Aeternitas - Die komplette Trilogie. Sabina S. Schneider

Aeternitas - Die komplette Trilogie - Sabina S. Schneider


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Sarah mich ihren Freunden empfiehlt, kann ich vielleicht ein kleines Zimmer anmieten in einer WG. Verträumt lächle ich, als Sirenen mich grausam aus meinem Tagtraum reißen. Die Polizei! Mein Körper verkrampft sich und ich muss mich zwingen, nicht zu rennen. Sie sind nicht hinter dir her, spreche ich mir zu und kralle mich an meinem kleinen Traum fest. Presse meine verfluchten Lippen aufeinander, bis das Blut aus ihnen weicht, dann finden meine Zähne meine Unterlippe und ich beiße zu, als der Polizeiwagen direkt an mir vorbeifährt.

      Wie sehr ich meine Lippen hasse, meinen Mund … als ein leises Wimmern ihm entflieht. Ja, ich habe mich damals selbst verraten, mein Geheimnis geteilt und bin dafür bestraft worden. „Du kannst niemandem vertrauen“, keift eine innere Stimme tief in mir, als ich mich selbst verfluche. Ja, ich kann niemandem vertrauen, vor allem nicht mir selbst. Ich balle die Hände zu Fäusten, als ein Mann an mir vorbeigeht und für wenige Sekunden sein Dreitagebart nicht nur das Kinn bedeckt, sondern sein ganzes Gesicht einem Urwald gleicht. Ich schüttle den Kopf und schreite an ihm vorbei, als würde ich kein haariges Monster sehen. Als wäre ich wie jeder andere Mensch auf dieser Straße, in dieser Stadt und auf dieser Welt. Als wäre ich normal.

      Während ich zu dem Schließfach mit meiner schwarzen Tasche gehe, weiß ich doch, dass ich nicht normal bin und die Nadeleinstiche, die mich für immer als das markieren würden, was ich bin, jucken. Ich bin eine Verrückte.

      Der Park, den ich für meine nächtliche Ruhe auserkoren habe, ist ruhig. Ich bin oft hier und kenne die Anlage in- und auswendig. Die vielen Büsche sind ein Schlaraffenland nicht nur für Obdachlose, wie mich. Mehr als einmal habe ich, auf der Suche nach dem perfekten Schlafplatz, das ein oder andere Pärchen beim wilden Liebesspiel aufgeschreckt. Der riesige See ist ein besonderer Bonus, der mich mit dem Gefühl, auf einer Campingtour zu sein, einschlafen lässt. Mir die Illusion schenkt, dass ich, freiwillig das Abenteuer suchend, Spaß habe beim Outdoor Schlafen.

      Meine Augenlider fallen zu, als mein Kopf den Boden berührt. Der Reißverschluss meines Schlafsackes ist offen, meine Hand umklammert das Butterflymesser und das Pfefferspray liegt lose in meiner Hosentasche. Das Gestrüpp, das ich mir als Schlafplatz ausgesucht habe, sollte mich vor neugierigen Augen schützen. Ich habe mich schon unbequemer gebettet. 90 Euro sind an meinem Körper an verschiedenen Stellen verteilt. BH, Höschen, Socken und Hosentaschen.

      Ich weiß nicht, woran es liegt. Vielleicht hätte ich meinen Badeanzug und mein Handtuch nicht zum Trocknen übers Gebüsch hängen sollen. Vielleicht ist es einfach nur Pech und ich ziehe sie an wie das Licht die Motte. Was auch immer es ist, als eine Hand über mein Haar streichelt, weiß ich, ich habe zu fest geschlafen. Meine linke Hand umschließt die Pfefferspraydose. Die rechte befreit mit einer schwungvollen Bewegung die scharfe Klinge meines Messers aus ihrer Schlafstellung. Ich halte still, öffne langsam die Augen und sehe drei Schatten. Einer hockt neben meinem Kopf, zwei entlang meines Schlafsacks. Mein Herz krampft sich schmerzhaft zusammen. Sie riechen nach Alkohol und Drogen. Mir bleibt nur das Überraschungsmoment.

      Ich bleibe bewegungslos, höre die drei Besoffen lallen. Ihre Worte dringen nicht zu meinem Gehirn vor. Mit einer schnellen Bewegung werfe ich den Schlafsack von mir, kneife die Augen zusammen und halte die Luft an, während ich den schweren Knopf an meinem Spray hinunterdrücke. Ich höre Schreie, rolle mich zur Seite, stehe auf und sprinte los. Hände krallen sich in mein Haar, zerren so fest, dass ich aufschreie und nach hinten falle. Ich lande auf dem Rücken und spüre, wie sich etwas Schweres auf mich hievt.

      „Halt die Schlampe fest!“, höre ich eine gequälte Stimme, bevor das Reißen von Stoff mein ganzes Wesen einnimmt. Kühler Nachtwind streichelt über meine nackte Haut. Ich schlage um mich, versuche das Gewicht von mir zu werfen, und stemme meine Hüfte hoch. Mein Messer ist mir aus der Hand gefallen und ich spüre, wie die Klinge in meine Seite eindringt, als ich mich winde. Hände packen meine Arm- und Fußgelenke.

      „Das wirst du büßen, du Drecksstück!“, zischt eine verheulte Stimme. Saurer Geruch von Erbrochenem steigt mir in die Nase, als Hände gierig über meinen Körper gleiten, drücken und kneten. Ich beiße mir auf die Lippe, bis ich Blut schmecke, schließe kurz die Augen, bevor ich ein Stöhnen aus meinem Mund presse.

