Wolken, Land und Wasser. Michael Schenk

Wolken, Land und Wasser - Michael Schenk


Скачать книгу

      „Dann sind es gute und ehrbare Wesen“, seufzte Indara erleichtert.

      „Mag so sein“, brummte Antarim, der jedoch misstrauisch blieb. „Es heißt, Zwerge seien uns im Wesen sehr ähnlich. Doch es gibt gute Menschen und es gibt Menschen, welche die finsteren Abgründe verschlingen mögen.“

      „Da habt Ihr fraglos recht“, stimmte Nedeam zu. „Doch bei den kleinen Herren unseres alten Landes, da fand ich niemals ein arglistiges Wesen. Nein, dies ist ein Tag der Freude.“

      In dem großen Luftschiff konnte der Herr der Wolkenstadt Eldont'haneeva seinerseits seine Unruhe nicht ganz verbergen. Unter den Zwergen versammelte sich eine immer größere Menschenmenge und starrte zu ihnen empor.

      „Kann jemand erkennen, ob sie Waffen schwingen?“, kam die besorgte Frage eines Zwerges.

      „Wenn sie uns feindselig gesonnen sind, so brauchen sie keine Waffen“, meinte ein anderer. „Die sind zu zahlreich und könnten uns mit bloßen Händen zerreißen.“

      „Dort wehen Banner.“ Handelsmeisterin Benara Klughand nahm ihr kleines Langauge und reichte es an Barbrot weiter. „Wo Menschen ein Banner führen, da ist jemand von Bedeutung.“

      Der Stadtmeister zog an seinen beiden Bartzöpfen und nickte zögernd. „So ist es, so ist es. Wir landen bei den grünen Tüchern, Freunde. Gebt Zeichen an die Flügelschwingen, dass sie in der Luft bleiben sollen. Nur für den Fall, dass diese Leute sich doch als unfreundlich erweisen.“

      Benara strich sanft über einen seiner Bartzöpfe. „Es wird schon gut gehen, Barbrot.“

      „Es wäre schlimm für unsere Stadt, wenn wir hier keinen friedlichen Handel treiben können.“

      Die Fluggeräte erreichten eine freie Fläche, die man unter ihnen gebildet hatte. Sie befanden sich noch in einer sicheren Höhe von rund zweihundertfünfzig Längen. Von unten klang Musik herauf und Barbrot gab das Zeichen, zu landen.

      Das Luftschiff mit der starren Tragehülle verfügte über zwei getrennte Auftriebskörper. Einer war mit dem Gas gefüllt, welches leichter als Luft war. Er trug das größte Gewicht von Schiff und Besatzung. Der andere wurde mit heißer Luft betrieben. Jetzt wurden die Sonnenspiegel in den Schatten der Hülle gedreht. Die Luft wurde nicht mehr aufgeheizt, erkaltete und das Luftschiff begann langsam zu Boden zu sinken.

      „Macht freundliche Gesichter, meine Brüder und Schwestern“, befahl der Führer des Schiffes. „Zeigt ihnen, dass wir nichts Übles beabsichtigen.“

      Das Luftschiff setzte mit einem sanften Ruck auf. Immer mehr Gewicht ruhte auf dem unteren Rumpf, so dass er bald sicher auf dem Boden stand. Aufgrund der starren Konstruktion fiel die Auftriebshülle nicht in sich zusammen.

      Instinktiv packte Barbrot die Hand von Benara und für einen flüchtigen und kostbaren Moment lächelten sie sich zu und gaben sich ihren intimen Gefühlen hin. Dann löste der Stadtmeister den Griff und betrat als erster Zwerg den Boden der Landmark.

      Rasch folgten Benara und eine kleine Gruppe Axtschläger, die ihre Arme jedoch abspreizten und fern der Waffen hielten, um so ihre friedlichen Absichten zu bekunden.

      Den Zwergen der Wolkenstadt stand eine Gruppe der Menschen gegenüber, über denen zwei farbige Tücher an Lanzen wehten. Auch dort standen Bewaffnete, die allesamt lange grüne Umhänge und Schwerter trugen. Die Gesichter lächelten oder waren unbewegt, doch Barbrot hatte Erfahrung und spürte, dass die Männer kampfbereit waren.

      Über die riesige Menschenmenge senkte sich angespanntes Schweigen. Nur die Musik spielte noch, bis sie, auf das Zeichen eines hochgewachsenen Mannes, mit einem Misston verstummte.

      Barbrot war es sofort bewusst, dass er dem Herrn dieses Landes gegenüberstand. Seine Autorität war unverkennbar. Wieder einmal war er von der Größe dieser Lebewesen erschrocken. Barbrot war keineswegs klein und doch würde er, selbst wenn er sich reckte, dem Menschen kaum bis zu dessen Bauchnabel reichen.

