Aeternitas - Die komplette Trilogie. Sabina S. Schneider

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      „Ist es das Blut von dem, der das getan hat?“, fragt sie grimmig. Ich nicke. Ein zufriedenes Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus und ich erwidere es.

      „Wer von ihnen war es?“ Ich zucke mit den Schultern und gestehe: „Keine Ahnung wie er heißt. Groß, breite Schultern, schwarzes Haar und blaue Augen.“

      „Adrian“, sagt Lilly und presst die Lippen aufeinander.

      „Madam, halten Sie sich bitte von ihm fern. Suchen Sie sich einen Beschützer, der keine Angst vor ihm hat. Wenn Adrian einmal … er ist bekannt dafür …“ Sie spricht es nicht aus und ich habe genug Fantasie, mir eine Meinung zu bilden. Ich schließe wieder die Augen und sage müde: „Lilly, würdest du mir einen Gefallen tun?“

      „Alles, Madam!“

      „Könntest du bitte aufhören mich Madam zu nennen?“

      „Wie soll ich Sie dann nennen?“

      „Bei meinem Namen.“

      „Wie lautet der?“ Ein heiseres Lachen entschlüpft mir und ich sage: „Siehst du, das ist die Ironie des Lebens. Mein Name ist Eva.“ Ich öffne die Lider und meine Lippen umspielt ein leises Lächeln, als Lillys Augen groß und rund vor Unglauben werden. Ja, das Leben ist nicht fair. Und diese Variante der Gegenwart, in der ich gefangen zu sein scheine, gefällt mir fast so wenig, wie gefesselt in einem Bett zu liegen und mit Drogen vollgepumpt zu werden. Doch zuerst muss ich hier rauskommen, mein Gehirn zum Arbeiten bringen und dann versuchen aus der Klink zu fliehen, in die sie mich diesmal gesteckt haben.

      Der Schmerz in meinem Kopf und das sanfte Rubeln des weichen Schwammes auf meiner Haut zerren an meiner Entscheidung, das hier alles als eine Halluzination zu sehen. Eine Welt der Fantasie einer Verrückten entsprungen. Denn das bin ich: eine Verrückte.

      „Darf ich Sie Iv nennen?“ Ich lache und frage: „Wieso? Ist Eva zu lang?“ Lilly schüttelt ohne jeden Funken Humor den Kopf. Sie scheint traurig. Ich lege meine nasse Hand auf ihre und sage lächelnd: „Nachdem du immer noch so bezaubernd zu mir bist, obwohl ich dich gebissen habe, darfst du mich nennen, wie du willst, Lilly.“ Sie nickt mit einem leisen Lächeln, presst dann die Lippen aufeinander und flüstert: „Bitte, sagen Sie niemandem Ihren richtigen Namen!“ Ich runzle die Stirn und frage: „Warum?“

      Lilly weicht meinem Blick aus, ich kann die Rädchen in ihrem Gedanken rattern sehen. Dann sagt sie leise: „Es ist sehr ungewöhnlich, dass Eltern ihrer Tochter einen solchen Namen geben. Es würde zu Fragen führen, die Sie vielleicht nicht beantworteten wollen.“ Ihr Blick trifft meinen, ich lese tausend unausgesprochene Fragen und entscheide mich dazu, meiner Gewohnheit, niemandem meinen richtigen Namen zu verraten, treu zu bleiben.

      EVA 02

      Ich starre in den Spiegel und kann meinen Blick nicht von dem Schatten auf meiner linken Schulter losreißen, während Lilly versucht meine Locken zu bändigen. Es gelingt ihr überraschend gut. Sie summt dabei. Dann steht sie auf und geht zu der Wand, hinter der sich die Waffenkammer verbirgt.

      „Lilly …“, sage ich zögernd und warte, bis sie sich fragend umdreht, um fortzufahren, „ich … Ich würde heute gerne etwas Bequemes tragen, nichts Extravagantes. Etwas Schlichtes.“ Das niemanden auf dumme Gedanken bringt, füge ich in Gedanken hinzu. „Vielleicht eine Hose und ein T-Shirt … ?“, schließe ich wenig hoffnungsvoll an. Zu meiner Überraschung lächelt sie und nickt. Das war zu einfach. Und als sie mich fertig geschminkt hat und ich fassungslos in den Spiegel starre, weiß ich, dass ich nicht gewonnen habe. Lilly hat all meine Wünsche erfüllt und doch sehe ich bezaubernd aus. Unreal schön.

      Ein helles Oberteil, keine Bluse, aber auch kein T-Shirt, fällt wie ein Wasserfall locker über meinen Oberkörper. Der Ausschnitt ist schräg gehalten und zeigt mein rechts Schlüsselbein, bedeckt jedoch meine Schultern. Die Ärmel sind luftig und mit silbernem Schmuck an meine Unterarmen befestig, kurz über meinen Narben. Sie sehen schwer aus, sind jedoch fast so leicht wie der Stoff selbst. Es sind einfache Armreifen, ohne jegliche Gravuren oder Verzierungen.

