Kampf um Katinka. Thomas Pfanner

Kampf um Katinka - Thomas Pfanner


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Hatte noch nie mit einem netten Problem zu tun. Komme was wolle, meine Leute sind zu jeder Schandtat bereit.«

      Tanner verkniff sich ein Lächeln. Die Angewohnheit des Majors, seine kleinen Scherze mit todernster Miene rauszuhauen, war wirklich nicht jedermanns Sache. Drei Minuten später hatte der Kommandant die wesentlichen Eckdaten ausgebreitet und der Major schaffte es tatsächlich, seinem Gesicht ein paar Sorgenfalten hinzuzufügen, obgleich nicht sofort ersichtlich war, wo auf dem eckigen und verkniffenen Antlitz der Platz dafür hergekommen war.

      »Verstehe. Das ist wirklich ein hässliches Problem. Wie soll ich es lösen?«

      Pragmatisch wie immer konzentrierte sich der Soldat auf das Naheliegende.

      »Im Kern machen wir es wie immer. Nachdem wir längsseits gegangen sind, werdet ihr rübermachen und die Lage klären. Der einzige aber zugleich extrem wichtige Unterschied besteht in der Notwendigkeit einer gewissen Zurückhaltung beim Schusswaffengebrauch. Daraus erwächst ein ziemliches Risiko für die eigene Sicherheit, soviel ist klar. Was wir hingegen ganz und gar nicht gebrauchen können, ist eine angeschossene Prinzessin.«

      »Verstehe«, wiederholte Anheuser und diesmal klang es so, als wollte er mit seinem breiten Kiefer ein Stück Blech zermalmen. Er schätzte die gute alte Rein-Raus-Taktik, auf alles schießen, was sich bewegt, ohne zu fragen oder zu zögern, und dann unverzüglich umkehren. Enteraktionen im freien Raum wurden praktisch nie zur Rettung oder Gefangennahme von Menschen unternommen. Damit hatten die Füsiliere in der Regel keine Last, da die Waffentechnik mit der Technologie der Panzerung in einem stabilen Ungleichgewicht zueinanderstand. Einen Wirkungstreffer zu landen gestaltete sich extrem schwierig, wenn er jedoch gelang, gab es für die komplette Besatzung des getroffenen Schiffes kaum Überlebenschancen. Daher ging es beim Entern um die Rettung oder Eroberung von Datenträgern, Papieren oder anderen Geheimnissen.

      Hinter der Stirn des Majors arbeitete es. Als Frontoffizier benötigte er nicht lange, um zu einem ersten Ergebnis zu gelangen.

      »Schätze, ein gewöhnlicher Frontalangriff zieht diesmal nicht. Die sehen uns kommen, töten die Prinzessin oder schieben sie als Geisel in den Flur zwischen uns. Im letzteren Fall wird aus der Veranstaltung eine fiese Hängepartie mit offenem Ausgang. Ich schlage daher eine taktische Täuschung vor. Diese Jacht ist nicht übermäßig groß, deshalb muss ein Loch im Rumpf reichen. Wenn ihr zwei oder drei Löcher reinballert, entlüftet der ganze Kahn und es gibt nichts mehr zu retten. Also ein Loch, durch das ein Trupp in Standard-Vorgehensweise aufentert. Ich komme derweil durch den Ionenhammer ins Schiff.«

      Tanner atmete scharf ein, seine Fähigkeit, sich die Dinge plastisch vorzustellen, gab ihm einen Vorgeschmack auf das, was Anheuser gerade vorzuschlagen im Begriff war.

      »Der Trupp, der durchs Loch kommt, lässt sich aufhalten, verzettelt sich, biegt falsch ab, irgend so was, was die Situation gerade hergibt. Alle im Schiff befindlichen Verteidiger sollen sich auf den Trupp konzentrieren, gleichzeitig aber keine übergroße Besorgnis entwickeln. Wenn die in Panik geraten, wäre es nicht so gut um unser Ziel bestellt. Wir gehen von hinten durch die kalte Küche und überraschen sie. Ende der Geschichte.«

      Tanner bewunderte die Entschlusskraft Anheusers, insbesondere in Verbindung mit dem grenzenlosen Optimismus, den der Major wie einen Schild vor sich hertrug. Natürlich wussten sie beide, dass jede andere Gemütsregung nicht zu seinem Körper, seiner Haltung und seinem Gesichtsausdruck passte. Ein Kerl wie er musste einfach optimistisch gepolt sein, in einem solchen Muskelgebirge erwartete man ganz sicher keinen Bedenkenträger. Mit den real drohenden Risiken hatte das wenig zu tun, nur dachte der Major nicht in Kategorien wie Risiko. Sein Ansatz lautete: Ignoriere ein Risiko, dann ignoriert es auch dich.

