Tarzan bei den Affen. Edgar Rice Burroughs
schied so friedlich hinüber, daß Stunden vergingen, ehe Clayton es fassen konnte, daß seine Frau tot war.
Seine schreckliche Lage kam ihm erst langsam zum Bewußtsein, und es ist zweifelhaft, ob er die ganze Größe seiner Sorgen und die schreckliche Verantwortung, die ihm jetzt für den kleinen Sohn zufiel, voll erkannte.
Die letzte Eintragung in sein Tagebuch machte er am Morgen nach dem Tode seiner Frau. Er erzählt darin die traurigen Tatsachen in einem so schlichten Tone, daß dadurch deren Wirkung nur noch erhöht wird. Es liegt darüber eine müde Stumpfheit, erzeugt durch lange Sorge und Hoffnungslosigkeit, und selbst der letzte schmerzliche Schlag konnte kaum sein Leid vergrößern.
Mein kleiner Sohn weint vor Hunger. – O Alice, Alice, was soll ich anfangen?
Als Clayton diese letzten Worte geschrieben hatte, sollte seine Hand nie wieder die Feder ergreifen.
Er legte sein müdes Haupt auf seine ausgestreckten Arme auf den Tisch, den er für sie angefertigt, die jetzt still und kalt im Bette neben ihm lag.
In der Dschungel herrschte eine Grabesstille, und sie wurde nur durch das Wimmern des kleinen Knaben unterbrochen ...
Die Affen
Im Walde des Tafellandes, eine Meile vom Ozean, tobte der alte Affe Kerschak voller Wut unter seinem Volke. Die jüngeren und leichteren Mitglieder seines Stammes kletterten auf die höheren Äste der großen Bäume hinauf, um seinem Grimm zu entfliehen. Sie setzten lieber ihr Leben aufs Spiel, indem sie sich den schwachen Ästen anvertrauten, als daß sie im Bereich des zornigen alten Kerschak geblieben wären.
Die andern Männchen stoben nach allen Richtungen auseinander, wenn das wutschäumende Tier einem von ihnen das Rückgrat zwischen seinen Zähnen zerbrochen hatte.
Ein unglückliches junges Weibchen glitt von dem unsicheren Halt eines hohen Astes herunter und fiel gerade vor Kerschaks Füße.
Mit einem wilden Schrei stürzte der Alte sich darauf, riß ihm mit seinem gewaltigen Gebiß ein großes Stück aus der Seite und schlug das arme Wesen mit einem zerbrochenen Ast nieder.
Und dann erspähte er Kala, die mit ihrem Säugling von der Futtersuche kam. Sie wußte nichts von der Wut des gewaltigen Männchens, bis sie schließlich durch die schrillen Rufe ihrer Kameraden gewarnt wurde und nun auch ihr Heil in wahnsinniger Flucht suchte.
Aber Kerschak war ihr so nahe auf den Fersen, daß er sie beinahe beim Fuß erwischt hätte, wenn sie nicht von einem Baum auf einen andern weit davonstehenden gesprungen wäre, – ein Wagnis, das Affen nur in der größten Gefahr, in der es keinen andern Ausweg mehr gibt, unternehmen.
Der Sprung gelang ihr, aber als sie den Ast des Baumes erfaßte, lockerte sich durch die plötzliche Erschütterung der Halt des kleinen Säuglings, und sie sah, wie dieser dreißig Fuß tief hinunterfiel.
Mit lautem Brüllen kletterte Kala schleunigst hinunter, der Gefahr, die ihr von Kerschak drohte, jetzt nicht mehr achtend, aber als sie das winzige verstümmelte Ding aufhob, war es schon tot.
Stöhnend legte sie den Leichnam neben sich. Kerschak belästigte sie nicht mehr. Mit dem Tode des Kleinen war der Anfall von teuflischer Wut so schnell verraucht, wie er über ihn gekommen war.
Kerschak war ein riesiger König unter den Affen; er wog wohl an die dreihundertundfünfzig Pfund. Seine Stirn war außerordentlich niedrig und zurücktretend, seine Augen waren blutunterlaufen, schmal und nahe über seiner groben flachen Nase liegend; seine Ohren waren groß und dünn, aber schmäler als die seiner Art.
Sein schrecklicher Zorn und seine gewaltigen Kräfte hatten ihm die Herrschast über seinen Stamm verschafft, dem er vor etwa zwanzig Jahren entsprossen war.
Da er jetzt im besten Alter stand, hätte keiner seinesgleichen in dem großen Walde, den er durchstreifte, es gewagt, ihm sein Herrscherrecht streitig zu machen. Er wurde nicht einmal von den andern größeren Tieren belästigt.
