Aeternitas - Die komplette Trilogie. Sabina S. Schneider

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Aber ich denke, ich kann helfen.“ Er krempelt seinen linken Ärmel hoch, tippt auf etwas herum, das wie eine riesige Uhr aussieht, geht auf Lilly zu und hält das Display über ihre Wunde. Ein Licht scheint von der Uhr, legt sich auf Lillys Arm und tastet sich ihrer Haut entlang. Dort, wo es war, bleibt rosige Haut zurück, keine Spur von Blut, keine Wunden oder Narben sind zu sehen. Ich weiche zurück und kann einen erstickten Schrei nicht verhindern.

      „Das hier ist keine Zauberei. Es ist moderne Technik. Ein Laser dringt in die Haut ein, beschleunigt den Heilungsprozess und unterstützt die Regenerierung der Zellen.“ Ich nicke abwesend.

      „Bereits vernarbte Haut kann er leider nicht regenerieren. Aber wir könnten einen guten Chirurgen für Sie finden, der eine Hauttransplantation vornimmt, wenn Sie es wünschen.“ Ich schüttle wild den Kopf. Wo zum Teufel bin ich und wer ist dieser Freak?

      „Nun, für jemand Wildes, ist es sicher nicht einfach, das alles hier zu verarbeiten. Es ist aber auch eine große Chance Ihr Adaptionspotential zu beweisen und im Rang der Evas aufzusteigen. Daher würde ich Sie bitten, sich von Ihrer Kammerzofe vorzeigbar machen zu lassen. Wir werden heute das Treffen auf die Adams beschränken. Die anderen Evas, werden Sie morgen kennenlernen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.“ Dann tritt er aus der Tür, die surrend in der Wand verschwindet, um direkt wieder herauszuschießen.

      „Lassen Sie uns hurtig beginnen, Madam!“, sagt Lilly und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht.

      „Es tut mir leid, Lilly. Ich dachte … ich wollte nicht …“, stottere ich unbeholfen. Lilly kann nichts für meine Lage. Sie tut sicher nur ihren Job … wenn sie real sein sollte.

      „Nein, es tut mir leid. Ich habe Sie erschreckt, Madam. Es wird nicht wieder vorkommen.“ Sie steht auf und sagt: „Wenn Sie sich auf den Stuhl vor der Kommode setzen, können wir Ihr Kleid auswählen, uns eine Frisur überlegen und den passenden Schmuck aussuchen. Ihr erster Auftritt muss ihnen die Schuhe ausziehen.“ Auch wenn ich nicht weiß, wem ich die Schuhe ausziehen soll, stehe ich gehorsam auf und setze mich. Lilly drückt ein paar Knöpfe an der Wand, ein großer Teil verschwindet, zieht sich in sich selbst zurück, wie eine elektrische Schiebetür. Ein Arsenal an Kleidern, farbig geordnet, kommt zum Vorschein. Wie ein gelernter Modedesigner kommentiert Lilly mein Aussehen und was dazu am besten passt.

      Als ich vor dem Spiegel stehe, traue ich meinen Augen nicht, fühle mich leicht wie ein Schmetterling. Meine rechte Schulter ist entblößt, doch weißer Stoff bedeckt meine Brust, verläuft quer hoch zu meiner linken Schulter. Während mein rechter Arm nackt ist, zieht ein dünner, durchsichtiger Stoff sich über meinen linken, verdeckt alle kleinen Narben. Den Ansatz meiner wilden, dunkelbraunen Locken hat Lilly kunstvoll auf der rechten Seite so geflochten, dass während der rechte Teil meines Halses vollkommen entblößt ist, meine Locken über meine linke Schulter fließen.

      Der weiche Stoff des Kleides schmiegt sich eng um meine Brust. Ein grün-gold verziertes Band ringelt sich direkt unter meinem Busen. Von dort fließt der Stoff frei meinem Körper entlang. Durchsichtiges Grün wechselt sich mit weißer Seide ab, lässt hier und da Rundungen erahnen, gibt jedoch nichts preis.

      Meine dunkle Haut wirkt wie Karamell. Meine mandelförmigen Augen hat Lilly mit wenig Lidschatten so betont, dass ich aussehe wie eine Elfe. Meine Hände fahren zu meinen Ohren und tasten nach Spitzen, finden jedoch nur Rundungen. Kleine, grüne Steine, ich bete, dass es keine echten Smaragde sind, schmiegen sich an die Form meines rechten Ohres, während hauchdünne goldene Ketten herunterhängen und fein auf mein Schlüsselbein auflegen, sich wie eine Schlange um meinen Hals ringeln und zu einem feinen Armreif winden, der meinen rechten Oberarm umfasst. Ich bewege mich vorsichtig, prüfe meine Reichweite, verdrehe mich, um zu testen, ab wann ich mich mit diesem Schmuck stranguliere. Erstaunt muss ich feststellen, dass ich in keiner Weise in meiner Bewegung eingeschränkt bin.

