Geheimauftrag für Sax (1). H. Georgy

Geheimauftrag für Sax (1) - H. Georgy


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„speziellen Fahrbereitschaft“ des BND in Pullach, er hatte Freysing schon vielfach in Europa mit Transportmitteln versorgt. Sie kannten einander seit Jahren sehr gut.

      Es ging nach dem eiligen Auschecken zusammen mit Katie in dem neuen Wagen zunächst die Via Nazionale 110 hinauf zur offenen Grenze am Plöckenpaß und durch die malerische österreichische Bergwelt.

      Am bekannten Plöckenhaus legten sie eine kurze Rast ein, da sie bei ihrer schnellen Abreise am frühen Morgen das Frühstück hatten auslassen müssen.

       Dann führte sie die Fahrt weiter über Kötschach-Mauten nach Oberdrauburg, wo im Dunst des späten Morgens die Ruine der fernen Hohenburg zu erahnen war. Im Draubachtal passierten sie gegen neun Uhr das imposante Schloss Bruck bei Lienz. Immer wieder blickte er dabei sorgsam in den Rückspiegel.

      Sie sprachen unterwegs nur sehr wenig, hielten aber lächelnd oft und intensiv Händchen, beinahe wie verliebte Teenager. Im Autoradio lief dazu das Stück „Boom Boom“ aus dem Debut-Album von „Femme Schmidt“; später dann irgendwann „Shadowman“ aus „Above Sin City“ von derselben Sängerin.

      Der Staatsstraße 108 folgend, fuhren sie durch das östliche Tirol weiter, bis sie in das kleine Städtchen Matrei kamen. Nach wie vor keine Verfolger.

      Das Navigationssystem leitete sie von dort aus zielsicher in und durch den Felbertauerntunnel nach Mittersill und dann weiter über die Pass-Thurn-Straße nach Kitzbühel; schließlich am „Wilden Kaiser“ vorbei auf die Inntalautobahn in Kufstein-Nord, wo sich Katie dann entschied, bis München mitzufahren. Das Misstrauen, so es überhaupt noch bestanden hatte, war verschwunden.

      Nur einmal mussten sie irgendwo auf dem Weg durch die Alpen einen unbeabsichtigten kleinen Umweg fahren, als sie auf eine Straßensperre stießen. Diese galt jedoch nicht etwa ihnen, sondern war aufgrund einer Überschwemmung durch die Frühjahresschmelze erforderlich geworden.

      Es war ansonsten eine ruhige Fahrt mit insgesamt eher mäßigem Verkehr: Die Winterurlauber waren schon weg und die Sommerurlauber noch nicht da. Sie waren jetzt schon auf bundesdeutschem Gebiet und absolut sicher, nicht mehr verfolgt worden zu sein. Nicht umsonst hatte er beim Bezahlen der Rechnung im Landgasthaus nebenbei die Bemerkung fallen lassen, über die Schweiz nach Frankreich fahren zu wollen; die Richtung, die Oskar Brenner mit dem Leihwagen eingeschlagen hatte. Erst, als sie von der A93 auf die A8 in Richtung der bayerischen Landeshauptstadt wechselten, sammelte sich mehr Blech auf den Straßen, aber sie nutzten permanent die Überholspur.

      Kaum vier Stunden nach ihrem Aufbruch erreichten sie den Flughafen „Franz-Josef-Strauß“. Sie waren nicht gerast, um das geschulte Gendarmenauge nicht auf sich Aufmerksam zu machen, aber gleichwohl zügig vorangekommen.

      „Heute ist nicht alle Tage, wir sehen uns wieder, keine Frage!“ meinte „Sax“ zu dem Zeitpunkt.

      Ein intensiver Abschiedskuss, und mit einem letzten Winken nahm sie ihr weniges Gepäck aus dem Kofferraum. Dann war sie Vergangenheit. Katie war nun in einer Sackgasse gelandet, nachdem sich Günter Freysing als BND-Agent entpuppt hatte. Ihr unter wahrlich vollem Körpereinsatz mühsam aufgebauter Kontakt zur DEMTAG war mit der Flucht Dr. Julius Stahlmanns in den Nahen Osten abgerissen und ihr Einsatz damit wohl beendet.

      Die Überwachung der DEMTAG würden ein paar freundliche Herren vom MAD oder BKA übernehmen - Inland war nicht das Geschäft des BND – und sicher bald den Vorstandsbossen ein paar unangenehme Fragen über die Herkunft der Pläne für den Prototypen stellen, der nun seinerseits wohl gerade schon von Experten des Verteidigungsministeriums auseinandergenommen wurde.

      Anschließend würde man den Franzosen einen Wink geben, wenn sich der Diebstahlverdacht bewahrheitete, den Katie geäußert hatte - dann konnten sie ihr eigenes Leck dichten.

      ´Alles nicht mehr meine Aufgabe… - diplomatischer Kram!´, dachte Freysing.

