Flo... Liebe im Mittsommer. Angela Hünnemeyer

Flo... Liebe im Mittsommer - Angela Hünnemeyer


Скачать книгу
begegnen, dem Mann, der ihre Sehnsucht stillen würde.

      Und nun war er da und doch so weit weg, lebte in seiner Welt, ohne sie, war nur in den Momenten, wenn sie sich trafen, für sie da, und das waren nur wenige und kurze Momente. Zudem war es eine verbotene Liebe, denn er war noch gebunden, auch wenn seine Ehe nicht die Ehe war, die man leben sollte, sie hatte dennoch nicht das Recht ihn zu lieben. Wie oft hatte sie diese Gedanken gehegt, versucht Kraft und Mut aufzubringen, sich zu lösen, doch wie oft war sie kläglich bei der Umsetzung dessen gescheitert.

      Ein Blick auf Sven sagte ihr jetzt in diesen Minuten, dass er der Mann wäre, der sie über alles glücklich machen würde und doch war da etwas, was sie abhielt, diese Gefühle, die sie immer noch für ihn hegte, auszuleben.

      Sie konnte ihre Haltung nicht erklären, außer dass die Präsenz Flos in ihrem Herzen so stark verankert war, dass sie noch nichts anderes zulassen konnte und wollte. Sie hielt fest an etwas Aussichtslosem, an etwas, was sie niemals leben durfte.

      Und dann kamen Augenblicke, die wieder richtungsweisend waren, Augenblicke wie eben diese auf dem Flughafen, wo man einem Menschen begegnete, den man nur anschaute, irgendwie gebannt und gefesselt wurde und das Gleiche in seinem Blick erkannte.

      Sie fragte sich, warum sie nicht von allem Alten losließ und ganz von vorne begann, irgendwo, wo man endlich den inneren Frieden fand, wo beide Menschen zusammen mit nichts anfangen, es keine Gefühlsvorbelastungen und Erwartungshaltungen gab, kein Einengen sondern nur Verstehen und Augenhöhe.

      Warum wollte sie von einem Fremden erfahren, was er in Köln sucht oder dort unternimmt? Mit welchem Recht stellte sie einem völlig Unbekannten diese Frage? Was spürte sie und was bewog sie dazu? Sie war doch sonst nicht neugierig. Und was hatte er nach dem Zusammenstoß mit ihr verloren?

      Vor ihrem geistigen Auge lief gerade ein Film ab und in diesem Film sah sie diese Szene von eben noch einmal und zwar als außenstehender Betrachter.

      In einem Zeitlupentempo sah sie sich mit Tränen in den Augen durch das Flughafengebäude gehen und nicht auf die Menschen achtend, die an ihr vorüber gehen, und sie spürt einen Stoß, weil sie nicht aufpasst, nicht mitbekommt, dass ihr ein Mann, der einen Koffer trägt, entgegenkommt, sie nicht in sein Gesicht sieht sondern nur spürt, dass sie ihn streift und sie selbst dabei ein wenig zur Seite driftet und ohne sich umzuschauen einfach weitergeht, bis sie plötzlich durch seine Worte an sie gesprochen zusammenzuckt und sich herum dreht.

      Ja, sie sah sich langsam herumdrehend und ihn anschauend, erstaunt, überrascht wieder wenige Meter zurückgehend, hörte wie durch Watte gesprochen seine Worte: „Entschuldigung! Ich habe sie nicht gesehen.“

      Und dann sah sie ihn vor sich und plötzlich ging sie auf die Bremse und stoppte den Wagen, ließ ihn am Straßenrand auslaufen und starrte durch die Windschutzscheibe hinaus auf die Straße, die in ein Tal hinabführte und mit beiden Händen krallte sie sich am Lenkrad fest und runzelte die Stirn.

      „Entschuldigung! Ich habe sie nicht gesehen.“ Erneut drangen diese Worte an ihr Ohr und sie flüsterte gedankenverloren: „Ich hätte mich entschuldigen müssen, nicht er.“ Mit diesen Worten schaute sie auf den verunsicherten Sven, der neben ihr saß und ihre Aktion plötzlich zu stoppen, nicht wirklich nachvollziehen konnte.

      „Wofür hättest du dich bei wem entschuldigen müssen? Britt, was ist denn los mit dir?“

      Erst da wurde ihr klar, was sie da gerade vollbracht hatte und kehrte wieder zurück in die Realität.

      „Ich habe ihn angerempelt, also einen Menschen angerempelt, den ich einfach nicht beachtet hatte, eigentlich hatte ich niemanden beachtet. Sven, ich hatte Tränen in den Augen und war wieder in diesem verdammten Schmerz wegen dem, was ich alles erlebt hatte und mir wurde die Ausweglosigkeit mal wieder klar und alles erschien so sinnlos.

