Wolken, Land und Wasser. Michael Schenk

Wolken, Land und Wasser - Michael Schenk


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gab eine Reihe von Kais, an denen Schiffe festmachen konnten. Auch die letzten hölzernen Stege würden schon bald durch die stabilen Konstruktionen ersetzt werden. Die Enden der Kais gingen in die Hafenmauer über, die sich breit und mit Steinen gepflastert vor der Stadt entlangzog. Hier gab es mehrere Gebäude und Hallen, die dem Hafenbetrieb dienten. Kais und Hafenmauern waren kaum drei Längen hoch, da der Unterschied zwischen Ebbe und Flut kaum zwei Längen betrug. Selbst wenn es auf dem Meer einmal stürmisch wurde, machte sich das in der Bucht nur selten bemerkbar.

      An den Anlegestellen lagen zwei Dutzend große Dampfschiffe und ein Drei-Mast-Segler. Die meisten waren kaum mehr als Wracks. Es waren die Überbleibsel der einstigen Rettungsflotte. Bis auf eine Handvoll waren sie ausgeschlachtet und zum Bau der ersten Siedlung verwendet worden. Hinzu kamen einige Dutzend kleinerer Wasserfahrzeuge, vom Segler bis zum geruderten Zubringerboot. Mit den kleineren Seglern nutzte man jene Flüsse als Wasserstraße, welche die Mark durchzogen.

      Der Handel mit den anderen Siedlungen fand über Newam statt, da es zentraler gelegen war. Llaranea war der Umschlagplatz für Steine und Erz, die man überall benötigte, und so waren Markt und Handel nicht besonders groß. Man lag weit abseits der Routen, welche die Händler anderer Völker befuhren und da die Landmark, nach deren Ermessen, noch nicht viel zu bieten hatte, verirrte sich nur selten ein fremdes Schiff hierher. Andererseits fuhren auch die Schiffe der Landmark nur selten hinaus. Fast einhundert Jahre lang hatte der Hochlord immer wieder Erkundungsschiffe entsandt, die nach dem Verbleib der übrigen Flotte forschen sollten, die in dem verhängnisvollen Sturm auseinandergetrieben worden war, doch man hatte keine Anzeichen anderer Überlebender entdeckt. Dafür jedoch bewohnte Inseln und Länder, deren Bewohner nicht unbedingt freundlich waren. Aufgrund der Tatsache, dass die neue Mark noch schwach und verwundbar war, hatte sich der Hochlord entschlossen, das neue Land möglichst im Verborgenen erblühen zu lassen, bis es stark genug war, jeder Gefahr zu begegnen.

      Llaranea war eine teilweise befestigte Stadt. Nach der Landung hatte man nicht gewusst, ob das neue Land bewohnt war und so hatte man die erste Siedlung zunächst mit einer hölzernen Palisade und später mit einer stabilen Mauer und Türmen umgeben. Inzwischen war die Stadt längst über diese Einfassung hinaus gewachsen. Wie sehr die latente Bedrohung durch die Walven das Leben ihrer Bewohner beeinflusste, zeigte sich an der Bebauung.

      Im geschützten Bereich der inneren Stadt war Baugrund kostbar. Die Häuser nahmen nur eine kleine Grundfläche ein, strebten dafür jedoch bis zu vier Stockwerke empor. Die Hausdächer schienen aufeinander zuzuwachsen. Vor allem in den engen Gassen erreichte das Sonnenlicht nur wenige Stunden am Tag den Boden. Alles war beengt und es erwies sich als schwierig, die Abwässer und Abfälle so zu beseitigen, wie es die Heilkundigen verlangten, damit keine Krankheit oder sogar Seuche ausbrach.

      Hier, im Kern von Llaranea, hatten die Handwerker ihre ersten kleinen Werkstätten errichtet. Inzwischen waren aus ihnen Läden entstanden, in denen die Hersteller ihre Waren zum Kauf anboten, denn die neuen und größeren Werkstätten lagen nun vor der Mauer. In den Läden wurden Kleidung, Lederwaren, Töpferwaren, Glaswaren, Schmuck und viele Dinge mehr geboten und zwischen ihnen gingen die Bäcker und Lebensmittelhändler ihrem Geschäft nach.

      Außerhalb der Stadtmauer waren Tausende von Menschen damit beschäftigt, die Landmark mit den verschiedensten Waren zu versorgen und auch jene Dinge herzustellen, die nicht unbedingt zum täglichen Bedarf gehörten. Steinmetze, Bauern und Rinderzüchter waren die Einzigen, die fern der Städte tätig waren. Doch Glasschmelzen, Mühlen, Bäckereien, Eisenschmelzen und Schmiede, Schlachtereien und Gerbereien, Spinnereien und Webstuben, Waffenschmiede und ähnliche Betriebe arbeiteten vor den Toren der Stadt. Holz gab es reichlich und so wurden die Kessel der vielen Dampfmaschinen mit Feuer oder Sonnenspiegeln aufgeheizt. Dampf und Rauch hingen stetig über den Arbeitsstätten und wurden gelegentlich, wenn der Wind ungünstig stand, in die Stadt hineingetrieben, was oft den Unwillen der dort Wohnenden hervorrief.