      Ein silberner Gürtel schlingt sich um meine Taille, gibt dem fließenden Stoff meines Oberteils Form. Die hellbraune Stoffhose schmiegt sich um meine Hüften, fällt locker um meine Beine und endet kurz über meinen Fesseln in einen silbernen Bund. Meine Füße ruhen in silbernen Sandalen, die kunstvoll bis zum Ansatz der Hosenbeine meine Fesseln umschlingen. Ein niedriger, aber spitzer Absatz richtet meinen Körper auf. Das Brechen von Zehen wird heute kein Problem sein.

      Wenn ich gestern eine zarte Elfe gewesen bin, strahle ich heute Menschlichkeit aus und Selbstbewusstsein. Lilly hat meine Haare an beiden Seiten am Ansatz geflochten und mit filigranen, silbernen Spangen befestigt. Meine Ohren zieren kleine, runde Stecker und als ich zu meinem dezent geschminkten Gesicht lange, streifen Krallen meine Wange. Lilly hat meine Nägel mit einer Lackschicht verstärkt und sie enden in spitzem, gefährlich glitzerndem Silber. Meine Zehennägel tragen die gleiche, dezente Kriegsbemalung. Ich grinse zufrieden, als ich meine neuen Waffen inspiziere, die wild im künstlichen Licht der Zimmerbeleuchtung funkeln. Und als wenn das noch nicht genug sei, legt Lilly mir eine dünne Kette um den Hals und lässt einen schweren, spitzen Anhänger zwischen meinen Brüsten verschwinden.

      Die Frau im Spiegel sieht schön aus, doch weder zart, noch zerbrechlich. Ich lächle Lilly dankbar an. Es ist nicht ganz das, was ich wollte, doch es wird genügen müssen.

      „Es ist nur ein informelles Essen. Das Outfit dürfte nicht unangenehm auffallen“, sagt Lilly und ich verdrehe nur leicht die Augen. Es ist ein Frühstück, bei dem sich die Evas und Adams ungezwungen unterhalten. Doch was für die anderen vermutlich nur Tagesroutine ist, bereitet mir Bauchschmerzen. Gleich würde ich die anderen Evas kennenlernen und müsste Zeit mit den Adams verbringen. Doch da ich während dieser morgendlichen Jagd nicht die einzige Beute sein werde, rechne ich mir gute Chancen aus, das Frühstück mit vollem Magen und unbeschadet hinter mich bringen zu können.

      Die Tür springt auf, ohne ein Klopfen, ein Klingeln oder sonst ein Zeichen der höflichen Anmeldung. Michael tritt lächelnd sein. Nach meinem gestrigen Abgang habe ich eine Standpauke erwartet, keinen Abholservice.

      „Darf ich Sie zum Frühstück begleiten?“, fragt er und hält mir galant den Arm hin. Da ich keine Ahnung habe, wo das Essen serviert wird, seufze ich, greife nach seinem Arm und winke Lilly Goodbye.

      „Ich hoffe, Sie konnten gut schlafen und haben sich erholt. Sie sehen bezaubernd aus. Eine ungewöhnliche Kleiderwahl.“ Ich nicke und erwidere, bevor ich mich aufhalten kann: „Sie sind wegen gestern nicht wütend?“ Michael zieht fragend eine Braue hoch.

      „Wegen der Nase und dem Blut …“, füge ich vorsichtig hinzu.

      „Ich bin mir sicher, dass Adrian es verdient hat. Und Sie haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Die Gedanken vieler Männer haben sich gestern Nacht sicher um Sie alleine gedreht. In meinen Augen haben Sie alles richtig gemacht.“ Ich schnaufe bei seiner Antwort und wir gehen schweigend weiter den Gang entlang, die Treppe hinunter und betreten den Garten. Ich halte automatisch die Luft an. Die Sonne glitzert in dem noch taufrischen Gras und legt über alles einen Hauch von zauberhaftem Märchennebel.

      Viele weißgrau karierte Decken sind über die grüne Wiese ausgebreitet. Auf jeder steht ein Korb, der vor Sandwichen, allerlei Obst und verschiedensten Flaschen überquillt. Mein Magen knurrt und ich erinnere mich nicht, wann ich das letzte Mal etwas gegessen habe. Verstreut sitzen hier und da Frauen und Männer. Unterhalten sich und lachen. Keiner kommt mir bekannt vor. Nur zwei Gesichter sind mir vom gestrigen Abend im Gedächtnis geblieben und ich erspähe weder Adrian noch Lederjacke.

      „Hier wird das Frühstück eingenommen. Es gibt ein kleines Zeitfenster, in dem Sie kommen und gehen können. Der Frühstücksraum wird Eden genannt. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen. Genießen Sie das Picknick!“ Dann lässt mich Michael alleine stehen. FrühstücksRAUM? Ich blicke nach oben zum blauen, wolkenlosen Himmel. Er ist schön, doch in seinem grellen Blau zu perfekt. Unbeweglich und statisch wirkt er


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