Ssabena - Wilde Wege zum Seelenheil. Imme Demos

Ssabena - Wilde Wege zum Seelenheil - Imme Demos


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hier besonders friedvoll.

      Ich gewöhnte mir an, zur Arbeit zu trampen, mit meinem Keyboard unterm Arm, das Raffi netterweise aus Haifa abgeholt hat. Meistens nahmen Männer mich mit, die mein Instrument vorsichtig in den Kofferraum hoben. Sie wollten wissen, wer ich bin, kannten mich nicht am Ort. Ich radebrechte mein erstes Hebräisch über meinen Namen und meine Herkunft, nutzte jede Möglichkeit, Hebräisch zu verstehen oder zu sprechen. Ich war hier die Sängerin der La’akat ha’or, der Band des Lichts. Jeder kannte die Band. Sie war sehr angesehen. Meist trugen die Männer, die mich mitgenommen hatten, mein Keyboard stolz bis zur Bühne und einige von ihnen kamen abends elegant gekleidet zur Show.

      Ein vornehmer Herr lud mich ein, spontan Gast auf seiner Yacht zu sein, er würde sie mindestens zwei Wochen lang nicht brauchen und stelle sie mir zur Verfügung.

      Ich willigte sofort ein und zog am nächsten Tag um auf seine Yacht.

      Sein Neffe erwartete mich dort. Er machte klar Schiff, die letzten Arbeiten an Bord, gab mir einen Zettel mit der Telefonnummer seines Onkels Benni, dem die Yacht gehörte, und verschwand.

      Nun wohnte ich auf einer Yacht. Ein Platz für meinen Koffer, einer für mein Keyboard und ein Schlafplatz für mich!

      Von hier aus ging ich zur Show oder an den Strand, hierhin kehrte ich müde vom vielen Herumlaufen zurück. Hier war jetzt mein Zuhause.

      Raffael kam nach einem Auftritt mit einer Beschwerde zu mir, ganz aufgebracht: „Du bist mit Arabern am Strand gesehen worden. Das geht nicht. Du bist Mitglied meiner Band und darfst dich nicht mit Arabern abgeben.“

      „Welche Araber meinst du?“

      „Na, diese Jungs, irgendwelche Jungs, Araber eben. Du bist gesehen worden“, warf er mir vor.

      „Raffi“, vertraute ich ihm an, „ich weiß nicht mal, welcher von euch Araber ist und welcher nicht. Für mich seht ihr alle gleich braun aus.“

      Verständnislos guckte er mich an. „Du siehst keinen Unterschied zwischen Israelis und Arabern?“ Den Kopf schüttelnd zischte er pfeifend Luft durch die Zähne. „Die sehen doch komplett anders aus. Wenn du das nicht siehst, hast du ein Problem. Lös es! Und gib dich nicht mit Arabern ab!“, befahl er scharf und ging.

      Unerhört. Ich darf nicht sprechen, mit wem ich will? Ich bin schließlich Deutsche und muss Araber nicht ablehnen. Für mich sind sie genauso Menschen wie Israelis. Ich kann sie ja nicht mal auseinanderhalten, es sei denn, sie tragen ein Arafat-Tuch. Ansonsten kann ich keinen Unterschied feststellen. Alle haben dunkle Haut, dunkle Augen und sprechen eine mir unbekannte Sprache. Erst später lernte ich sie zu unterscheiden anhand ihrer Ausstrahlung, ihrer Art sich zu bewegen, ihrem Aussehen.

      Meine Neugier allerdings überwog meinen Gehorsam, und so ließ ich mich auf den schmächtigen Tommy ein. Obwohl Araber, war er nicht Moslem, sondern Christ, mit einem unerschütterlichen Glauben an Jesus Christus. Jesus war sein Lieblingsthema.

      Tommy wirkte ganz verloren hier. Adoptiert wie ich, fühlte er sich auch genauso an. Noch nie hatte ich ein ausländisches Adoptivkind kennengelernt. Da gibt es etwas, das sich nur bei Adoptivkindern so anfühlt, und das ist offenbar unabhängig von Rasse oder Religion.

      Selbstverständlich begleitete ich ihn zur christlichen Herberge, sprach mit dem holländischen Pastor, begegnete Christen aus aller Welt, sang und betete mit ihnen, um herauszufinden, ob in dem Glauben, in dem sie ihr Heil gefunden haben, auch für mich das Heil liegen könnte.

      Natürlich ging ich auch mit in sein Zuhause. Er lebte zusammen mit mehreren Hotelarbeitern in einem Raum oben über einer Ladenzeile; das Zimmer abgedunkelt, auf den Betten der Kameraden Kleidungsstücke, alles etwas heruntergekommen, aber weitestgehend ordentlich. Einer der Jungs war anwesend.