      „Eigentlich wollte ich sie eine Weile aus dem aktiven Dienst heraushalten“, weckte ihn dann Stoessner aus seinem halben Tagtraum, „bis sich die Wogen in Skopje etwas geglättet haben, aber erstens kommt es anders…“

      „…und zweitens wie man grad´ nicht denkt.“ ergänzte Freysing.

      Der Generalmajor bedeutete ihm gnädig mit einer Handbewegung, sich zu setzen. Er tat es nicht etwa, um seinem Agenten das Stehen zu ersparen, sondern um selbst nicht länger zu seinem Gesprächspartner aufblicken zu müssen.

      Etwas sehr gravierendes musste vorgefallen sein, dass man ihn von München nicht in sein Unterschleißheimer unauffällig auf den Namen „Gernot Flöter“ als „Musiklehrer und Orchesterspieler“ gemietetes kleines Häuschen fahren ließ, und auch nicht in die noch bestehende alte Zentrale in der bayrischen Landeshauptstadt beorderte, wo er auch sein kleines Büro besaß.

      Ein weiterer Bediensteter der Pullacher Fahrbereitschaft, den Freysing nur vom Sehen her erkannte, hatte ihn am Flughafen erwartet und war erschienen, just in dem Moment als Katie außer Sicht im Gebäude verschwunden war, um den nächsten Flieger nach Paris zu buchen.

      Der Mann hatte ihm während der kurzen Instruktion nur einen Flugschein in die Hand gedrückt, um selber den BMW i8 zu übernehmen. Die Logistik des BND funktionierte tadellos. Kurz nach 13 Uhr landete seine Maschine pünktlich in Tegel – der neue, „Willy-Brandt“, fristete immer noch sein Dasein als irgendwann in der Zukunft zu eröffnender Geisterflughafen - von wo aus er mit einem Taxi zum neuen BND-Komplex in der Bundeshauptstadt gelangte. Der Fahrer, ein redseliger eingebürgerter Vietnamese, plapperte akzentuiert ohne Unterlass, und so er hatte irgendwann auf „Durchzug“ geschaltet. Er fühlte sich unausgeruht und schlafbedürftig.

      Nun saß er in dem modern eingerichteten Büro dem von Präsidentenbildern und deutschen Hoheitssymbolen umrahmten Generalmajor Stoessner gegenüber, dem neuen Leiter für Operative Einsätze der Sektion, seitdem dessen Vorgänger nach einem dieser kleinen Geheimdienst-Skandälchen aus dem Amt geschieden war. Er mochte den neuen Chef der Militär-Abteilung TE (Terrorismus und Internationale Organisierte Kriminalität) nicht sonderlich, aber das beruhte seines Erachtens nach auf Gegenseitigkeit.

      Mehrfach hatte Freysing überlegt, den Dienst zu quittieren; so richtige Verwendung schien man für ihn sowieso nicht mehr zu haben und seine Arbeit war lange Zeit geprägt von gewöhnlicher nachrichtendienstlicher Tätigkeit.

      Früher einmal, ja früher, da war es anders gewesen.

      Besser? Nein, nicht besser, aber eben anders.

      Beinahe wehmütig dachte er zurück an seine recht bewegte Vergangenheit. Begonnen hatte alles während seiner Studienzeit in Leipzig. Nach einer kurzen Etappe als vom BND angeworbener, junger „Spion“ in der früheren „DDR“ während der aufregenden Zeit vor und während der „Wende“, als Deutschland schließlich wiedervereinigt wurde, zählte neben Ost- und Südosteuropa später in erster Linie der Nahe Osten zu seinem Einsatzgebiet - nur unterbrochen von einer Stippvisite in die Südstaaten der USA, wo es um die Aushebung einer größeren Neonazizelle gegangen war, die in Mitteldeutschland ihren Ursprung hatte. Die Jahre gingen turbulent durchs Land.

      Dann wieder Nahost; das Spionagegeschäft verlagerte sich dort allerdings nach dem 11. September 2001 mehr und mehr auf die Unterbindung terroristischer und weniger auf feindliche Regierungsaktivitäten. Und hinter allem standen freilich mehr und mehr handfeste kriminelle wirtschaftliche Interessen.

      Während jener Zeit hatte er eine relativ feste, über sechs Jahre andauernde Beziehung mit einer mehr als bemerkenswerten etwas jüngeren Frau – Susanne Heydt - begonnen, die allerdings in der ganzen Zeit nichts über seine wahre Tätigkeit zu hören bekam, und sehr viel nachgedacht über sein Leben und die Zukunft. Aber es war zu Ende gegangen, wie alles einmal zu Ende geht. Er war kein Mann für eine endgültige wirklich familiäre Bindung.

      Die Zeiten, in denen er sich an dunklen Orten mit der „Opposition“ herum prügeln „durfte“, schienen indessen vorbei – bis ihn der Auftrag „Stahlmann“ unlängst in die Türkei geführt hatte. Endlich wieder im ´richtigen´ Einsatz!

      Die Operativ-Abteilung war personell nahezu auf null


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