Verheiratet, zwei Kinder; halbwüchsige Mädchen. Er war kein Draufgänger, sondern ein funktionierender Entscheidungsträger, der Befehle ebenso konsequent gab wie er sie befolgte, akkurat und gründlich, und nie einen Zweifel darüber aufkommen ließ, das er der richtige Mann in der Position war, die er gerade ausfüllte, und war in seinen Kreisen wegen seiner ausgesprochenen Verlässlichkeit und strengen Gutmütigkeit beliebt.

      Gleichwohl waren sie einander irgendwie ähnlich, hatten beide eine enorme Führungsstärke und Willenskraft und schließlich durch diese notwendigen Eigenschaften trotz Beförderungsstaus unablässig in


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