Nur der alte Tantor, der Elefant, fürchtete ihn nicht, und vor ihm allein hatte Kerschak Respekt. Wenn Tantor trompetete, floh der große Affe mit seinen Kameraden auf die höchsten Bäume.
Der Stamm der Menschenaffen, über den Kerschak mit eisernen Händen herrschte, zählte sechs bis acht Familien, von denen jede aus einem erwachsenen Männchen mit seinen Frauen und Jungen bestand. Es waren im ganzen sechzig bis siebzig Affen.
Kala war das jüngste Weib eines Männchens namens Tublat, d. h. »gebrochene Nase«, und das Kind, das durch den Absturz zerschmettert worden war, war ihr erstes, denn sie war erst neun oder zehn Jahre alt.
Trotz ihrer Jugend war sie groß und stark, ein prächtiges, wohlgebautes Tier mit einer runden, hohen Stirne, die auf mehr Intelligenz schließen ließ, als sie die meisten ihrer Art besaßen. Sie war denn auch einer größeren Mutterliebe fähig.
Aber sie war immerhin ein Affe, ein riesiges, wildes, schreckliches Tier, das den Gorillas nahe verwandt war, wenn auch klüger als diese.
Als die einzelnen Mitglieder des Stammes sahen, daß Kerschaks Raserei nachgelassen, kamen sie langsam aus ihren Zufluchtsorten in den Bäumen herbei und gingen wieder ihrer Beschäftigung nach.
Die Jungen spielten und scherzten zwischen den Baumen und Sträuchern umher. Von den Erwachsenen lagen einige auf der weichen Matte abgestorbener Pflanzen hingestreckt, während andere über herabgefallene Äste und über Erdschollen turnten, um nach kleinen Käfern und Reptilien zu suchen, die einen Teil ihrer Nahrung bildeten. Andere wieder suchten in der Umgebung die Bäume nach Obst, Nüssen, kleinen Vögeln und Eiern ab.
Nachdem sie auf diese Weise eine Stunde verbracht hatten, rief Kerschak sie alle zusammen und befahl ihnen, ihm zu folgen.
Jetzt hieß es: Fort zur See hinunter!
Sie gingen zumeist auf der Erde, und folgten dem Weg, den die großen Elefanten durch das Dickicht der Bäume, Sträucher und Schlingpflanzen gebrochen hatten. Ihr Gehen war eine rollende, unbeholfene Bewegung, indem sie die Knöchel ihrer geschlossenen Hände auf den Boden setzten und ihren plumpen Körper vorwärts schwangen. Wenn aber der Weg zwischen niederen Bäumen hindurchführte, bewegten sie sich schneller, indem sie sich von Ast zu Ast mit der Gewandtheit ihrer Vettern, der kleinen Kletteraffen, schwangen.
Auch Kala war bei der Truppe, und sie trug den ganzen Weg ihr kleines, totes Kind fest an ihre Brust gedrückt.
Es war kurz nach Mittag, als sie eine Anhöhe erreichten, von wo sie den Strand übersehen konnten, an dem die Hütte lag.
Dorthin führte sie Kerschak!
Er wollte das Geheimnis ergründen, das diese Wohnung barg. Mehr als einmal hatte er gesehen, daß einer seines Stammes dort getötet wurde. Da drinnen war nämlich ein merkwürdiger weißer Affe; der hatte einen seltsamen schwarzen Stock, und wenn er diesen in die Hand nahm, gab es einen lauten Knall und dann blieb einer tot liegen.
Kerschak wollte sich dieses todbringende Werkzeug aneignen und das Innere dieses geheimnisvollen Baues erforschen.
Das mußte ein wunderliches Tier sein, das da drinnen hauste. Er haßte es und hätte es gern in den Hals gebissen. Aber er fürchtete es auch, und deshalb kam er oft mit seinem Stamme dorthin auf Kundschaft. Er wollte eine Zeit abwarten, wo der Weiße nicht auf seiner Hut wäre.
Aber noch jedesmal hatte er Pech gehabt. Sobald er sich mit seinen Angehörigen zeigte, erschien auch der Weiße mit seinem Stock und tötete irgendeinen von ihnen.
So hatte Kerschak es allmählich aufgegeben, einen Angriff zu wagen oder auch nur sich zu zeigen.
Nun war er gespannt, wie es heute gehen würde.
Der Weiße war nirgends zu erblicken. Kerschak wanderte mit seinen Angehörigen um die Hütte.
Als sie sahen, daß die Türe offen stand, krochen sie langsam, vorsichtig und geräuschlos heran. Da gab es kein Knurren und keine Wutschreie, denn sie durften den schwarzen Stock nicht wecken.
Sie