      Dadurch habe ich selbst die Menschen in meinem Umfeld nicht mehr gesehen. Das kann so nicht weitergehen, ich muss etwas in meinem Leben ändern, die Macht der Sehnsucht wird mich zerstören, ich muss einen neuen Weg für mich finden. Hinzu kommt, dass er sich bei mir entschuldigte dafür, für das, was ich getan hatte, nämlich ihn umzulaufen.

      Nicht das es etwas Schlimmes war, sondern es zeigt mir nur, wie sehr ich in den Momenten nicht mehr meine Umwelt klar vor Augen sehe. Ich muss mich bei ihm noch einmal entschuldigen.“

      „Britt!“ Sven nahm ihre Hand. „So arg war das doch nicht, das geschieht täglich hunderten von Menschen, dass sie sich anstoßen, unbeabsichtigt. Doch man vergisst es auch dann schnell wieder, wenn man eine Entschuldigung ausgesprochen hat. Aber was bewegt dich denn da noch so?

      War er es? Dieser Mann, zu dem du auf dem Flughafen noch einmal gegangen bist und mit ihm sprachst?“

      „Ich weiß es nicht Sven, aber ich sah mich eben wie eine Außenstehende, sah diese Szene wieder vor mir und ich weiß auch nicht so genau, was mich so bewegt an diesem allem.“

      „Und nun grübelst du und würdest gerne noch einmal die Uhr zurückdrehen und mit ihm sprechen wollen? Ist es das, was dich bewegt? Er hatte etwas an sich, das ist mir auch aufgefallen.“ Instinktiv schwieg Sven jetzt, denn er spürte einen Stich in seinem Inneren und es fühlte sich nicht gut an.

      Ihm war spätestens jetzt klar, dass es Erlebnisse im Leben gab, die eine nachhaltige Wirkung auf Menschen hatten und dazu muss wohl dieser Zusammenstoß eben auch gehört haben, denn sie war immer noch damit beschäftigt und vor allem glaubte er noch nicht einmal, dass es die Tatsache des Anstoßes war, sondern eher etwas mit der Person zu tun hatte.

      Britt setzte den Blinker, schaute in den Rückspiegel und scherte nun wieder auf die Straße ein. Langsam fuhr sie den Weg hinunter ins Tal. Schon bald erreichten sie den nächsten Ort. Von hier aus hatte man einen guten Blick auf die gegenüberliegende Rheinseite.

      „Schau dir die Fassaden der Häuser dort drüben an Britt.

      Es scheint fast so, als wenn die Zeit der sechziger Jahre stehengeblieben ist und wir jede Sekunde damit rechnen könnten, dass Heinz Erhardt persönlich um die Straßenecke schnäuzt und uns von drüben zuwinkt.“

      Britt hörte seine Worte und erst da sah sie genauer auf die Häuserfassaden und lächelte.

      „In der Tat, da sieht es wirklich so wie vor über dreißig Jahren aus, Sven.

      Es ist der Randbezirk von Bad Godesberg und ich könnte mir vorstellen, dass es im Stadtkern schon wieder anders aussehen wird, weiß es aber nicht mit Bestimmtheit zu behaupten.“ Sie lächelte, denn die Vorstellung Erhardt könnte dort drüben durch die Straßen laufen, brachte sie zum Schmunzeln. Sie mochte diesen alten Schauspieler und sah ihn vor sich, schelmisch grinsend, den Hut zum Gruß hebend, wenn ihm Passanten entgegenkamen.

      „Drei Mann in einem Boot wurde dort drüben im Stadtteil Mehlem in den Sechzigern gedreht. Erhardt hatte es einfach drauf.“

      Sie legte ihre Hand auf Svens und nickte ihm zu. „Ja, die sechziger und die siebziger Jahre, das waren auch unsere Jahre Sven. Schau einmal, es ist fast so wie eine Reise in unsere Vergangenheit und Erinnerungen werden geweckt. Welche glückliche Zeit erlebten wir nur und es ist in diesem Moment so, als wären wir wieder mittendrin.“

      Sven kniff die Augen verwundert etwas zusammen und bejahte dieses kopfnickend. Er drückte Britts Hand und wollte diese am liebsten nicht mehr loslassen. Warum musste so vieles geschehen und sie auseinanderreißen?

      Wie glücklich hätten sie werden können? Und nun? Nun hatten sie ihre Chance zum zweiten Male bekommen und wieder stand etwas zwischen ihnen.

      Nicht von seiner Seite aus, nein, er hatte sich und seine Liebe zu ihr nie verloren, doch Britt, sie war von falschen Voraussetzungen ausgegangen und nahm in ihrem Innern irgendwann in der späten Jugendzeit Abschied von dieser Liebe.

      Sie hatten sich die ewige Treue geschworen, damals 1975 unter dem Apfelbaum, und bei ihm hatte sich nichts geändert und Britt hatte das nicht im Geringsten geahnt. Sie war sich damals sicher gewesen, dass er diese neue Liebe, die er ein Jahr nach seinem Umzug mit 15 Jahren nach Schweden, gefunden hatte, auch auslebte.

      Und da brach


Скачать книгу