Wolken, Land und Wasser. Michael Schenk

Wolken, Land und Wasser - Michael Schenk


Скачать книгу
rief das Erscheinen eines Unterwasserschiffes große Aufmerksamkeit hervor, denn immerhin waren die Antari das einzige Fremdvolk, mit dem die Menschen der Landmark regelmäßig Handel trieben. Doch an diesem Tag beachtete kaum jemand den hoch beladenen Frachtkarren und die Gruppe, die ihn zog. Dies blieb auch so, nachdem die Antari den Hafen verlassen hatten und die Randzonen des Marktes erreichten.

      Zwar unterschieden sich die beiden Völker äußerlich kaum, wenn man von der blasseren Hautfarbe der Antari absah und von der Tatsache, dass man aus der Nähe die Ansätze der Schwimmhäute und die Kiemendeckel an den Seiten des Halses hätte sehen können, doch schon die Bekleidung war auffällig anders. Jacke und Hose des Wasservolkes hoben sich deutlich von den Tuniken der Landfrauen sowie den halblangen Hosen, Jacken und Westen der Landmänner ab. Zudem trugen die Bewohner der Landmark bevorzugt eine kreisrunde und flache Kopfbedeckung mit einer unterschiedlichen Anzahl an Quasten, die daran befestigt wurden. Die Quasten deuteten auf die gesellschaftliche Stellung und Funktion des jeweiligen Landbewohners hin.

      „Ein seltsamer Tag“, grummelte Lerimont und zupfte an der ungewohnten Halsbinde, die seine Kiemen verbarg. „Sonst kommen die Händler sofort angerannt, sobald sie uns sehen, damit sie als Erste auch den günstigsten Handel abschließen können.“

      Leriana strich ihm beruhigend über den Arm. „Das musst du verstehen, Vater. Dies ist ein ganz besonderer Tag, denn auch wir begegnen zum ersten Mal einem Volk, welches den Himmel bereist.“

      „Deine Tochter hat recht, Handelsherr“, pflichtete Steuermann Koros bei. „Ich bin neugierig, was das für Wesen sind und welche Handelswaren sie zu bieten haben.“

      „Auf jeden Fall wird es das Geschick eines Handelsherren brauchen, um ein gutes Geschäft zu tätigen“, knurrte Lerimont, der seine Enttäuschung über die mangelnde Aufmerksamkeit nicht ganz verbergen konnte. „Wir benötigen Mehl, Fleisch, Stoffe und Porzellanwaren.“

      „Ein paar Holzschnitzereien“, erinnerte Leriana. „Und ein paar Möbel aus Holz wären auch nicht schlecht. Du weißt, wie beliebt sie bei uns sind.“

      „Nun, so wie unsere Korallen, Muscheln und Schnitzereien bei den Landbewohnern. Ich werde daran denken. Wenn wir erhalten haben, was wir benötigen, dann kann ich noch etwas in Holzwaren investieren. Sie werden sich mit gutem Gewinn an unsere Markthändler abgeben lassen.“

      Handelsherren waren eine Art zentraler Einkäufer. Sie handelten einerseits im Auftrag ihrer Stadt, andererseits jedoch auch im Auftrag der vielen kleinen Einzelhändler, die es dort gab. Deren Wünsche waren zwar den Bedürfnissen der Stadt nachgeordnet, doch dafür erhielt ein Handelsherr gute Provision, wenn er ihnen nachkam. Man begnügte sich schon lange nicht mehr mit dem, was zum reinen Überleben erforderlich war, sondern wusste die Schönheit von Luxus durchaus zu schätzen. Werke eines anderen Volkes auf ganz besondere Weise, da ihre Exotik reizvoll erschien.

      Sie erreichten das Areal, auf dem die Stände der Händler errichtet waren. Lerimont sah einen freien Platz und hielt darauf zu, dicht gefolgt von den anderen mit dem Karren.

      Eine Gruppe um eine schlanke Frau, deren Kopfbedeckung und Quasten sie ebenfalls als Händlerin auswiesen, hatte wohl den gleichen Standort erspäht und wollte ihrerseits ihren Stand darauf errichten.

      Lerimont gelang es, ihn als Erster zu beanspruchen, in dem er einen hastigen Ausfallschritt machte und sein Fuß das Nummernschild des Standplatzes berührte, bevor die Frau nahe genug heran war. Diese war jedoch nicht bereit, klein beizugeben. Schließlich war nicht nur Markt, sondern auch der erste Tag, an dem man die Gelegenheit hatte, mit den Wesen aus dem Himmel zu handeln.

