Glanz und Elend der Friedrich - Wilhelms. Helmut H. Schulz
Sachen Erziehung auch nur vorsichtig reagiert hätte. Von heute aus sind die Beziehungen zwischen ihm, seiner zweiten Frau und den Söhnen aus erster Ehe kaum noch gerecht zu beurteilen. Sie waren für die Kinder nicht gut, das mag festgestellt werden. Friedrich selbst hat anscheinend nie Klage gegen Dunkelmanns Bestrafungen geführt, er hat ihm auch noch als Erwachsener einfach gehorcht, bis zu einem Punkt, bei dem möglicherweise eher sein Erzieher im Recht gewesen ist. Da ging es vordergründig ums Sparen, in Wirklichkeit ging es um mehr, um die Befreiung des Kindes von der Vormundschaft, was man heute als einen Generationenkonflikt mehr oder minder zutreffend bezeichnet.
Mit dem Einzug Dorotheas begannen sich die Beziehungen zwischen Vater und Sohn rasch zu verschlechtern. Dafür gibt es keine offenliegenden Gründe. Unmittelbar nach dem Tode der geliebten Luise Henriette hatte sich Friedrich Wilhelm zurückgezogen und nach Art heftiger Charaktere gegrollt - mit dem Schicksal, das ihn genarrt und alles genommen, mit seiner Einsamkeit, die er nicht gut ertrug. Er brauchte Leben, Aufruhr und die Genugtuung einer Tat um sich herum. Er hat, so wird berichtet, auch die Möglichkeit eines morganatischen Verhältnisses zu einer Frau erwogen, was ihm aber sicherlich nicht lag. In einer solchen Ehe wird die Frau zwar kirchlich getraut, tritt jedoch nicht in alle Rechte einer Ehegattin ein, sie erhält nur die Morgengabe, das Morganat, nicht aber das volle Witwenrecht. Auch ihre Kinder treten nicht in das ganze Erbe ein. Mit einem Wort: es handelt sich um eine Missheirat, eine Mesalliance. In einer solchen Beziehung liegt der Reiz entweder im Verbotenen, wozu man ein standhafter Charakter oder ein Phlegmatiker sein muss, oder es handelt sich um eine Neigungsehe, wie sie häufig vorkam. Der Große Kurfürst mag etwas anderes gesucht haben, ein berechenbar-unberechenbares Glück von der Art, wie es ihm Luise Henriette geboten, auch kein galantes Verhältnis mit seinen Zweideutigkeiten. Ob ihn Gewissensgründe von einer morganatischen Ehe abgehalten hätten, ist zu bezweifeln, da das religiöse wie kirchenrechtliche Trauungsverfahren zwischen den Glaubensrichtungen keineswegs ganz geklärt war. Luther hatte das katholische Ehesakrament für zweifelhaft gehalten, aber dennoch die kirchliche Trauung beibehalten. Der Kurfürst Joachim I., in dessen Lebens- und Amtszeit die Reformation fällt, hatte diese verworfen. Kurfürst Joachim II. wurde zwar ihr Anhänger, führte aber im Schmalkaldischen Krieg auf Seiten des Kaisers gegen die Reformierten Krieg und verleibte sich seelenruhig die Kirchengüter Brandenburgs ein. Elisabeth, die Kurfürstin, nahm 1525 das Abendmahl in lutherischer Gestalt und flüchtete vor ihrem Herrn Gemahl 1528 nach Wittenberg. Aber 1613 trat ein brandenburgischer Kurfürst zum Kalvinismus über; kurz, es hat ein erhebliches Nebeneinander in Glaubensfragen geherrscht. Melanchthon hat Ehen zur linken getraut, zumindest Fürsten, was im Klartext heißt, er ließ eine zweite Gattin rechtlich zu und wie eine ehelich Angetraute gelten, ja, er lieferte auch die entsprechende Auslegung der Schrift für dieses Verfahren, was sicherlich zu den höchsten Mysterien des wahren Glaubens zu rechnen ist. Allein der Große Kurfürst und Witwer suchte etwas Besseres, als dieses schwierige Durcheinander von Konkubinat und christlicher Ehe, und heiratete einfach standesgemäß. Dennoch, diese böse Dorothea blieb über zwanzig Jahre an der Seite des Großen Kurfürsten, sie wurde seine getreueste Begleiterin auf all seinen Reisen und Feldzügen, sie stand ihm bei seinen Erkrankungen zur Seite, und sie war bei ihm bis zum Tode, wirklich also, bis daß der Tod sie schied. Ihr wird nachgesagt, sie habe einen ihrer eigenen Söhne auf den Thron zu bringen versucht und einen der erstgeborenen Söhne des Kurfürsten verdrängen wollen. Ja, und?, antworten wir, was weiter? Es mag stimmen, und wie die Verhältnisse lagen, war es nur natürlich, dass sie dies anstrebte. Freilich ist es ihr nie gelungen, die Sympathie ihres Stiefsohnes Friedrich zu gewinnen, der von Anbeginn etwas gegen diese Stiefmutter gehabt hat. Die Dinge sollten bald eine Wendung nehmen, die Friedrich überraschend zum Kronprätendenten machten.
