Lydia - die komplette Reihe. Janine Zachariae

Lydia - die komplette Reihe - Janine Zachariae


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- beige. Die Regale waren voll mit Büchern, CDs und DVDs. Er mochte wirklich Rockmusik, aber wie es aussah auch Brit Pop und Pop allgemein. Seine Bücher hatten aber keine bestimmte Richtung, alles war dabei: von Austen bis Shakespeare, über Sparks und King, bis hin zu Grisham und Patterson.

      »Eine interessante Sammlung hast du«, bemerkte Lydia staunend.

      »Danke, ich hab alles erst einmal nur so eingeräumt. Meine Mutter wollte unbedingt, dass die Kartons aus den Zimmern verschwinden. Zum Sortieren bin ich noch nicht gekommen.«

      »Ach so. Hatte mich schon gewundert, da kein roter Faden zu erkennen war. Also, entweder alphabetisch oder nach Genre oder beides gemischt.«

       »Du kennst dich wohl damit aus?«

      »Klar!«, sagte sie und schaute sich die Regale genauer an.

      »Magst mir helfen?«, fragte Tom sie.

      »Erkläre mir, wie du sie sortieren willst.«

      Sie setzten sich im Schneidersitz auf den Boden, der durch einen flauschigen Teppich sehr weich und warm war, und begannen die CDs, alphabetisch nach Genre und Erscheinungsdatum, einzuräumen.

      Dasselbe machten sie bei den anderen zwei Regalen.

      »Liest du denn viel?«, erkundigte sich Lydia anschließend.

      »Sieht man das nicht?«

      »Bücher zu haben, bedeutet nicht gleich, dass man sie alle selbst gelesen hat«, konterte Lydia.

      »Touché.« Sie setzten sich nun einander gegenüber hin.

      »Ich lese relativ viel, aber ich hab nicht alles gelesen, was hier steht. Manche fing ich an, legte sie aber recht schnell wieder weg, andere hab ich verschlungen und mehrmals gelesen und zwei oder drei muss ich noch lesen.«

      »Wie fandest du ›Das Kloster Northanger Abby‹?«

      Thomas nahm das Buch und sah es sich an, bevor er auf die Frage antwortete. Eigentlich war es eher eine Fangfrage, nie hätte sie geglaubt, dass er es wirklich gelesen hat. »Anders«, sprach er bedächtig.

      Natürlich war es anders.

      Aber das reichte ihr als Antwort nicht, also hob sie nur eine Augenbraue und wartete, ob er vielleicht doch noch was ergänzen würde. »Man merkt ziemlich schnell, dass es im Grunde ihr erstes Werk war. Auch wenn ›Verstand und Gefühl‹ als erstes fertig wurde, so fing sie ja das Kloster, in der Rohfassung sozusagen, noch vorher an.«

      Er kannte sich aus. Lydia war begeistert und fügte zudem, was Tom sagte, hinzu: »Was ich allerdings klasse finde. Austen war dabei so voller Zweifel. Lohnen sich Romane? Lesen die Leute vielleicht doch lieber Schauerromane oder kann man es sich als Frau überhaupt leisten zu schreiben? Ich liebe ihre Bücher! Heute heiraten die Leute eher mit Ende zwanzig. Jeder wundert sich und beschreibt eine Ehe als gescheitert, wenn man bereits mit 20 den Partner fürs Leben gefunden hat. Doch damals war es eher so, dass man mit 28 Jahren schon fast zu alt war, jedenfalls als Frau. Ein Mann sollte erst einmal seinen eigenen Hausstand gründen und gut verdienen, dann galt er meist auch als gute Partie.«

      Tom nickte. Lydia zuckte mit den Schultern, als sie merkte, dass sie zu schnell geredet hatte, und fühlte, wie ihr Rücken langsam durch das lange Sitzen im Unterricht und auch hier, schmerzte.

      »Wer ist denn deine Lieblingsfigur?«, wollte er nun wissen.

      »Schwer zu sagen.« Lydia zuckte mit den Schultern und stütze sich mit ihren Händen nach hinten auf.

      Sie hatte ein lilafarbenes T-Shirt mit V-Ausschnitt an und eine kurze Jeans. In dieser Position streckte sie versehentlich ihre Brust nach vorn. Sie hatte eine gute Figur, ohne viel dafür getan zu haben. Tom beobachtete sie. Als sie es merkte, setzte sie sich wieder aufrecht hin.

      »Ich tippe auf ›Elizabeth Bennet‹«, mutmaßte er, als er sich wieder konzentrieren konnte.

