Wolken, Land und Wasser. Michael Schenk

Wolken, Land und Wasser - Michael Schenk


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dem wir alle ein neues Volk kennenlernen, kann ich das durchaus verstehen. Ein guter Standplatz bietet ja die Möglichkeit auf guten Handel, wie wir alle wissen, aber die Händlerin ist in der Wahl der Worte recht unhöflich gewesen.“

      „Unhöflich, aha.“ Indara lag ebenso am Handelsfrieden, der für jeden Markt galt, als auch an Gerechtigkeit. „Gibt es Zeugen für den ersten Fuß?“

      „Die gibt es“, kamen gleich mehrere Stimmen von den Umstehenden.

      „Wurde er vom Wasservolk gesetzt?“

      „Das wurde er“, bekräftigte der Mann, der versucht hatte, die Händlerin in ihre Schranken zu verweisen.

      „Dann gehört der Standplatz dem Handelsherrn Lerimont vom Wasservolk“, entschied Indara. „Er entrichte die gebührende Zahl an goldenen Schüsselchen an mich und mag seinen Handel beginnen. Da die Händlerin Tirana die gebotene Höflichkeit gegenüber dem Handelshaus Leri vermissen ließ, wird sie für ein Jahr für den Handel mit Waren des Wasservolks gesperrt.“

      Von den Umstehenden kam zustimmendes Gemurmel. Der Handel mit Waren des Wasservolkes brachte immer gute Gewinne und man empfand die Handelssperre gegen Tirana als gerecht. Zudem war es sicher klug, sie zeitlich zu begrenzen, denn die Händlerin würde es sich gründlich überlegen, auch künftigen Handel durch ihre Fremdenfeindlichkeit zu verlieren. Letztlich lebte auch sie von den Gewinnen des Marktes.

      Die Entscheidung der Herrin des Marktes gefiel der Händlerin sicherlich nicht, doch sie war klug genug, dieser nicht zu widersprechen und deutete eine knappe Verbeugung an. „Ich akzeptiere die Entscheidung der guten Frau Indara und bedauere mein Verhalten gegenüber dem Handelshaus Leri vom Wasservolk.“

      Die Frau und ihre Gruppe verließen den Bereich des Standplatzes und die Besucher des Marktes widmeten sich wieder ihren Verkäufen und Einkäufen und versuchten dabei, einen Blick auf die Fremden aus dem Himmel zu erlangen. Sicherlich waren diese an Handel interessiert. Das war schließlich jeder. Doch was für Waren boten die kleinen Wesen an und welche benötigten sie ihrerseits?

      Lerimont zahlte die Standgebühr in Form einiger goldener Schüsselchen und machte sich dann mit seinen Begleitern daran, den Marktstand zu errichten und die eigenen Waren zu präsentieren. Zunächst musste er verkaufen, bis er genug Schüsselchen besaß, um seinerseits Waren für Ronla da Antari zu erstehen.

      Er kannte die Neugierde seiner Tochter und auch deren Ungeduld. „Leriana, mein Kind, sieh dich ruhig auf dem Markt um. Du weißt, was wir benötigen und kannst vielleicht schon die günstigsten Händler auskundschaften. Es wäre auch nicht schlecht, wenn du Neuigkeiten über die geflügelten Kinder herausfinden könntest. Vor allem, was Angebot und Bedarf betrifft.“

      „Sie haben keine Flügel und es sind keine Kinder“, brummelte Koros.

      „Nun, davon werde ich mich hoffentlich bald selbst überzeugen können“, meinte Lerimont und sah, wie Leriana im Gedränge des Marktes verschwand.

      Die junge Antari genoss es, über den Markt zu schlendern. Trotz aller Ähnlichkeiten waren die Marktstände und die Menschen der Landmark erfrischend anders. Es betraf nicht nur das Aussehen, sondern auch den Geruch. Landmenschen rochen anders. Bei einigen mochte dies an mangelnder Reinlichkeit liegen, doch vor allem bei den Frauen schien es eine Vorliebe zu sein, Duftwasser, Öle oder Kräuter zu nutzen, um sich in eine eigene Aura zu hüllen. Manches duftete sehr angenehm, aber hin und wieder hielt Leriana doch den Atem an.

      Interessiert betrachtete sie das Angebot an den Ständen. Lebensmittel, Ziergegenstände, Schmuck, Werkzeuge, Waffen, Gebrauchsgegenstände, Kleidung, Stoffe, Kräuter, Backwaren … Eine unglaubliche Vielfalt wurde geboten, doch am interessantesten fand Leriana jene Händler, die hölzerne Möbel, Schnitzkunst und Fahrzeuge anboten. Gerade Fahrzeuge übten eine unheimliche Faszination auf sie aus, denn in der Welt des Wasservolkes gab es keine Verwendung für Radkarren oder Gespanne.