Der Thronfolger Karl Emil war seinem Vater ins Feldlager gefolgt. Es geht gerade um den neunjährigen Krieg, um das Erbe Holland. Aus verschiedenen Gründen, die wir hier übergehen dürfen, hatte sich der Kurfürst dazu entschlossen, in Straßburg zu überwintern. Größere Feldzüge waren damals zur Winterszeit nicht möglich. Im Dezember 1674 brach im Lager die Ruhr aus, und Karl Emil verstarb an dieser Seuche, neunzehn Jahre alt. Der Vater und Kurfürst zeigte sich ob dieses neuen Verlustes tief erschüttert; er hatte diesen ihm nachgeratenen Bengel sehr geliebt, und den musste er nun auch noch verlieren, nachdem ihm schon die geliebte Frau genommen worden war. Bewegt veranlasste er die Überführung der Leiche seines Sohnes nach Berlin, um ihn im Dom beizusetzen. Ein Jahr weiter verließ auch die Großmutter Amalie, die verwitwete Prinzessin von Oranien, eine der Stützen des Prinzen Friedrich, diese Welt der Affereien und Allfenzereien. Die Tante, Schwester des Großen Kurfürsten, Luise Charlotte - was bei den Männern die Friedrichs, sind die Luises bei den Frauen - kam zuerst selten, später gar nicht mehr von ihrem Besitz in Kurland nach Berlin; überdies starb auch sie 1676. Eine üble Lage, nicht nur für einen Prinzen, jetzt sogar noch einen Kronprinzen, den keiner lieb hatte und der seinerseits höchstens durch seine Mittelmäßigkeit auffiel. Auch nach dem Tode Karl Emils wurde das Verhältnis zwischen Vater und Sohn kaum besser. Der Erbprinz fand seine Stiefmutter weiterhin abscheulich, eine Agrippina, die nahen mütterlichen Verwandten waren tot oder unerreichbar fern. Doch eine Frau gab es, die ihren lieben Prinz Friedrich vergötterte, auch. eine Schwester des Kurfürsten, ebenfalls Witwe, die Landgräfin von Hessen-Kassel, Hedwig Sophie. Diese Frau sollte kurzfristig eine besondere Rolle im Leben des jungen Prinzen spielen. Der Onkel Johann Georg von Anhalt, mit einer Schwester der verstorbenen Luise Henriette verheiratet, der nämliche, der auf Fritz hatte achtgeben sollen, falls sich sein Vater wieder verheiraten würde, sprang dem Neffen schon deshalb bei, weil er den Abscheu des jungen Mannes gegen die Kurfürstin Dorothea teilte. Es war ein rechtes Familientheater nach dem Muster antiker Dramen, das sich jetzt anbahnte. Selbst das Gift fehlte nicht, mit dessen Hilfe dem Schicksal nachgeholfen werden sollte.
ELISABETH HENRIETTE
Warum, fragt der Beobachter, Sozial-, Kulturkritiker, warum, zum Teufel, gibt es massenweise Bilder ernster Damen und würdevoller Herren und kaum eine gute Darstellung jugendlicher Prinzen, oder nur ausnahmsweise und ins Zwergenhafte gewendete Erwachsene? Weil das Zeitalter nicht jugendfreundlich gewesen ist, lautet die Antwort, und weil man erst einmal etwas werden musste in dieser Welt des Scheins, der Trugbilder und der harten Wirklichkeiten. Vergessen darf auch nicht werden, dass diese Pinselei für die Fürstengalerien der Herrscherhäuser bestimmt war. Kunst, wird man dem Maler gesagt haben, wird von Ihnen nicht verlangt, Monsieur, wohl aber die Darstellung der Repräsentation, der tristen Vornehmheit und des bescheidenen Größenwahns. Richten Sie sich danach, Monsieur, wenn Sie wollen, dass man Sie auch bezahlt!
Ach, unsere Elisabeth Henriette wurde von einem Hermann Heinrich de Quitter gemalt. Sein Bild zeigt eine wahrscheinlich mittelgroße Dame im Samtkleid mit bis zur Büste freien Schultern, mit schönen, zierlich gespreizten Händen, die vermutlich Grübchen aufweisen, und ein rund- ovales Gesicht mit einem leichten, vertrauenerweckenden Lächeln. Perücke trägt Elisabeth nicht, das Haar ist schlicht aufgesteckt. Diese Dame wurde nur zweiundzwanzig Jahre alt; auf dem Gemälde des Heinrich Quitter sieht sie aus wie Mitte Dreißig. Das dürfte auch angestrebt worden sein. Vorbei die Zeit der Renaissancekunst mit den erschütternd menschlichen Bildern von büßenden - gleichwohl erotischen - Magdalenen, üppig bebrüstet, von Männern mit kraftgeschwellten Hälsen und Lenden, wo jedes Bild ein Schrei der Lust und der Befreiung gewesen ist. Die Maler hatten zu malen, die Mäzene zu sehen verlernt. Was, um alles in der Welt, brachten die Leute nur aus Italien mit, in welches sie massenhaft pilgerten, vorgeblich um etwas zu lernen und die Malerei Michelangelos zu studieren? Nichts brachten sie mit, ausgenommen billig Eingekauftes, genau wie heute.
Dieses wunderbare Mädchen Elisabeth von noch nicht einmal zwanzig Jahren wohnte in Kassel und war die Cousine Friedrichs. Hier ist einzuflechten, dass sich die Stiefmutter Dorothea schon an dem älteren Karl Emil heiratsstifterisch versuchte und ihm eine Niederländerin ins Bett legen wollte. Dieser junge Mann hatte es jedoch kategorisch abgelehnt, eine andere als ein gehorsames deutsches Mädchen zu ehelichen, und die oranische Prinzessin