Tarzan bei den Affen. Edgar Rice Burroughs
dann Kala, die ihr totes Kleines noch immer fest an ihre Brust drückte.
In der Hütte sahen sie den seltsamen weißen Affen halb über dem Tisch liegen, die Arme um den Kopf gestreckt, und auf dem Bette lag eine mit einem Segeltuch bedeckte Gestalt, während von einer kleinen, einfachen Wiege das Wehklagen eines Säuglings herkam.
Kerschak war geräuschlos eingetreten und hielt sich zum Angriff bereit.
Da erhob sich John Clayton plötzlich und sah ihn an.
Er wurde starr vor Schrecken bei dem Anblick, der sich ihm bot: innerhalb der Türe standen drei große Affen, und hinter ihnen kamen deren noch mehr zum Vorschein, – wie viele, wußte er nicht.
Clayton sah, daß er verloren sei, denn seine Revolver und seine Gewehre hingen weit hinten an der Wand, und Kerschak ging zum Angriff vor.
Der riesige Affe stürzte sich auf den Wehrlosen, umfaßte ihn und erdrückte ihn. Es war das Werk einer Minute.
Als er den schlaffen Körper des Leblosen losließ, wandte er seine Aufmerksamkeit der kleinen Wiege zu. Dabei kam Kala ihm aber zuvor. Das Wimmern des Säuglings hatte in ihrer Brust die Gefühle der Mutterschaft geweckt, und da sie diese an ihrem toten Kinde nicht mehr stillen konnte, ließ sie dieses in die Wiege fallen und nahm dafür den lebenden Säugling der Alice Clayton.
Als Kerschak das Kind ergreifen wollte, hatte sie es ihm schon weggeschnappt, und ehe er dazwischen fahren konnte, war sie zur Türe hinausgerannt und auf einen hohen Baum geflüchtet.
Hier liebkoste sie das schreiende Kind an ihrem Busen, und der Instinkt, der in diesem wilden Weibchen ebenso vorherrschte, wie in der Brust der zarten, schönen Mutter, der Instinkt der Mutterliebe, erstreckte sich auch auf das kleine Menschenkind.
Der Hunger hob allen Unterschied auf, und so wurde der Sohn eines englischen Lords und einer englischen Lady an der Brust von Kala, der großen Äffin, genährt.
Inzwischen untersuchten die Affen vorsichtig den Inhalt des Hauses, in das sie eingedrungen waren.
Als Kerschak sich von dem Tod Claytons überzeugt hatte, wandte er seine Aufmerksamkeit der Gestalt zu, die auf dem Bette lag und mit einem Stück Segeltuch bedeckt war.
Bedächtig hob er einen Zipfel des Leichentuches auf, aber als er den Körper der Frau darunter sah, riß er das Tuch mit einem Ruck von ihr weg und packte den stillen weißen Hals mit seinen riesigen behaarten Händen an.
Einen Augenblick drückte er seine Finger tief in ihr kaltes Fleisch ein, aber als er erkannte, daß sie schon tot sei, ließ er von ihr ab, um den Inhalt des Zimmers zu mustern.
Das Gewehr an der Wand zog zuerst seine Aufmerksamkeit auf sich. Das war jener seltsame, todbringende Donnerstock, den er nun schon seit Monaten in der Hand des weißen Affen gesehen hatte und dessen er sich so gern bemächtigt hätte, und nun, da er ihn ergreifen konnte, hatte er nicht den Mut, ihn anzufassen.
Vorsichtig näherte er sich dem Ding, jeden Augenblick bereit, zu fliehen, sobald das Mordwerkzeug losgehen würde. Er erinnerte sich noch sehr wohl, welch lauten Knall es von sich gab, wenn der wunderbare weiße Affe sich seiner bediente, sobald er angegriffen wurde, und wie dann jedesmal einer seines Stammes tot zurückblieb.
Ein dunkles Bewußtsein sagte ihm allerdings, daß der Donnerstock nicht von selbst losgehe und daß er nur gefährlich wurde, wenn einer ihn in die Hand nahm.
Dennoch wagte er nicht, ihn zu berühren. Er ging vielmehr auf und ab, drehte dabei den Kopf, aber so, daß er den Gegenstand seiner Wünsche nicht aus dem Auge verlor.
Der große König der Affen gebrauchte seine langen Arme, wie ein Mensch sich der Krücken bedient; bei jedem Schritt rollte er seinen schweren Rumpf weiter, knurrte oder stieß auch einen jener ohrenbetäubenden Schreie aus, die das Schreckenerregendste im ganzen Dschungel waren.
So ging er auf und ab.