      »Gut möglich«, nachdenklich überlegte sie weiter. Sie könnte stundenlang über die Romane dieser Autorin sprechen, aber sie wollte einfach noch nicht alles ›raushauen. »Zudem denke ich, dass ›Mister Darcy‹ ein gutaussehender Mann war. Und du?«

      »Von den Frauen mag ich Elizabeth sehr gerne und von den Männern wäre ich wohl eher wie ›Mister Knightley‹ oder ›Bingley‹« Er blickte ihr dabei direkt in ihre grünen Augen und sie bekam eine leichte Gänsehaut.

      »Die zwei sind doch total unterschiedlich!«, stieß sie hervor.

      »Beide sind verliebt, trauen sich aber nicht, es zu sagen«, begann er und sprach leidenschaftlich, wie er es meinte. Das Mädchen saß da und wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Als sie merkte, dass sie ihn mit offenem Mund anstarrte, biss sie sich auf ihre Lippen, hörte aber weiterhin aufmerksam zu. Sie spürte ein ziehen in ihrem Bauch und wunderte sich darüber. Wollte er sie beeindrucken oder meinte er es wirklich so? Es schien beinahe so, als hätte er die Bücher nicht nur einmal gelesen.

      »‹Fanny‹ ist aber auch eine tolle Heldin, finde ich!«, bemerkte sie, um von dieser Rede abzulenken.

      »Ja, das ist sie. Lieb und chaotisch. Aber ich weiß nicht, ob sie eine Heldin in dem Sinne darstellt. Sie ist zurückhaltend und liebt seit etlichen Jahren ihren Cousin.«

      »Ja, aber das war früher durchaus legitim. Nichts Verwerfliches.«, meinte sie, verstummte dann aber. Sie wollte nicht zu viel erzählen. ›Mansfield Park‹ war das Buch, was sie lange beschäftigt hatte.

      »Das mag sein. Aber ich fände es trotzdem seltsam!«, meinte er.

      Schulterzuckend gab sie zu: »Eigentlich ist es auch romantisch. ›Edmund‹ ist ihr bester Freund.

      Es gibt schlimmeres als in seinen besten Freund verliebt zu sein.«

      Oh, arme Lydia.

      Wenn die Gefühle nicht erwidert werden, gibt es nichts Schlimmeres.

      Sie unterhielten sich noch eine Weile über die Bücher von Jane Austen, die von 1775 bis 1818 lebte.

      »Sie hat im Grunde bis zu ihrem Tode geschrieben«, meinte Lydia nachdenklich und wusste, dass das Thema vorerst beendet war, aber sie würde gerne irgendwann wieder darauf zurückkommen. Sie hätte nie geahnt, dass ein Junge so etwas lesen und auch zugeben würde.

      Diese Jugendlichen kannten sich wirklich gut aus, auch wenn sie manches etwas durcheinanderbrachten.

      »Könnte man so sagen, ja.«

      Lange sahen sie einander in die Augen und erkannten darin, eine Veränderung. Diese Gemeinsamkeit, das Wissen darum, war einzigartig.

      Sie löste sich aus dem Schneidersitz, weil sie Schritte hörte.

      »Ah, meine Mutter ist wieder zu Hause. Ich sehe mal nach.«

      Kaum hatte er es gesagt, öffnete sich seine Tür.

      »Hier bist du Tom. Oh, entschuldige, du hast ja Besuch. Wer ist deine Freundin?«, erkundigte sie sich, aber wirkte keines Wegs überrascht. Es schien, als wüsste sie bereits wer das Mädchen war.

      »Sie wohnt im Haus nebenan, Lydia Schaf.«

      »Guten Tag, Frau Hafe!«

      »Hallo, Lydia. Ich habe Kuchen mitgebracht, wollt ihr runter kommen?« Tom war immer für ein Stückchen Kuchen zu begeistern und so gingen sie mit in die Küche.

      Lydia war es etwas peinlich, aber sie musste ablehnen.

      »Tut mir leid, ich bin laktoseintolerant.«

      »Das macht nichts«, sagte Toms Mutter lächelnd. »Der Kuchen ist gänzlich ohne Milchzucker. Tom leidet auch darunter.« Sie sah ihren neuen Freund an und war erstaunt.

      »Ja, wir haben es vor einigen Monaten erfahren und seitdem geht es mir besser. Meine Mutter hat sich umgeschaut, gestern schon, und in der Stadt einen Konditor gefunden, der in seinem Sortiment


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