      Der fremde Herrscher lächelte. „Ich bin Hochlord Nedeam, Herr der Landmark, und ich freue mich, unsere Freunde vom Volk der kleinen Herren Zwerge begrüßen zu dürfen. Ihr seid uns willkommen.“

      „Ich bin Barbrot Himmelsherr, Stadtmeister der Wolkenstadt Eldont'haneeva, vom Clan der Hanevaa. Ihr seid uns Zwergen schon begegnet?“

      Dies galt nur für den langlebigen Nedeam. Kein anderer Bewohner der Mark hatte jemals einen leibhaftigen Zwerg zu Gesicht bekommen. Doch der Pferdefürst fand es nicht an der Zeit, sein Gegenüber mit komplizierten Details zu verwirren. Er trat etwas näher und ging in die Hocke, so dass sie beide sich bequem in die Gesichter sehen konnten.

      „Wahrhaftig, guter Herr Zwerg, das sind wir, und wir standen Seite an Seite mit den tapferen Axtschlägern der Kristallstädte.“

      „Kristallstädte?“ Barbrot räusperte sich. „Ich kenne die schwimmenden Städte unserer Brüder, der Zwerge der Meere, doch von Kristallstädten hörte ich noch nie.“

      „Sie standen in den Bergen unserer alten Heimat. Doch ein gewaltiger Vulkanausbruch ließ unser Land im Meer versinken. Wir konnten uns mit Schiffen retten. Ein Sturm zwang unsere Flotte auseinander und wir wissen bis heute nicht, was aus unseren alten Gefährten geworden ist.“

      Der Herr der Wolkenstadt nickte bedächtig. „Es wird interessant sein, unsere Geschichten auszutauschen.“

      Nedeam richtete sich wieder auf und deutete auf die Luftgefährte. „Unsere Legenden berichten davon, dass wir einst ähnliche Himmelsschwingen besaßen. Das Geheimnis um ihre Beschaffenheit ging verloren. Aber ihr habt nicht nur Schwingen erbaut, sondern eine ganze Stadt errichtet. Eine einzigartige Leistung.“

      Barbrot nickte lächelnd, obwohl ihm die Worte des Menschen überhaupt nicht gefielen. Die Konstruktion der Schwingen mit einem anderen Volk zu teilen, das würde keinem Zwerg gefallen, denn der Himmel verhieß Sicherheit. Zumindest, sofern keine Scharfschnäbel in der Nähe waren. Dieses Volk der Landmark mochte freundlich sein und es behauptete sogar, an der Seite von Zwergen gekämpft zu haben, aber selbst wenn dies der Fall war, so wusste man schließlich auch, wie wankelmütig Menschen sein konnten. Sein Clan würde gut daran tun, nicht zu viel über das Fliegen zu verraten.

      „Ja, es ist eine großartige Leistung“, stimmte Barbrot Himmelsherrr dem Hochlord zu, „aber das gilt nicht weniger für das, was Ihr und Euer Volk erschaffen habt. Ihr habt eine schöne und große Stadt und nutzt die Kraft des Dampfes. Eurem Volk geht es gut und es treibt sicherlich regen Handel. Wie wir sehen konnten, befindet sich sogar eine Stadt des Wasservolkes in der Nähe der Küste.“

      Nedeam verstand die versteckten Anspielungen und Fragen. Er war bereit, die Neugierde des Zwerges zu stillen. „Friedlicher Handel verbindet die Völker in Freundschaft, guter Herr Zwerg. Leider liegen wir fern der Handelsrouten. Nur sehr selten verirrt sich der Händler eines anderen Volkes zu uns.“ Er zuckte bedauernd mit den Schultern. „Leider sind wir kein Volk von Seefahrern. Auch wenn wir über einige Schiffe verfügen, so fährt doch nur selten eines hinaus. Was wir vom Meer brauchen, das holen unsere Fischer oder wir treiben Handel mit den Antari. Ihr habt deren Stadt tatsächlich gesehen?“

      Bernbrot lächelte vergnügt. „Glaubt mir, guter Herr Nedeam, von den Wolken aus kann man so manches sehen.“

      Nedeam deutete auf das Luftschiff. „Ihr gestattet einen Blick auf Euer Gefährt?“

      Barbrot lachte freundlich. „Wenn der Hochlord einen Blick auf seinen Markt gestattet?“

      Nedeam stimmte in das Lachen ein. Er wandte sich um. „Heißen wir die kleinen Herren willkommen und zeigen ihnen, was unsere Landmark zu bieten hat.“

      Frau Indara klatschte in die Hände. „Ihr habt den Hochlord Nedeam gehört, ihr Männer und Frauen von Llaranea. Dies ist der größte Markt der Mark. Zeigen wir den Herren des Himmels, wie man bei uns Handel treibt.“

      Benara Klughand eilte prompt zu Indara und es wurde sofort deutlich, dass beide Frauen sich im Wesen ähnelten und welche Vorfreude sie erfüllte, einen neuen Handelspartner


Скачать книгу