      Zwischen Stadtmauer und dem Areal der Betriebe befand sich der große Markt. Hierher kamen die Händler der anderen Siedlungen und sogar aus der Hauptstadt Newam, um Waren zu erstehen und eigene Produkte anzubieten. Die erworbenen Waren wurden dann auf den Flüssen verschifft oder mit Kolonnen von Planwagen transportiert.

      Hier herrschte immer Handel. Stimmen schwirrten zwischen den zahlreichen Ständen umher, man feilschte und stritt oder freute sich über ein gutes Geschäft. Die Handelsherren waren umgeben von den zahllos erscheinenden Trägern und Arbeitern, welcher die Waren transportierten.

      Handel war harte Arbeit und so gab es auch jene, die einen harten Arbeitstag erträglich machen. Man bot Speisen und Getränke unterschiedlichster Zubereitung und auch für Kurzweil war gesorgt. Es gab Akrobaten, Zauberkünstler, die allerdings nichts mit Magie gemein hatten, Spieler und kleine Bühnen, auf denen Schauspieler ihre Stücke darboten. Tanz- und Musikgruppen erfreuten Zuhörer und Betrachter.

      Frau Indara war die unbestrittene Herrin des Marktes von Llaranea. Sie war klein, mollig und gutmütig, doch das durfte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie über den Markt und sein Treiben wachte und keinen Regelverstoß duldete. Sie trug ein langes Kleid mit langen Ärmeln, schlicht, jedoch aus bester Wolle. Darüber eine ärmellose Jacke mit zahlreichen Taschen, in denen sie persönliche Dinge und jene Gegenstände mit sich führte, die sie für ihre Funktion benötigte. Die Füße steckten in flachen weichen Schuhen, die Indara zusätzlich ausgepolstert hatte, denn ihre Fülle und die langen Fußwege verursachten ihr abends stets schmerzende Beine. Ein breiter Gürtel vervollständigte ihre Kleidung. An ihm hing ein Beutel mit goldenen Schüsselchen.

      Einst hatte man im Pferdevolk des Hochlords nur den Tauschhandel gekannt. Handel und Freundschaft mit dem Königreich von Alnoa führten dazu, dass man dessen Währung übernahm. Zuvor hatte Gold nur dem Zierrat gedient, doch nun goss man es in runde Formen von Daumennagelgröße. Die Bezeichnung als „Schüsselchen“ rührte daher, dass der Landesherr, dem allein die Herstellung vorbehalten war, sein Zeichen in die Goldmünze schlagen ließ. Die Wucht des Schlages hinterließ in dem weichen Metall eine leicht gewölbte Form.

      Frau Indara war in Begleitung eines Schwertmannes. Llaranea verfügte über eine Garnison. Diese befestigten Anlagen wurden als Reet bezeichnet. In ihnen waren berittene Schwertmänner und Fußgardisten stationiert. Der Mann, mit dem langen grünen Umhang der berittenen Krieger, begleitete die Herrin des Marktes zu Fuß. Er war das sichtbare Symbol, das Frau Indara im Namen des Hochlords handelte. Seine Präsenz sollte ihren Entscheidungen und ihrem Schlichtungsspruch bei Unstimmigkeiten, Nachdruck verleihen. Er brauchte die Hand jedoch nur selten an den Griff seines Schwertes zu legen, denn die Autorität der Frau war unbestritten. Weitaus öfter musste er die Hand an eine Umhängetasche legen, in der sich die Prüfgewichte für die Waagen befanden.

      Das bekam auch einer der Händler zu spüren. Frau Indara und der Schwertmann hatten einen kleinen Imbiss zu sich genommen, als sie den Disput zwischen dem Händler aus Llaranea und einem anderen hörten, der aus einem der Weiler stammte. Eigentlich war man sich über den Preis der Tuchwaren einig, die der Weiler auf dem Markt anbot, doch scheinbar gab es Unstimmigkeiten über den Gegenwert.

      „Es ist beste Handarbeit und die Frauen unseres Weilers haben lange und sorgfältig gearbeitet, um das Tuch zu weben“, beharrte der Vertreter der kleinen Siedlung. „Feine Handarbeit und nicht der grobe Dung, den ihr hier auf den dampfbetriebenen Webstühlen produziert. Unser Tuch verlangt nach einem gerechten Preis.“

      „Den ich Euch biete“, knurrte der Tuchhändler aus Llaranea.

      „Ja, der Preis ist gerecht, doch mir scheint, unsere Tuchballen haben auf der Reise an Gewicht verloren.“

      Tuch wurde nach Gewicht und Beschaffenheit bemessen und nicht nach seiner Länge. Der Händler des Weilers deutete mit seiner Behauptung an, dass sein Pendant aus Llaranea das Gewicht der Ballen zu niedrig ansetzte.

      „Vielleicht hat es in Eurem Weiler geregnet, als Ihr das Tuch gewogen habt“, hielt der Tuchhändler dagegen. „Es ist nur natürlich, dass es da ein wenig mehr gewogen hat.“

      „Und vielleicht sind Eure Gewichte zu alt und der Rost hat an ihnen gefressen. Jedenfalls stimmt nicht, was Ihr an Gewicht gewogen habt.“

      Das


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