      Einem älteren Mann fiel ihr Interesse auf. Lächelnd trat er auf sie zu. „Ah, eine liebreizende junge Frau des Wasservolkes, die einen Blick für hölzerne Kunst besitzt. Ich habe hier etwas, das sicher Euer Interesse finden wird. Kommt, seht es Euch an.“

      Er zog sie förmlich zu seinem kleinen Stand und deutete dann mit großer Geste auf die bescheidene Auslage. „Nun, was sagt Ihr? Großartig, nicht wahr?“

      Leriana sah eine Reihe geschwärzter und gekrümmter Stöcke, die sich in ihren Abmessungen ähnelten. „Äh, was … ist das?“

      Sein freundliches Gesicht zeigte Betroffenheit. „Grundgütiger … Nun, Ihr seid vom Wasservolk und könnt es vielleicht nicht wissen.“ Er nahm einen der Stäbe. „Seht, liebreizende junge Frau des Wasservolkes, die Länge ist bei uns das Maß aller Dinge. Höhe, Breite, Länge, Tiefe, Entfernung und sogar die Geschwindigkeit wird bei uns in der Länge gemessen. Dies hier ist die Ur-Länge aus unserer alten Heimat. Ihr könnt sogar die Feuerspuren sehen, die ihren Untergang begleitete.“

      Leriana sah den Gegenstand überrascht an. Nun bemerkte sie auch eine Reihe von Kerben, die sich in regelmäßigen Abständen auf dem Objekt befanden. „Dies stammt noch aus Eurer alten Heimat, dem versunkenen Land?“

      „Nun, nicht wirklich“, räumte der Händler ein. „Aber es ist eine sehr sorgfältige Nachbildung. Wir haben bei ihrer Herstellung auf jedes Detail geachtet. Wir haben sogar Eisenholz verwendet, ganz wie beim Original.“

      „Also ist es nachgemacht.“

      Der Mann bemerkte, wie ihr Interesse wieder abnahm. „Aber originalgetreu“, versicherte er. „Denkt an die hohe Symbolkraft. Diese Länge ist eine großartige Erinnerung an die vergangene Zeit. Sehr beliebt zur Zierde eines Heims“, fügte er rasch hinzu. „Sie wird auch in Eurem Heim zur Zierde dienen.“

      Leriana lächelte freundlich und wandte sich dann ab.

      „Ihr könnt sie auch als Brennholz verwenden!“, rief ihr der enttäuschte Händler hinterher. „Auch wenn sie da nicht besonders viel hergeben mag.“

      Leriana schlenderte langsam in Richtung des Zentrums, denn dort mussten sich die ungewöhnlichen Luftschiffe des fremden Volkes befinden. Leriana fragte sich, wie etwas in der Luft fliegen konnte. Natürlich hatte sie schon Vögel zu Gesicht bekommen, doch diese fremden Objekte hatten nicht mit Flügeln geschlagen.

      „Verzeih meine Ungeschicklichkeit.“ Leriana lächelte entschuldigend, als sie das Kind anrempelte.

      „Ah, Bodenbedecker. Sie leben am Boden und sie richten ihre Blicke sehnsüchtig in den Himmel.“ Der tiefe Bass und der dichte rote Bart mit den beiden langen Zöpfen gehörten ganz sicher nicht zu einem Kind. „Überlasst den Himmel dem Wolkenvolk und richte deine Augen gebührend auf den Boden“, knurrte der Zwerg. „Beinahe hättest du mich niedergetrampelt.“

      „Du bist ein Zwerg?!“ Leriana klatschte begeistert in die Hände.

      „Bah, was dachtest du denn?“, erwiderte der Zwergenmann. „Kein Kind der Landbewohner könnte eine solche Manneszierde hervorbringen, wie sie mir zu Eigen ist.“

      Die Handbewegung entlang der Bartzöpfe ließ keinen Zweifel daran, was der Zwerg unter der Manneszierde verstand.

      „Es tut mir leid, dass ich dich nicht gesehen habe“, entschuldigte sich Leriana nochmals. „Ich bin erfreut, dich kennenzulernen, denn du bist der erste Zwerg, den ich zu Gesicht bekomme.“

      „Nun, das geht den meisten Bodenbedeckern so“, räumte er ein. „Immerhin hast du dir für den ersten Anblick ein besonders prachtvolles Exemplar unseres Volkes erwählt.“

      Der Zwerg reckte stolz die Brust. Die Entgegnung der jungen Antari verblüffte ihn.

      „Ich bin ebenso wenig ein Bodenbedecker wie du, guter Herr Zwerg. Ich bin Leriana und gehöre dem Clan der Antari vom Wasservolk an.“

      „Bei der Höhe des Himmels und der Tiefe des Wassers … Ich hörte von euch.“ Er musterte sie skeptisch. „Doch es heißt, ihr besäßet Schlitze am Hals. Ich kann dergleichen nicht sehen. Ah, ich verstehe … Sie sind unter dem Halsband


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