Kampf um Katinka. Thomas Pfanner

Kampf um Katinka - Thomas Pfanner


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hatte, sich zu unbotmäßigen Widerworten aufzuschwingen, verbat sich von selbst. Der Großadmiral beliebte zudem seinen schwachen Punkt zu treffen, in dem er sich der Ironie bediente. Damit konnte Attacant nicht umgehen. Eine passende Erwiderung würde ihm auch in hundert Jahren nicht über die Lippen kommen, ergo gelang ihm nichts Besseres als ein Wutausbruch, der anstelle direkterer Maßnahmen den Widersacher niederringen sollte. Minutaglio lächelte sanft in Erwartung einer längeren Brüllattacke, die er mit verräterischen Zuckungen in den Mundwinkeln weiter in die Länge zu ziehen gedachte. Auch die Spitze der Regierung gab sich gerne kleinen Spielchen hin, die man eher in einem Kinderhort erwarten durfte als in den erlesen Kreisen im hundertsten Stock des Flottenturms. Natürlich verband der Großadmiral als ausgebuffter Taktiker mit diesem kleinen Trick die Hoffnung, dass sein Widersacher vor lauter Wut und verletzter Eitelkeit sein eigentliches Anliegen aus den Augen verlor.

      Beide hatten ihre Rechnung ohne den Sicherheitsdirektor gemacht. Taragona stellte in die Pause hinein, die von den beiden anderen zum Atemholen benötigt wurde, seine Teetasse mit einem Klirren auf dem Tisch ab, gerade laut genug, um die Anwesenden aufmerken zu lassen. Mit einer Stimme, die angenehm warm klang und dadurch einen geradezu schockierenden Kontrast zu seinem furchterregenden Gesichtsausdruck bildete, warf er einen einzigen Satz in die Runde:

      »Nicht das Schiff ist der Held, sondern die Besatzung, allen voran der Captain.«

      »Wie?« Attacant brachte sein Erstaunen mit pfeifendem Ausatmen zum Ausdruck, was ein wenig an die typischen Geräusche der verbeulten Kessel erinnerte, mit denen die Niederen den Tee bereiteten.

      »Ich sehe kein Problem. Wie die hochwohlgeborenen Diener der Kaiserin unzweifelhaft wissen, war es notwendig, die Arbeitsleistung des gemeinen Volkes über alle Maßen zu steigern. Die Psychologie des Krieges lehrt uns, dass es der Motivation förderlich ist, wenn es gelingt, einen Vertreter des gleichen Standes zu einer Heldenfigur aufzubauen. Nichts weiter geschah, der Erfolg gab uns recht. Ich stimme mit dem hochverehrten Reichsprotektor in der Frage bezüglich der Stände überein und demzufolge gilt es nun, dem Volk seinen Helden wieder zu entreißen. Der Held ist dieser Kolonist Tanner, der sich angemaßt hat, ein Schiff zu führen. Er ist den schlichten Gemütern ein strahlender Held, aber wir sind es, die über die Frage befinden, ob und wann sich dies ändern wird. Wir gebieten über die Medien und alle Informationskanäle. Was wir verbreiten, wird geglaubt. So einfach ist das. Das Schiff selbst ist den Leuten gänzlich gleichgültig. Tanner allein ist der Kristallisationspunkt. Fällt er in Ungnade, ist dem Volk das Schicksal des Schiffes herzlich gleichgültig. Es gilt mithin, ihn als den zu entlarven, der er ist: ein erbärmlicher Emporkömmling.«

      So wie du, fügte der Großadmiral in Gedanken hinzu, ohne einen Hauch von Gemütsregung auf sein Gesicht zu lassen. Er hatte keine Vorstellung von den Motiven des KSD-Chefs, der den angesprochenen Kommandanten gar nicht kannte, ihm niemals begegnet war. Die Staatsraison genügte wohl als Motivation, vielleicht auch die hellsichtige Erkenntnis, es selbst niemals auch nur zu Anerkennung durch das Volk zu bringen, ganz zu schweigen von der Verehrung, die Tanner genoss. Bei dem Versuch würde Taragona erstmals die Grenzen seiner Beeinflussungsmaschinerie kennenlernen. Daneben bezweifelte Minutaglio die Behauptung des kleinen Mannes sehr. Das Volk bildete sich seine Meinung nicht ausschließlich aufgrund der staatlich vorgegebenen Informationen. Die Mundpropaganda erst hatte den farblosen und ganz und gar unpolitischen Kommandanten zum Supermann aufgebläht. Aber natürlich war dem KSD-Chef alles, was sich nicht unter seiner absoluten Kontrolle befand, völlig fremd. Und in seinen Augen befand sich alles unter seiner Kontrolle, absolut alles.

      »Was genau schwebt Euch vor?«

      Attacant schaute den Sicherheitsdirektor durchdringend an.