      „Such dir einen anderen Platz“, fauchte sie. „Der hier gehört mir.“

      „Nun, gute Frau, mein Fuß berührte ihn zuerst und das Recht des Marktes spricht ihn somit mir zu.“

      „Du bist kein Händler aus Llaranea und so kannst du dieses Recht nicht beanspruchen.“

      „Nein, ich bin kein Händler aus dieser schönen Stadt. Ich bin der Handelsherr Lerimont, aus der Stadt Ronla da Antarim und als Gast der Landmark kann ich das Recht durchaus beanspruchen.“ Lerimont stapfte mit dem Fuß auf. „Was ich hiermit auch mit Nachdruck tue.“

      „Ein Kiemenhändler?“ Die Frau starrte ihn feindselig an. „Ihr Fischmenschen werdet euch nicht auf meinem Platz niederlassen! Packt euren armseligen Karren und verschwindet!“

      „Gute Frau“, schaltete sich Leriana mit spöttischer Stimme ein, „ich versichere dir, es ist nicht unser armseliger Karren. Er wurde in Llaranea erbaut und dient im Hafen als Transportmittel.“

      „Und ihr habt ihn entwendet.“ Die Frau verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich kann hier nämlich keine Hafenarbeiter sehen.“ Sie wandte sich ihrer Gruppe zu. „Ihr etwa?“

      Die Männer verneinten und ihre Gesichter verrieten eine gewisse Unsicherheit. Einige waren fraglos auf der Seite ihrer Herrin, anderen gefielen die Worte nicht, die sie aussprach.

      Leriana konnte beobachten, wie sich einer der Männer aus der Gruppe löste und in der Menge verschwand. Möglicherweise fehlte ihm der Mut auf eine Auseinandersetzung, denn nach einer solchen sah es zunehmend aus.

      Die Bezeichnung „Fischmensch“ verriet, dass die Händlerin aus Llaranea zu der kleinen Gruppe jener Menschen des Landvolkes gehörte, die keine Sympathien für die Antari empfand. Obwohl der Hochlord Nedeam sich ausdrücklich für den Handel und freundschaftlichen Kontakt aussprach und diese Meinung von den meisten Angehörigen des Pferdevolkes geteilt wurde, so gab es eben auch jene, die gegen Fremdes und Unbekanntes feindselig eingestellt waren, ungeachtet der Tatsache, welche Vorteile der Kontakt beiden Seiten bot.

      „Packt endlich eure Sachen und verschwindet.“ Die Händlerin stemmte die Arme in die Hüften. „Aber den Karren lasst gefälligst stehen. Der gehört der Landmark.“

      „Grundgütiger, Trinara, mäßige dich!“, kam ein erregter Ruf aus der Menge. Zustimmendes Gemurmel erhob sich, während sich ein korpulenter Mann nach vorne drängte. „Die Antari sind gute Menschen und sie haben immer fair gehandelt. Du hast kein Recht …“

      „Ja, von dir weiß man ja, dass du lieber Fisch als Fleisch isst“, höhnte die Händlerin, die es nicht zu stören schien, dass ihre Tiraden zunehmend auf den Unwillen der anderen stießen. „Vielleicht solltest du dir auch ein paar Kiemen wachsen lassen.“ Die Worte klangen hasserfüllt, als sie nun auf Leriana deutete. „Vielleicht willst du dich auch gleich mit ihnen paaren?“

      „Bei den finsteren Abgründen der Tiefe, es reicht.“ Koros drängte Lerimont zur Seite. „Ich stoße diesem bösartigen Weib die Zähne in den Schlund.“

      „Das wirst du nicht tun.“ Leriana hielt den erregten Steuermann am Arm zurück. „Nicht du wurdest beleidigt, sondern ich. So ist es meine Sache, ihr zu begegnen.“

      Handelsherr Lerimont hob beschwörend die Arme. „Haltet den Frieden von Markt und Handel!“

      „Wer den Frieden von Markt und Handel bedroht, der bekommt es mit mir zu tun!“ Die harte Stimme gehörte zu Frau Indara, die sich in Begleitung eines Schwertmanns durch die Umstehenden schob. Hinter ihnen erkannte Leriana den Mann, der sich zuvor aus der Gruppe der Händlerin abgesetzt hatte. „Im Namen des Hochlords Nedeam, was geht hier vor sich?“

      Stimmen schwirrten durcheinander, bis die Herrin des Marktes auf die Händlerin deutete. „Ich hörte, dass von dir Ungemach ausgeht, gute Frau Trinara. So erkläre mir, was dich empört.“

      Koros wollte etwas rufen, doch erneut hielt Leriana ihn zurück, während die Händlerin, wenn auch in gemäßigteren Worten, erneut ihr Gift versprühte. Indara hörte sich das eine Weile an, bevor sie zu Lerimont herumfuhr. „Ich kenne Euch, Handelsherr Lerimont. Nun sagt mit Euren Worten, was sich hier zugetragen hat.“

      Trinara wollte dem Handelsherrn in Wort fahren. Der Schwertmann tat einen Schritt auf sie zu und lächelte dabei auf eine Weise, welche die Händlerin schweigen ließ.

      Lerimont wollte unter keinen Umständen weiteren Unfrieden hervorrufen, denn das


Скачать книгу