Lydia - die komplette Reihe. Janine Zachariae

Lydia - die komplette Reihe - Janine Zachariae


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war überrascht und gab zu: »Als ich herausfand, dass im Puddingpulver nichts ist, was ich nicht vertrage, war ich total begeistert. Denn so kann ich mir schnell einen mit Soja- oder mit laktosefreier Milch machen.«

      »Ja, da muss man auch erst hinter kommen. In einigen Sachen vermutet man so was und in anderen gar nicht und dann ist es manchmal genau umgekehrt«, erwiderte Tom.

      »Darf ich dir denn ein Stück anbieten?«, fragte Frau Hafe.

      »Aber nur, wenn wirklich genug da ist!« Lydia wusste ja nicht, wie viel so was kostet, und wollte niemandem etwas wegessen.

      »Du musst doch aber Hunger haben! Als ich meine Matheprüfung hatte, war ich hinterher so ausgelaugt, dass ich den Kühlschrank plünderte.«

      »Ach, du hattest heute Prüfung?«

      »Ja. Ich hab zwischendurch eine Banane gegessen und heute gut gefrühstückt.« Sie errötete vor lauter Fürsorge.

      »Mmh, also wir haben wirklich genug davon. Toms Vater isst keinen Kuchen und ich hab zufällig zu viel geholt, so dass auf jeden Fall mehr als reichlich übrig bleibt.«

      Lydia lächelte und freute sich über den glücklichen Zufall. Seit Monaten hatte sie schon keine Zeit mehr gehabt, selbst zu backen.

      »Gut, wenn das so ist, kann ich wohl nicht nein sagen.

      Dankeschön, Frau Hafe.«

      Natürlich war Lydia hungrig. Sie wollte es nur nicht zugeben.

      Franziska Hafe fragte Lydia alles, was auch schon Tom wissen wollte.

      »Du Ärmste! Es muss schlimm sein, seine Mutter nicht zu kennen.«

      »Manchmal fehlt sie mir, denke ich. Wenn ich Fragen habe, zum Beispiel, die mir meine Brüder unmöglich beantworten können. Aber ansonsten geht es.«

      »Hast du dann jemand anderen, den du fragen kannst?«

      Sie schüttelte verlegen den Kopf.

      »Nein, eigentlich nicht. Stephen, der Zweitälteste, hat mir die ›Bravo‹ hingelegt, als ich noch sehr jung war und gemeint, ich solle sie lesen.«

      Alle lachten. »Meine Klassenkameradinnen konnte ich ja auch nicht fragen, da sie mich dann ausgelacht hätten. Also nahm ich den Rat meines Bruders zu Herzen und las eben diese Zeitschrift, wobei mich eher die Stars interessierten«, gab sie lachend zu.

      »Möchtest du denn etwas Besonderes wissen?«, wollte Toms Mutter wissen.

      »Oh, äh, nein, danke.«

      »Wie war es denn für deinen Vater?«, erkundigte sich Franziska weiter.

      »Drei Jungs und ein Mädchen zu haben?« Lydia dachte darüber nach und inspizierte in der Zwischenzeit die Küche, die wirklich wundervoll aussah, marmorierte Arbeitsflächen, ein gigantischer Kühlschrank, wie man ihn eigentlich nur aus Amerika her kennt, und allgemein bot dieser Raum viel Platz, um mit der gesamten Familie an Weihnachten Plätzchen backen zu können. Warum sie plötzlich an Weihnachten denken musste, wusste sie nicht. Sie lächelte Frau Hafe an und beantwortete die Frage von Frau Hafe.

      »Und wie alt ist der Älteste?«

      Lydia erzählte freudestrahlend und wild gestikulierend über ihre Familie. Sie war stolz auf ihre Brüder.

      »Der Altersunterschied ist ziemlich groß«, sagte Frau Hafe nachdenklich und betrachtete Lydia dabei sehr mitfühlend.

      »Das stimmt! Mein Vater war erst 20 und nach einer Pause hat er sich weiter seinem Studium gewidmet«, erklärte Lydia. Frau Hafe hörte ihr aufmerksam zu.