      »Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen. Der Held verschwindet auf genau die gleiche Weise von der Bühne, mit der er sie einst betrat. Auf die Heldentaten folgen die Untaten. Ich werde eine Situation arrangieren, in der er einen verhängnisvollen Fehler macht und natürlich wird dieser Fehler zeitnah dokumentiert und verbreitet.«

      »Darf ich es etwas genauer erfahren? Unterlasst die nebulösen Anspielungen.«

      Minutaglio nickte beifällig. Gut, dass der Kardinal diese Frage stellte, so musste er sich nicht in den Ruch der Anteilnahme für seinen besten Kommandanten begeben. So, wie es aussah, hatte er für heute verloren. Seine Gäste waren in der Überzahl und zu allem entschlossen. Er persönlich fand die Ansichten der beiden ideologisch verblendet und einfach dumm, doch was sollte er unternehmen? Ein Großadmiral und Chef der Flotte rangierte in der heiligen Hierarchie des Kaiserreiches erst an dritter Stelle, direkt nach dem Kardinal, aber eben hinter ihm. Da war der Sicherheitsdirektor als graue Eminenz aus dem Hintergrund noch gar nicht eingerechnet. Minutaglio machte sich im Geiste eine Notiz und hörte weiter den Erläuterungen zu.

      »Eine Falle. Er wird in eine Situation gelockt, in der er nur noch die Alternative hat, sich selbst zu entlarven. Anschließend wird dem Volk gebetsmühlenhaft die Aufzeichnung vorgespielt, der Mann selbst in einem Schauprozess abgeurteilt und hingerichtet. Das Schiff wird komplett neu bemannt und bricht zu neuen Heldentaten auf. Ende der Affäre. Alles, was nun noch fehlt, ist die Anwesenheit dieses Subjektes auf Horave.«

      Der Kardinal überlegte eine Zeit lang, zumindest gab er seinem Gesicht diesen grüblerischen Gesichtsausdruck, den er stets aufsetzte, bevor er eine Entscheidung fällte. Schließlich verzog sich seine Miene zu einem heiteren Lächeln.

      »Fein, ich bin überzeugt. So machen wir es. Ich hoffe, Euer Vorhaben geht rasch über die Bühne. Wo befindet sich die Grizzly zurzeit? Die Schlacht bei den drei Sonnen ist doch schon mehr als drei Wochen vorüber.«

      Der Großadmiral lächelte falsch.

      »Ich glaube, Ihr wisst um die Direktive dreizehn. Mit Kolonisten bemannte Schlachtkreuzer dürfen das Zentral-System nicht ansteuern. Dies nur, um das geringe Restrisiko eines fehl geleiteten Gemeinen, der an der Konsole seines Planetenbrenners einige fatale Handgriffe tun könnte, zu vermeiden. Daher bewegt sich das Schiff an der äußeren Schale unserer Sphäre entlang. Man nennt es Patrouille.«

      Einen Rest an Spott mochte Minutaglio nicht unterdrücken. Seine beiden Gäste wollten ihn in die Schranken weisen, ihm innerhalb ihres Zirkels die Rolle des Bedeutungslosen zuweisen. Natürlich, der Krieg war aus. Nur war er in den letzten hundert Jahren immer wieder aus gewesen, immer wieder hatten die zivilen Machtpolitiker der Versuchung nicht widerstehen können und ihre Militärs zu entmachten versucht. Luxus statt Rüstung lautete dann für einige Zeit die Devise. Immer wieder war für diesen Fehler ein hoher Preis zu entrichten gewesen. Ein Edler zu sein bedeutete nicht automatisch, gegenüber dem Rest der Welt über einen intellektuellen Vorsprung zu verfügen. Taragona schnitt die defätistischen Gedanken ab, indem er mit leiser, beinahe freundlicher Stimme meinte:

      »Nun, dann wird es Zeit, unsere tapfere Kolonisten mit einer Einladung in das Zentrum der Macht zu belohnen.«

      *

      Das Schott glitt auf und der danebenstehende und immer schweigsame wachhabende Füsilier schnarrte:

      »Kommandant auf der Brücke!«

      Die Crew drehte sich erwartungsvoll zu ihrem Captain herum, der Zweite Offizier Duda räumte seinen Stuhl und nickte konzentriert. Roscoe Tanner machte kein Aufheben um seinen Status, auch deshalb respektierte ihn seine Besatzung. Beinahe lässig hob er die rechte Hand und zeigte die Handinnenfläche, während er mit den für ihn so typischen langen und langsamen Schritten seinem Stuhl näherte und mit einer fließenden Bewegung Platz nahm. Er war ein nicht übermäßig großer Mann, durchtrainiert wie alle Besatzungsmitglieder, mit einem scharf geschnittenen Gesicht, in dem die leicht knollige Nase nicht so sehr auffiel wie die großen, brauen Augen, die stets einen melancholischen Ausdruck aufwiesen. Seine Stimme klang warm und weich und ein ganz klein wenig nasal, als er Nagama ansprach:

      »Also gut, wie ist der aktuelle Stand?«

      Die überschlanke Ortungsspezialistin erwiderte den fragenden Blick des Kommandanten und antwortete, ohne sich zu ihrem Pult umdrehen zu müssen:

      »Wir haben den Notruf eines Schiffes, das vorgibt, eine Kaiserliche Jacht zu sein, in Wahrheit aber allenfalls eine ganz normale Mittelstreckenjacht


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