Wolken, Land und Wasser. Michael Schenk

Wolken, Land und Wasser - Michael Schenk


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nicht ganz auszuschließen.

      Hinter ihnen glommen die Lichter und beleuchteten Gänge der Stadt, vor ihnen war kaum mehr als Dunkelheit, nur an einer Stelle von schwachem Schimmer durchbrochen. Dort umgaben Lichtmasten das Schutzgebiet der Saugrochen und dort war ihr Ziel.

      Ein Delfinreiter sah das Licht ihrer Stäbe und kam heran. Das Wasser verzerrte die Stimmen ein wenig, doch auf kurze Distanz konnte man sich gut verständigen. „Ihr seid spät“, meinte die Wache. „Um diese Zeit gilt die Nachtruhe. Die Rochen sollten ungestört schlafen.“

      „Glaube mir, mein Freund“, brummte Lerimont, „ich würde jetzt auch lieber schlafen, doch der Meistermagier äußerte den Wunsch, Leriana solle ihre Verbindung herstellen.“

      „Donberon? Nun, dann wird er seinen Grund haben. Am besten ruft deine Tochter ihren Rochen nach hier. Dann verlässt er den Schwarm und der behält seine Ruhe. Zwei Rochen haben gekalbt und ihr wisst, wie nervös sie sind, wenn sie Nachwuchs haben. Wir Wachen sind zu dritt und halten Abstand.“

      „Ein guter Rat“, antwortete Lerimont und sah seine Tochter an. „Versuche es von hier aus.“

      Insgeheim hoffte Lerimont, dass seine Tochter keine Verbindung herstellen konnte. Denn wenn dies gelang, so würde sie sich eine ganze Weile mit ihrem emphatisch verbundenen Partner befassen und der Handelsherr war nun tatsächlich rechtschaffen müde.

      Leriana konzentrierte sich. Damit ihr dies besser gelang, formulierte sie ihre Gedanken in Worten. „Schnellschwinge, komm zu mir. Schnellschwinge, ich rufe dich.“

      Saugrochen waren Fische von sehr mäßiger Intelligenz. Sie besaßen flache, dreieckig wirkende Leiber, wobei sich das Maul und die Augen in der Mitte der breiten Seite befanden, die das Vorderteil bildete. Der muskulöse Körper, der eine einzige bewegliche Tragfläche zu sein schien, wies bei ausgewachsenen Rochen bis zu vierzig Längen in der Breite und dreißig in der Länge auf, wobei er an der stärksten Stelle entlang des Rückrats kam mehr als deren vier maß. Am spitzen Ende des Dreiecks lagen die Verdauungs- und Geschlechtsorgane sowie zwei kräftige Ringmuskeln, die gleichermaßen der Ausscheidung und als Rückstoßorgan dienten.

      Im Allgemeinen bestand ihr Leben aus Nahrungssuche, Vermehrung und Schlaf. In jungen Jahren waren sie ein leichtes Opfer für Raubfische, doch ausgewachsen wurden sie einfach zu groß, um noch als Beute gesehen zu werden. Zu groß und zu schnell, denn die Eigenheit der Saugrochen war es, durch ihr riesiges Maul Wasser und Kleinstlebewesen anzusaugen und Wasser und unverdauliche Nahrungsreste am Hinterleib komprimiert wieder auszustoßen. Sie erreichten eine erstaunliche Geschwindigkeit. Die Antari hatten sich dies schon früh zunutze gemacht. Verband man ein Unterwasserschiff mit Hilfe eines Geschirrs mit einem dieser Lebewesen, so erhielt man einen biologischen Antrieb.

      Saugrochen mochten nicht unbedingt intelligent sein, aber sie waren fühlende Wesen. Um einen Saugrochen mit einem Schiff zu verbinden, musste der Schiffsführer eine emphatische Verbindung mit ihm eingehen. Nicht jeder Antari war dafür geeignet, denn die Rochen erwiesen sich durchaus als wählerisch. So suchten die Magier schon frühzeitig junge Antari aus, um sie von Kindesbeinen mit geeigneten Saugrochen zusammenzubringen.

      So entstand eine Verbindung von gegenseitigem Nutzen. Der Rochen bewegte das Schiff und die Besatzung desselben sorgte ihrerseits für das Wohlbefinden des Wesens, das ihnen so nützlich war.

      Lerimont stieß einen leisen Seufzer aus. Der grauweiße Leib eines der großen Saugrochen glitt heran und drehte sich auf den Rücken. Es war das Zeichen größten Wohlbehagens und Vertrauens, wenn die Fische ihre verletzliche Bauchseite auf diese Weise zeigten.

      Schnellschwinge hatte auf Lerianas geistigen Ruf reagiert und nun würden die beiden eine ganze Weile miteinander herumspielen.