      „Dies ist Marlisa. Das ist Jim aus England. Er ist mein bester Freund, das musst du wissen, Marlisa.“

      Er stellte einen schmalen Tisch zwischen zwei Betten. „Sitz“, forderte er mich höflich auf und zeigte mit der flachen Hand auf das eine Bett, „ich mache uns einen Tee."

      Der untersetzte, kräftige Jim holte von irgendwoher eine Kerze. „Gib mir dein Feuerzeug!“

      Ich kramte mein Feuerzeug hervor.

      Europäer fühlen sich irgendwie vertraut an.

      Jim erhitzte das Ende der Kerze und ließ das flüssige Wachs auf den Holztisch tropfen.

      „Leg doch was drunter“, riet ich ihm typisch deutsch.

      „No, no, das ist okay“, erwiderte er ruhig, drückte die Kerze in das Wachs und zündete sie an. Dann machte er sich daran, eine Zigarette aus seinem losen Tabak zu drehen.

      Der Schein der Flamme tauchte den Raum in warmes Licht.

      „Also, Marlisa, für wie lange bist du hier?“, fragte der blonde Jim.

      „Ich weiß nicht.“

      „Ja ja, wir wissen nie, wohin Gott uns führt.“

      Tommy kam mit dem Tee herein. „Ich wünschte, ich wäre in England. Ich träume jeden Tag davon, in England zu sein“, schwärmte er, während er die kleinen, dampfenden Gläser mit dem Goldrand auf dem Tisch abstellte.

      „Warum?“, wollte ich wissen.

      „England ist mein Traumland. Ich würde dort gerne für immer wohnen. Ich bete zu Gott, jeden Tag. Ich bete, dass ich dort studieren darf.“ Ganz beseelt von dem Gedanken leuchteten seine schwarzen Augen von innen heraus.

      Ich nippte an meinem Tee. „Mmmh, schön süß.“

      „Auf die Süße des Lebens“, prostete Tommy uns zu. „Wir brauchen die Süße des Lebens wie die Biene den Nektar.“ Er beugte sich ein wenig zu mir vor. „ Und du, Marlisa, was betest du?“

      Die Frage überraschte mich.

      „Ich will für dich beten. Jim, wollen wir für sie beten? Für ihre Seele?“

      „Ja, gerne. Nur noch meine Zigarette aufrauchen.“

      „Lass dir Zeit.“ Er schaute in meine Augen. „Marlisa hat bis heute Zeit gehabt. Gott hat auf sie aufgepasst.“

      Jim rauchte auf und faltete seine Hände. Auch Tommy faltete seine Hände. Tiefe Ergriffenheit machte sich breit.

      So etwas erlebte ich zum ersten Mal. Jemand betete für mich. Kein Pastor, sondern ganz gewöhnliche Menschen. Tommy sprach leise und inbrünstig. Sie beteten für meine Gesundheit, mein Wohlergehen, auf dass ich die Wege, die vor mir liegen, klar erkennen und mutig beschreiten würde und dass Gott mich von der Last meiner Einsamkeit befreien möge.

      Tränen drückten von innen durch meine geschlossenen Augenlider, ich ließ ihnen freien Lauf. Feierlicher hätte es in keiner Kirche dieser Welt zugehen können, als hier in diesem Arbeiterzimmer mit Menschen, mit denen ich nicht reden sollte.

      Nachdem er fertig gesprochen hatte, schniefte ich noch einen Moment.

      „Danke“, sagte ich schlicht und ging raus, das Bad suchen.

      „Links“, hörte ich Tommys Stimme.

      Ich fand, was ich suchte.

      Auf der Toilette putzte ich mir die Nase. In das Spülen hinein vermeinte ich plötzlich Stimmen zu hören. Ich betrat den Flur. Die Stimmen wurden lauter. Wird da gestritten? Als ich die Tür zum Zimmer öffnete, sah ich Tommy mit einem Messer über Jims Hals fahren. Jim schnellte zurück.

      „Bist du verrückt geworden?“, brüllte er erschrocken auf.

      Tommy stand in Kampfhaltung vor Jim und keuchte. „Nein! So nicht, mein Freund!“

      Jim war in die Ecke auf das Hochbett geflüchtet.

      Ich verstand die Welt nicht mehr. Vor Schreck schlug mein Herz bis zum Halse. Hatten diese beiden nicht eben noch für mich gebetet?

      Tommy legte das Messer auf den Tisch. „Bist du okay?“, fragte


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