      »Ganz so kalt wird die Küche nicht sein. Wenn die da drüben fliehen wollen, wird es heiß im Antriebsteil, sehr heiß.«

      »Nichts, was unsere Körperpanzer nicht vertragen könnten. Alles, was wir brauchen, ist ein Loch im Antriebsstrang, dann kühlt das Weltall den ganzen Bereich in Minuten.«

      Tanner nickte. Es hatte keinen Zweck, weiter über die Gefahren und Unwägbarkeiten des kommenden Einsatzes zu diskutieren. Der Kommandant gab das Ziel vor und der Frontoffizier entschied über die taktische Variante. So hatten sie es immer gehalten, im Gegensatz zu der strikten Hierarchie, die vom Flottenkommando vorgegeben wurde, aber eben auch immer erfolgreich. Tanner vertraute seinen Leuten, so wie sie ihm vertrauten. Anders konnte er sich sein Kommando nicht vorstellen. Man musste sich im Leben entscheiden, auf welche Weise man die Dinge anpackte. Ob man daran zugrunde ging oder obsiegte, lag nicht notwendigerweise in den eigenen Händen. Insofern war es müßig, sich Sorgen zu machen.

      »Gut, genehmigt. Achtet auf guten Funk, wir werden wahrscheinlich was improvisieren müssen. Schaffe deine Leute in den Absetzhangar, es bleibt nicht mehr viel Zeit.«

      Als hätte er es beschrien, ertönte die weiche Stimme Nagama Tais: »Die haben uns bemerkt. Ionenhammer wird hochgefahren. Beschleunigung setzt ein.«

      »Also schön. Dwight, drei Minuten bis X-Beschleunigung.«

      Der riesenhafte Füsilier knurrte nur abschätzig, stemmte sich aus dem Sessel und marschierte mit raumgreifenden Schritten davon. Die Brückencrew überprüfte still noch einmal peinlich genau die Gurte. Nazifa drehte den Kopf zur Seite, nahm Blickkontakt zu Nagama Tai auf, die etwas erhöht an der Seite der Brücke ihren Platz hatte, nahm ihr Nicken auf und sagte:

      »Die Jacht ist uns unterlegen. Die in der Datenbank aufgeführten acht g übertrifft sie nicht. Mit augenblicklicher Beschleunigung verlängert sich die Aufholjagd um mehr als eine Stunde. Ich schlage vor, wir gehen auf x plus drei und verkürzen um dreißig Minuten.«

      Sie musste die Gründe und die daraus erwachsenen Schwierigkeiten für die Besatzung nicht erwähnen, zu oft waren derartige Manöver schon notwendig gewesen.

      »Gut, zwei Minuten dreißig. Schwerer Beschleunigungsalarm.«

      Der Erste Offizier berührte eine winzige Taste und schon dimmte die Beleuchtung auf ein fahles Halbdunkel, einzelne Lampen begannen zudem, in düsterem Gelb zu blinken. Gleichzeitig raste ein Alarmton durch Schiff, der an das Kratzen an einem rostigen Eimer erinnerte. Durch den Alarm machten sich alle Besatzungsmitglieder binnen Kurzem bereit, größere Belastungen zu ertragen. Normalerweise schaffte der Ionenhammer etwa zwanzig g, soviel vermochte der Gravitationsnegator auszugleichen. Eine höhere Beschleunigung war möglich, in diesem Fall reichte die Energie jedoch nicht aus, das mehr an Beschleunigung auszugleichen. X plus drei bedeutete, drei g mehr vom Antrieb abzurufen, als der Negator aufzufangen in der Lage war. Die Besatzung würde also für die nächste Zeit drei Mal soviel wiegen wie üblich.

      »Fangen wir sie ab, bevor sie den Bereich für Krümmung erreichen?«

      »Auf jeden Fall, Skipper, sie bewegen sich von uns weg und wir kommen aus der Krümmungszone. Bis sie auf der anderen Seite des Systems wieder in den sicheren Bereich gelangen, haben wir sie auch zu Fuß eingeholt.«

      Tadeusz Duda antwortete flapsig, offensichtlich wollte er dem Ersten ein wenig nacheifern. Tanner schnaufte amüsiert durch und wandte sich an den Waffenoffizier: »Istvan, du weißt, was das Ziel ist. Sanfte Gewalt ist das Gebot der Stunde. Erst bewegungsunfähig machen, dann ein schönes Loch schneiden, möglichst weit weg von der Zentrale. Zum guten Schluss ein tiefer Schnitt in den Antriebskanal. Kriegst du das hin?«

      Eine rein rhetorische Frage, dennoch musste sie gestellt werden. Der kleine Mann lächelte spitzbübisch und machte eine wegwerfende Geste: »Kein Problem. Eine Jacht ist kein ernsthafter Gegner.«

      »Schon richtig. Wollen wir hoffen, dass die Burschen da drüben auch zu dieser Erkenntnis kommen.«

      Tanner zog seine Stirn in Falten. Das womöglich bevorstehende Gefecht bereitete ihm keine ernsthaften Sorgen. Wesentlich konkreter erschien ihm dagegen die Möglichkeit, die Leute da drüben könnten sich noch kurz vor knapp ihrer brisanten Fracht entledigen. Sollte sich die Prinzessin tatsächlich an Bord befinden und sollte der Teil der Besatzung, der erst für die Notwendigkeit des Notrufs und anschließend für das abrupte Ende desselben gesorgt hatte, sich dazu entschließen, die Prinzessin über Bord gehen zu lassen, dann würde es wirklich


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