Auf einmal machte er Halt vor dem Gewehr. Langsam streckte er die Hand darnach aus, bis er den glänzenden Lauf beinahe berührte, zog sie abermals zurück und setzte seine eiligen Schritte im Zimmer fort.
Und doch schien es, als ob das große Tier zeigen wollte, daß es keine Furcht kenne und durch sein wildes Brüllen seine Wut bis zu dem Punkte steigern wolle, daß es das Gewehr in die Hand zu nehmen wagte.
Abermals blieb Kerschak stehen, und diesmal gelang es ihm, seine widerstrebende Hand an den kalten Stahl zu führen, um sie aber augenblicklich wieder zurückzuziehen.
Von Zeit zu Zeit wiederholte er diesen seltsamen Griff, aber jedesmal mit wachsendem Vertrauen, bis er schließlich das Gewehr vom Nagel herunterriß.
Da er sah, daß ihm kein Leid geschah, untersuchte er es genauer und befühlte es von einem Ende zum andern, schaute in die schwarze Mündung hinein, betastete das Visier, den unteren Teil, den Schaft und schließlich den Hahn.
Während er so mit der Waffe hantierte, saßen die andern Affen, die mit ihm hereingekommen waren, in der Nähe der Türe zusammengedrängt und beobachteten ihren Herrn, während die da draußen sich drückten und drängten, um wenigstens etwas von dem zu erblicken, was da drinnen vorging. Plötzlich bewegte Kerschak den Hahn. Da gab es einen fürchterlichen Knall in dem kleinen Raum, und die Affen, die innerhalb und außerhalb der Türe waren, stolperten einer über den andern in wilder Angst davon.
Kerschak war ebenfalls erschrocken und zwar so sehr, daß er ganz vergaß, dieses merkwürdige Ding, das den schrecklichen Knall von sich gegeben hatte, beiseite zu werfen, und daß er, es fest in der Hand haltend, zur Türe hinauspolterte.
Beim Hinausstürmen stieß er mit dem Gewehr an die offene Türe, so daß sie hinter ihm zuflog.
Als Kerschak in kurzer Entfernung von der Hütte Halt machte, ließ er das Gewehr fallen, als ob es ein Stück heißen Eisens wäre. Er versuchte auch nicht mehr, es aufzuheben. Der Knall war für die Nerven des wilden Tieres zu fürchterlich gewesen. Aber er war nun überzeugt, daß der schreckliche Stock ganz harmlos sei, wenn man ihn in Ruhe ließ.
Es verging eine Stunde, bis die Affen es wagten, sich wieder der Hütte zu nähern, um ihre Nachforschungen fortzusetzen, aber zu ihrem Leidwesen fanden sie, daß die Türe geschlossen war und daß sie nicht imstande waren, sie zu öffnen.
Die geschickt gearbeitete Klinke, die Clayton an der Türe angebracht hatte, war nämlich zugeklappt, als Kerschak hinausstürzte. Die Affen wußten auch nicht, wie sie sich durch die stark vergitterten Fenster Zutritt verschaffen könnten.
Nachdem sie eine Weile um die Hütte herumgestreift waren, zogen sie sich in das Dickicht zurück, um wieder nach dem höher gelegenen Lande zu wandern, von wo sie hergekommen waren. Kala war die ganze Zeit über mit ihrem angenommenen Kinde auf dem mächtigen Baume geblieben, aber Kerschak rief sie mit den andern herunter, und da seine Stimme keinen Zorn verriet, ließ sie sich leicht von einem Ast auf den andern herunter und gesellte sich zu den andern auf den Heimweg.
Wenn einzelne versuchten, Kalas merkwürdiges Kind zu besehen, so zeigte sie ihnen knurrend die Zähne und stieß sie warnend zurück.
Als sie aber versicherten, daß sie dem Kinde kein Leid antun wollten, erlaubte Kala ihnen, näherzukommen, aber niemand durfte es anrühren.
Kala schien zu wissen, daß ihr Säugling zart und gebrechlich sei, und sie fürchtete, daß die rauhen Hände ihrer Kameraden das kleine Wesen verletzen könnten. Sie dachte an den Tod ihres eigenen Jungen, und um nicht auch ihr neues Kind zu verlieren, drückte sie dieses auf dem Marsche fest an sich, so daß der Weg für sie natürlich sehr beschwerlich war.
Die andern Jungen ritten auf den Rücken ihrer Mütter, wobei sie die kleinen Arme fest um den haarigen Hals legten, während ihre Beine sich unter den Achselhöhlen der Mutter festhielten.
Der kleine Lord Greystoke war an der Brust seiner neuen Mutter besser geborgen, und seine Händchen spielten mit den langen schwarzen Haaren ihres Busens.
Der weiße Affe
Kala