      Einzelne feine Stoffbahnen fallen in einem Spiel aus grünem Tüll und weißer Seide über meine Knie, verdecken jedoch nicht meine Knöchel und erlauben freie Blicke auf filigran geschnürte Sandaletten, gottseidank ohne allzu hohe Absätze. Ich fühle mich wie eine Prinzessin und weiß, dass ich träume. Welche Drogen sie mir gerade in der Klink auch verabreichen, zum ersten Mal sehe ich keine Monster, falle nicht ins Nichts und spüre keine gierigen Hände auf mir. Ich lächle und entscheide mich fürs erste, diesen Traum zu genießen. Ihn als Geschenk zu betrachten.

      Ich drehe mich um und blicke Lilly fragend an. Sie hält ihre Hände vor den Mund und ihre Augen füllen sich mit Tränen.

      „Madam, Sie sehen aus wie ein Engel!“, flüstert sie atemlos.

      „Ich fühle mich eher wie eine Waldnymphe“, erwidere ich und füge ein leises Danke hinzu. Vorsichtig nimmt sie mich in den Arm und küsst mich auf die Wange.

      „Sie werden das Herz eines jeden Adams dieser Welt erobern! Sie sind die wahre Eva!“ Ihre Worte ergeben keinen Sinn. Ich runzle die Stirn und will etwas fragen, doch die Tür schießt auf und Michael Serfil erscheint in einem grauen Anzug. Er sieht nicht mehr wie ein Arzt aus, doch ich bin skeptisch. Als er jedoch mir seinen Arm anbietet und sagt: „Würden Sie mir die Ehre erweisen und mich zu Ihrem Begleiter erwählen?“, lächle ich schüchtern und ergreife zögerlich seinen Arm. Alles in mir krampft sich zusammen und ich bin wachsam, als er sich zu mir hinunterbeugt und sagt: „Sie sehen bezaubernd aus. Alle Kandidaten werden von Ihnen begeistert sein.“ Ich nicke und erwidere: „Lilly ist eine Künstlerin.“

      „Ja, das ist sie.“ Er führt mich durch die Tür und einen langen Korridor entlang. Leise plaudert er vor sich hin. Ich versuche hinter all dem Smalltalk und Geschwafel Antworten auf ungestellte Fragen zu finden. Informationen hinter Höflichkeit. Auch wenn ich mich entschieden habe, das alles hier als einen Traum zu akzeptieren, will mein innerer Alarm sich nicht abschalten lassen.

      „Ich bevorzuge Weiß, aber ich freue mich, dass Sie mich in Grau nicht ganz so abstoßend finden.“ Ich zucke unter der Wahrheit seiner Worte zusammen. Ist es wirklich so einfach mich zu manipulieren, frage ich mich und komme abrupt zum Stehen. Eine lange, geschwungene Treppe führt nach unten in ein Meer von Schwarz. Junge Männer stehen mit Gläsern in der Hand herum und unterhalten sich. Michael räuspert sich laut und alle Augen fliegen mir zu. Meine Wangen brennen und ich muss mich am Gelände festhalten, als ein Schwarm Pheromone über mich herfällt. Meine Knie zittern.

      „Behalten Sie die Kontenance! So viele ideale Partner sind überwältigend und Ihre Anziehungskraft wird stärker, wenn sie eine Frau attraktiv finden. In den Augen jedes Einzelnen sehe ich Begehren. Nicht einer würde Sie nicht zu seiner Eva machen wollen.“ Seine Worte stören mich, die Blicke lassen Galle in mir aufsteigen und ich mache einen Schritt zurück, bleibe stehen und will rennen. Ich kenne diese Blicke, der pure Egoismus spricht aus ihnen. Wie Tiere wollen sie über mich herfallen und sich nehmen, wonach ihnen gelüstet. Ohne Rücksicht, ob ich unter dem Druck zerbreche, ohne über meine Gefühle oder meinen Willen nachzudenken.

      „Geben Sie den Herren eine Chance! Niemand wird es wagen, Sie anzufassen, wenn Sie es nicht wollen“, flüstert Michael mir zu, dreht sich zu der Männermenge und ein Lächeln umspielt seine Lippen, als er seinen Arm enger um meine Taille legt. Der Druckt spricht nicht von sexueller Begierde. Schlimmer, von Gefangenschaft.

      „Meine Herren, heißen Sie unsere neue Eva im Paradies willkommen! Ehren Sie sie und schenken Sie ihr wie einer Blume Wasser und Sonne, auf dass sie gedeihen und blühen kann!“ Wie willenlose Schafe applaudiert ihm die Herde Hammel und alle blöken Grüße. Mit einem festen Griff zerrt Michael mich in die Menge und ich versinke im Meer von Schwarz. Man schüttelt mir die Hand, nennt Namen, doch ich kann sie nicht unterscheiden, ihre Gesichter verschwimmen in eins und ihre Namen fallen in ein schwarzes Loch in meinem Gehirn. Ich habe Angst und will fliehen. Doch selbst wenn Michael mich loslassen würde, würden die Hammel mir jeden Fluchtweg versperren. Wie einen saftigen Snack starren sie mich an und ich bekomme kein Wort heraus.

      Ich verliere den Halt an der Realität. Was lächerlich ist, da das hier ein Traum ist. Ein Märchen, das sich in einen Horror verwandelt hat. Ich schwanke, als ich eine Hand ergreifen möchte und nichts berühre außer Luft. Ich werde bleich, die Welt dreht sich und ich sehe schuppige Krallen und behaarte Hände, suche


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