Geheimauftrag für Sax (1). H. Georgy

Geheimauftrag für Sax (1) - H. Georgy


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Es werden mehr. Drei, … vier, … nein fünf Blips, Kapitän!“ korrigierte er sich selbst beinahe im Sekundenrhythmus.

      „Jetzt geht’s los!“ meinte er beiläufig mit einem Seitenblick zu Kensington, der seinerseits ausgezeichnet Deutsch verstand und sprach.

      Daneben sprach der Offizier außer Englisch auch noch Französisch, Flämisch, Serbokroatisch und einige Beduinen-Dialekte, was Frier zu der Annahme gebracht hatte, dass es sich bei dem Briten nicht um einen gewöhnlichen Commander ihrer Majestät handelte. Er hatte sich allerdings jedwede Bemerkung dazu verkniffen – seine Befehle hinsichtlich der Behandlung von Kensington waren eindeutig gewesen und Frier war nicht der Mensch, der Befehle hinterfragte, geschweige denn sich diesen wiedersetzte.

      Am oberen Rand des in die Konsole eingelassenen Radarschirms waren jetzt deutlich fünf kleine Lichtblitze zu erkennen, jedes Mal, wenn das Radar die entsprechende Richtung abtastete.

      „Kurs ändern!“ Er wiederholte die Richtung, die der Radaroffizier genannt hatte, mit einer kleinen Korrektur ostwärts, sodass sich ein Abfangkurs ergab unter der Voraussetzung, dass der kleine Konvoi weder Richtung noch Geschwindigkeit nennenswert änderte.

      Der Rudergänger wiederholte die Zahlen. „Kurs liegt an, Kapitän“.

      Der Kapitän drückte einen Knopf auf den weitläufigen Konsolen, was ihn über die Bordsprechanlage mit dem Funkraum verband. „Funker, verschlüsselte Nachricht an die Leitstelle. Wir haben Kontakt. Übermitteln sie unsere Koordinaten. Dann Funkstille. Wir wollen niemanden aufschrecken.“

      Die Fregatte änderte den Kurs nach Nordosten. Am Heck wehte „Schwarz-Rot-Gold“ unter dem UN-Wimpel, doch das hatte hier fast keine Bedeutung.

      Das UN-Mandat sah vor, im Gebiet der vielbefahrenen Wasserstraße durch den Golf von Aden nach Piraten zu suchen und diese daran zu hindern, Frachtschiffe zu kapern. Mit der politischen Erweiterung des Mandats im Rahmen der Operation „Atalanta“ vor zwei Jahren war die neu in Dienst gestellte „Baden-Württemberg“ nicht mehr darauf beschränkt, die Piraten durch bloße Präsenz zu vertreiben, sondern durfte auch nötigenfalls von ihrem ansehnlichen Waffenarsenal Gebrauch machen und Schnellboote mit Kommandos aussetzen, selbst um die Piraten auch noch an Land zu verfolgen.

      „Dreiviertel Kraft voraus.“

      „Dreiviertel, Kapitän!“ Die General Electric LM2500 Gasturbine war sogleich zugeschaltet und schien das Schiff aus dem Wasser zu heben.

      Die Fregatte beschleunigte zusehends, bis sie beinahe 22 Knoten lief, und die Punkte auf dem Radarschirm kamen zügig näher zur Mitte. Sie bewegten sich dabei zugleich selbst auf einen sich von manchen weiteren abhebenden etwas größeren Punkt zu, der am oberen Rand des Schirms schon länger sichtbar gewesen war, und der nun zum rechten Ende hin zu verschwinden drohte.

      Dieser Punkt gehörte, wie man auf der Brücke wusste, zu dem 120000-Tonnen-Frachter „Sherwood“, der unter maltesischer Flagge fuhr und angeblich in Marseille Maschinenteile für Quatar geladen hatte.

      Seine wirkliche Fracht, so die Behauptung des britischen Geheimdienstes, bestand aus Gerätschaften, die man problemlos auch für den Bau einer Wiederaufbereitungsanlage von nuklearem Abfall verwenden konnte – und sie waren ziemlich sicher für Karachi in Pakistan bestimmt.

      Die somalischen Piraten wussten das sicher nicht, sie waren lediglich darauf aus, das Schiff zu entern, um es dann gegen Lösegeldforderung der Reederei zurückzugeben. Hätten sie es gewusst, dann hätten sie möglicherweise ihre Finger davon gelassen, denn angesichts der Ladung würden sie mit erheblicher Gegenwehr der Besatzung rechnen müssen – vorausgesetzt, diese wusste überhaupt selbst, was sie da tatsächlich geladen hatte.

      Eine knappe halbe Stunde lang pflügte die „Baden-Württemberg“ durch die See, während sie sich selbst den mutmaßlichen Piraten und diese sich der „Sherwood“ zügig näherten.