      »Ich glaube, als meine Mutter fortging, hat es meinen Vater sehr zurückgeworfen. Er nahm erst einmal Vaterschaftsurlaub, danach hat er seine Arbeit oft von zu Hause aus erledigt, oder mich mit ins Büro genommen, dort gab es eine Krabbelgruppe. Jedenfalls hat er es mir mal erklärt, wie er das alles angestellt hat, als ich ihn fragte«, meinte sie nachdenklich und bemerkte, wie sich etwas im Blick von Frau Hafe veränderte. Doch erzählte sie weiter und versuchte zu erklären, wie ihr Vater sich um alles kümmerte und was ihre Brüder für sie machten, als diese alt genug waren. Kindergarten, Schule. Irgendwie haben sie es auch ohne Mutter geschafft. Es konnte nur klappen, weil sie zusammenhielten. Ihre Brüder ließen sie nicht im Stich, sondern kümmerten sich um sie.

      Sie trank etwas Kaffee und nahm eine Gabel voll Kuchen, er war sehr lecker und sie fand es lustig, dass Tom dasselbe durchmachte. Dann fügte sie hinzu: »Es kommt bestimmt so rüber, als sei meine Mutter herzlos.

      Aber ich denke mal, sie war nur überfordert. Drei Jungs sind sicherlich stressig. Und als der jüngste dann schon soweit war, um in die Kindergrippe zu gehen, war ich plötzlich unterwegs. Und alles fing von vorne an.

      Meine Mutter hatte keine Zeit für sich, sie war immer nur für die Kinder da und hat ihr Leben hinten angestellt«, versuchte sie zu erklären. Manchmal konnte Lydia nicht anders, sie verteidigte jene, die ihr Schmerzen zufügten, auch wenn es unbewusst war.

      »Wie kommst du darauf?«, wollte Tom wissen.

      »Nun, ich habe nie ein schlechtes Wort über sie gehört. Nie hat sich jemand in meiner Familie beklagt und wenn, dann nicht in meiner Gegenwart. Ich glaube oder hoffe, dass sie mich vermisst, aber nicht zurückkommen kann. Vielleicht hat mein Vater sogar noch Kontakt zu ihr, wer weiß«, plapperte sie und schaute Tom mit ihren großen Augen an, als wollte sie sagen: ›Ich hoffe, dass es einfach so ist, wie ich es mir denke.‹

      »Sicherlich. Keine Mutter kann ihr Kind vergessen. Sie wird bestimmt ihre Gründe gehabt haben«, sagte Franziska in einem Ton, der mütterlich klang. Lydia zuckte mit den Schultern.

      Sie dachte oft darüber nach, hatte aber noch nie so ausführlich davon geredet. Zu Hause vermied sie das Thema. Sie sah zur Uhr an der Wand, es war fast vier.

      »Musst du los?«, hakte Frau Hafe nach.

      »Nein, Entschuldigung. Es ist eine dumme Angewohnheit von mir, ständig auf die Uhr blicken zu müssen. Ich muss erst zum Abendbrot zu Hause sein.«

      »Dann ist es ja gut.«

      Sie nickte.

      »Wollen wir wieder hoch?«, fragte Tom.

      »Okay. Danke für Kaffee und Kuchen!« Toms Mutter lächelte und beobachtete sie so lange, bis sie die Tür von Toms Zimmer hörte.

      Sie atmete tief durch, nahm das Telefon in die Hand und telefonierte so lange, bis sie erneut die Tür hörte.

      »Deine Geschichte ist irgendwie traurig!«, bemerkte er, als sie die Stufen hoch gingen.

      »Warum traurig?«

      »Ich weiß auch nicht«, meinte er und fuhr sich mit der Hand durch sein Haar, »du wächst ohne Mutter auf, dein Vater arrangiert sein Leben um dich herum und deine Brüder müssen, obwohl sie selbst noch jung sind, auf dich aufpassen.«

      »Ja, aber ich glaube, sie haben es gerne gemacht.

      Ich hab nie angenommen eine Last für sie zu sein. Zumindest hab ich nie etwas gemerkt!«

      »So meinte ich das nicht!« Er setzte sich auf die Couch in seinem Zimmer, sie sich in einen Sessel.

      »Wie dann?«, wollte sie wissen und war gespannt, was er zu sagen hatte. Tom musste erst einmal nach den richtigen Worten suchen und runzelte dabei die Stirn, zuckte mit den Schultern und meinte, er wäre selbst überfordert, wenn er in einer ähnlichen Situation wäre. Natürlich stimmte das auch, wie Lydia wusste. Die Jungs brauchten damals auch ihre Freiräume. Sie wusste aber auch, dass sie pflegeleicht war und nie viel verlangt hatte. Sie war selig, wenn sie einfach im Gras saß und ihren Brüdern zu sehen konnte. Sie malte, las oder schlief.

      Ihre Stimme zitterte etwas, während sie dies alles erzählte.

      Sie war sich sicher, dass es niemand bereuen würde.

      Manchmal


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