      „Das scheint dem Flittchen zu gefallen“, lallt einer und lacht glücklich. Ich zwinge die Worte wie Gift über meine Lippen: „Oh, ja! Mehr! Ihr macht mich geil. Drei harte Männer. Wer will mich zuerst ficken?“ Es herrscht Stille, die Männer halten die Luft an, die Hände zucken vor mir zurück.

      „Wer von euch hat den längsten? Ich brauche einen richtigen Schwanz!“, würge ich hervor. Die Hände, die meine Armgelenke umklammert hielten, wandern von meinem Hals zu meinen Brüsten und kneten sie. Während ich lauter stöhne, tastet meine Hand zu dem Messer, das sich in meine Seite gebohrt hat. Meine andere Hand fährt zu dem Gesicht des Mannes, streichelt seinen Hals.

      Die anderen machen sich zwischen meinen Beinen zu schaffen. Auch meine Fußgelenke sind frei, während beide an mir rumfingern. Dann habe ich sie gefunden: die Halsschlagader. Mit einem Schwung ziehe ich meine scharfe Klinge über die Kehle, spüre wie warmes Blut auf mich heruntertropft. Der besoffene Perversling kann nur noch leise gurgeln.

      Ich trete nach dem Mann zwischen meinen Beinen und ziehe das Messer über den Körper des anderen. Sie schreien auf, lassen kurz von mir ab. Das Messer immer noch umklammert springe ich auf und renne zum See. Mit einem Kopfsprung bin ich im Wasser und schwimme mit aller Kraft, die mein zitternder Körper hergibt. Meine rechte Hand umklammert immer noch das Messer. Alles um mich herum ist schwarz. Doch es ist mir egal, ich schwimme immer weiter, weiß nicht mehr, wo oben und wo unten ist.

      Etwas schlingt sich um meinen Körper und zieht mich hinab in die Tiefe. Wasser dringt in meine Lungen, als mich plötzlich das Nichts umgibt. Ich werde in der Leere, in der nichts existieren kann, zusammengepresst. Weder schwarz noch weiß. Nichtexistent. Ich falle und fliege gleichzeitig, löse mich auf, als das Nichts mich erreicht. Nur noch ein Kern von mir existiert, alles, was mich ausmacht, auf einem Atom zusammengepresst, explodiere ich, dehne mich wie ein Luftballon aus.

      Mein Körper schreit vor Schmerzen, ich schlage um mich und spüre statt Wasser, kleine Steine unter meinen Fingern. Ich schlage die Augen auf, als heiße Sonnenstrahlen mich begrüßen. Mein Kopf schmerzt und meine Seite brennt. Ich liege nackt an einem Ufer. Bin ich ohnmächtig gewesen? Husten schüttelt meinen Körper, als ich würge und schmutziges Wasser sich aus meinen Körper presst. Mit müden Muskeln ziehe ich mich aus dem Wasser. Zitternd sitze ich nackt am Ufer. Habe nichts außer Socken an.

      Verflucht! Meine ganzen Sachen sind irgendwo an diesem riesigen See und ich bin nackt am helllichten Tag. Ich zittere, als die Erinnerung an die Hände auf meinem Körper mich überwältigt. Wütend wische ich mir aufsteigende Tränen aus den Augen. Ich habe zwei mit dem Messer verletzt, einen vielleicht getötet. Unbewusst fährt meine Hand zu der Wange, auf die das warme Blut geflossen ist. Die Polizei wird die Ufer absuchen. Mein Körper verkrampft sich. Ich kann nicht zurück in die Anstalt. Egal, was ich sage, ob es nun Notwehr war oder nicht, sie werden mich in eine Gummizelle sperren und nie wieder rauslassen.

      Ein leises Wimmern entflieht meinem Mund. Ich zwinge meine Augen auf und versuche die Gegend abzusuchen. Vielleicht gibt es hier Camper, ein herumflatterndes Handtuch. Ich könnte sagen, dass mein Ex meine Kleider geklaut hat. Oder das ich Opfer eines grausamen Streiches meiner Klassenkameraden geworden bin. Wehmütig streife ich meine nassen Socken ab und vergrabe sie mit den vierzig Euro neben einem seltsamen Gebüsch. Die Blätter sind lila auf der oberen Seite und weiß auf der unteren. Noch nie habe ich solch eine Pflanze gesehen. Ich sammle fünf Steine und lege sie in X Form aneinander.

      Dann husche ich von Gebüsch zu Gebüsch. Schaue mich um und sehe nichts Bekanntes. Keine Menschenseele. Die Sonne prallt erbarmungslos auf meine entblößte Haut. Ich schaue mich um, weit und breit ist nichts zu sehen. Kein Haus, keine Bäume. Eine Art Sumpf breitet sich vor mir aus, erinnert kaum an den See, an den ich mich gestern Nacht hingelegt habe. Wo bin ich nur gelandet? Habe ich es nicht geschafft? Bin ich in dem See ertrunken und in der Hölle angekommen? Meine Glieder werden schwer, jeder Schritt kostet mehr Kraft, als ich aufbringen kann. Dann falle ich und schlage hart auf dem Boden auf, verliere kurz das Bewusstsein, als ich ein Summen höre. Flackernd heben sich meine Augenlider


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