      „Voraussichtliches Zusammentreffen in zehn Minuten. Positionslichter aus! Verdunkelung!“. Schlagartig verschwand die „Baden-Württemberg“ in der Dunkelheit. Man hätte auf dreißig bis vierzig Meter an sie herankommen müssen, um sie auszumachen.

      Auf dem Radarschirm der „Sherwood“ musste die Fregatte bereits sichtbar gewesen sein, ebenso wie der kleine Piratenkonvoi. Allerdings waren „Freund und Feind“ nur mit speziellem militärischen Zusatzgerät auseinander zu halten, über das zwar die „Baden-Württemberg“, nicht aber die Sherwood oder gar die Piraten verfügen dürften. Die Piraten sollten somit vom plötzlichen Auftauchen der „Baden-Württemberg“ einigermaßen überrascht sein.

      Nur einem sehr aufmerksamen Beobachter in einem sehr hohen Ausguck würde die Fregatte als solche rechtzeitig auffallen.

      „Diesmal kriegen wir sie…“ sagte Kensington überzeugt zu Frier.

      Die „Sherwood“ schien allerdings in diesem Moment etwas den Kurs zu ändern, jedoch nicht, wie man hätte annehmen sollen, auf einen solchen, der sie in Richtung der „Baden-Württemberg“ in Sicherheit brachte. Möglicherweise hatte man an Bord des Frachters noch weniger Interesse an einer Begegnung mit den UN-Schiffen als an einer mit den Piraten.

      Erstaunlich schnell schienen sich die Piraten dem geänderten Kurs der „Sherwood“ anzupassen und gingen auf einen spitz zulaufenden Verfolgungskurs, der sie in etwa zwanzig Minuten mit dem Frachter zusammenbringen würde. Kapitän Frier kamen leichte Zweifel an der Einschätzung der internationalen Leitstelle, die Piraten verfügten nicht über modernes Navigationsgerät. Er nannte den neuen Kurs und befahl volle Kraft. Der Rudergänger bestätigte, und sogleich merkte man selbst auf der Brücke das sanfte Dröhnen der Motoren und der Turbine, die zugeschaltet war.

      Die Dunkelheit des Beinahe-Neumondes in dieser Region bot noch einige Minuten einen gewissen Schutz, und sie näherten sich den Piraten nun aus einem Winkel von Achtern, der nur von einem recht aufmerksamen Menschen dort eingesehen werden würde. Die Punkte auf dem Radar kamen immer näher. Trotzdem war von der Brücke aus auch mit einem sehr starken Fernglas noch nichts zu sehen. Sie würden ziemlich sicher die Piraten einige Minuten vor deren Zusammentreffen mit der „Sherwood“ erreichen, die ihrerseits auch ohne Positionslichter fuhren.

      Kensington nahm das starke Fernglas aus der Hand des Kapitäns entgegen und sah hindurch in die Leere. Er schien zufrieden. Die Operation konnte anlaufen.

      Zweitausend Fuß höher und zwanzig Seemeilen nordöstlicher, etwas querab der Socotra-Inselgruppe, die dem Horn von Afrika am Golf von Aden vorgelagert ist, befand sich, gerade noch im internationalen Luftraum, ein AWACS-Flugzeug der amerikanischen Luftwaffe. Auch dort beobachteten Menschen in Uniform gespannt die Radarbilder.

      Es ging dabei im Kreisrund der Überwachungsetage noch etwas lockerer zu als mit Commander Kensington an Bord der „Baden-Württemberg“, aber gleichwohl dienstlich.

      Der Airman, ein jugendlicher Mann mit Sommersprossen und einer eigentlich stoischen Ruhe und Geduld, der an dem Beobachtungsgerät saß, welches den Abschnitt des Meeres per Radar abbildete, in dem sich gerade die Jagd zu See abspielte, wirkte hellwach, obwohl er bereits seit mehreren Stunden seinen anstrengenden Dienst versah.

      Doch diese Ruhe war dahin, als er plötzlich vermehrte Aktivität an den Tag legte, in dem Augenblick, als urplötzlich von einem Moment zum anderen einer der Bildpunkte von seinem grünlichen Sichtschirm verschwand. Er versuchte es mit Feinjustierung der Rändelschrauben. Ohne Erfolg. Dann ging er flink zur unbesetzten Nachbar-Arbeitsstation, fuhr sie in nervöser Wartehaltung stehend hoch, wobei sich die Sekunden zu Minuten zu dehnen schienen.

      Immer wieder warf er einen Blick hinüber zu seiner eigenen Station, und bekam dann auch bei der Nachbarstation kein anderes Ergebnis.

      Ein Bildpunkt war von einem Moment zum anderen verschwunden und tauchte auch nicht wieder auf.

      Der Leitoffizier im Hintergrund wurde aufmerksam und kam heran. Er trug den sinnigen Namen „Houston“ am Namensschild seiner Uniform, die ihn als „1st-Lieutenant“ auswiesen.

      „Lieutenant Houston, Sir“, sagte der Airman, „es gibt da ein ernstes Problem!“


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