      „Kind, ich wusste immer, dass dich deine ausgeprägte Fähigkeit des Geistsehens zu einem hervorragender Schiffsführer machen wird“, gestand Lerimont ein, „doch deine Gabe des Fühldenkens scheint dies noch weit zu übertreffen.“

      Missmutig registrierte der Handelsherr, dass es wohl noch einige Zeit dauern würde, bevor er sich endlich zur Ruhe begeben konnte.

      5. Scharfschnäbel!

       Eldont'haneeva, Wolkenstadt des Zwergenclans der Hanevaa

      Stadtmeister Barbrot Himmelsherr verzichtete auf den zusätzlichen Antrieb durch die motorgetriebenen Propeller und so trieb die Wolkenstadt mit dem lauen Wind ganz langsam auf die Küste des neuen Landes zu. Man konnte die Bucht mit der Hafenstadt der Landmenschen in gut fünfzehn Tausendlängen Entfernung sehen. Die Höhe von Eldont'haneeva betrug konstante 2.000 Längen und man wollte diese beibehalten, da man noch nicht sicher sein konnte, mit wem man es am Boden zu tun bekam. Gelegentlich kam der Wind ein wenig von der Seite. Dann bewegten sich die großen Steuerflächen gemächlich, um den Kurs beizubehalten.

      Der Stadtmeister und Handelsmeisterin Benara Klughand waren zum linken Schwingenfeld gegangen, wo die intakten Luftschiffe und Flügelschwingen standen. Eine Handvoll Zwerge belud das größere Transportfahrzeug mit Proben der Handelswaren der Stadt.

      Gerlon Wolkenbezwinger und sein Freund Farold Langauge sollten eine der beiden Flügelschwingen fliegen, die als Eskorte ausgewählt worden waren.

      Himmelsherr wollte nur die Handelsmeisterin mitnehmen. „Wir wissen nicht, ob uns nicht doch Gefahr erwartet und je weniger Meisterleben bedroht sind, desto besser.“

      „Dann lass mich fliegen, alter Freund“, hatte Grimmbart Hartschlag prompt erwidert.

      Der Stadtmeister zog gerührt an einem Bartzopf des alten Kämpfers. „Du bist der Axtmeister der Stadt. Wer soll unsere Axtschläger in den Kampf führen, wenn dies erforderlich wird? Nein, mein Freund, ich bin nur die Stimme der Stadt, du hingegen ihr Arm.“

      Der Führer des großen Transportluftschiffes wachte aufmerksam über die Beladung. Obwohl die Last nicht viel wog, so musste sie doch gleichmäßig verteilt sein, um das Flugverhalten des starren Luftschiffes nicht negativ zu beeinflussen. Dabei musste der Flieger auch das Gewicht seiner Passagiere berücksichtigen.

      „Nehmt nur die besten Schwingen“, hatte die Handelsmeisterin befohlen. „Wir wollen einen guten Eindruck machen und die Fremden sollen nicht sehen, wie schlecht es um unsere Stadt steht. Sie würden die Preise heraufsetzen, wenn sie unsere, äh, Engpässe erkennen.“

      „Bodenbedecker sind überall gleichermaßen gierig“, seufzte Magiermeister Sternenhand.

      Benara Klughand zuckte mit den Schultern. „Ich, als Handelsmeisterin der Stadt, würde an Stelle der Fremden auch nicht anders reagieren. Beim Handel zählt der Gewinn.“

      „Doch er muss auch fair sein“, wandte der Stadtmeister ein. „Wir Zwerge haben einen guten Ruf zu verlieren.“

      „Keine Sorge“, erwiderte Benara lächelnd, „ich habe noch keinem fremden Händler die Bartzöpfe geschnitten.“

      Die Bartzöpfe zu verlieren, war die größte Schande eines wahren Zwergenmannes und nur in der Schlacht entschuldbar. Daher verknoteten die Zwerge ihre Bartzöpfe auf dem Rücken, wenn es darum ging, sie in der Schlacht vor Verlust zu schützen. So galt das Schneiden der Bartzöpfe im Wolkenvolk als ehrloses Verhalten. Tatsächlich achtete jeder Handelsmeister einer Stadt darauf, bei einem Handel nicht übervorteilt zu werden oder dies selber zu tun. Der Handel der Zwerge sollte überall geachtet und willkommen sein.

      In der gesamten Stadt Eldont'haneeva herrschte Aufregung. Jeder Mann, jede Frau und jedes Kind wussten inzwischen, das nicht nur ein neues Land in Sicht, sondern dieses auch bewohnt war. Die Aussicht auf einen guten Handel ließ viele zum ersten Mal seit langer Zeit wieder lächeln. Wenn der Handel zustande kam und sich als gut erwies, würde man dies sicher gebührend zu feiern wissen.

      Das Heck der Stadt war dem näher kommenden Land abgewandt. Die Aufmerksamkeit der meisten Bewohner richtete sich erwartungsvoll dem Bug entgegen. Doch es gab auch Zwerge, die dafür keine Zeit hatten, da sie ihren Pflichten nachgehen mussten. Die Arbeiter hoch oben im


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