Aeternitas - Die komplette Trilogie. Sabina S. Schneider
Die unsers Fleisches Erbteil, 's ist ein Ziel,
Aufs innigste zu wünschen. Sterben - schlafen -
Schlafen! Vielleicht auch träumen! Ja, da liegts:
Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen,
Wenn wir die irdische Verstrickung lösten,
Das zwingt uns stillzustehn. Das ist die Rücksicht,
Die Elend läßt zu hohen Jahren kommen.
Denn wer ertrüg der Zeiten Spott und Geißel,
Des Mächtigen Druck, des Stolzen Mißhandlungen,
Verschmähter Liebe Pein, des Rechtes Aufschub,
Den Übermut der Ämter und die Schmach,
Die Unwert schweigendem Verdienst erweist,
Wenn er sich selbst in Ruhstand setzen könnte
Mit einer Nadel bloß? Wer trüge Lasten
Und stöhnt' und schwitzte unter Lebensmüh?
Nur daß die Furcht vor etwas nach dem Tod,
Das unentdeckte Land, von des Bezirk
Kein Wandrer wiederkehrt, den Willen irrt,
Daß wir die Übel, die wir haben, lieber
Ertragen als zu unbekannten fliehn.
So macht Bewußtsein Feige aus uns allen;
Der angebornen Farbe der Entschließung
Wird des Gedankens Blässe angekränkelt;
Und Unternehmen, hochgezielt und wertvoll,
Durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt,
Verlieren so der Handlung Namen.
Ich öffne die Augen, blicke in die Menge und sehe doch nichts. Ich komme mir dumm vor. Wut packt mich, ich hebe meine Hände. Sie sind zu Fäusten geballt. Meine Mittelfinger strecken sich und meine Lippen formen lautlos: „Fuck you!“ Dann drehe ich mich um und marschiere von der Bühne. Harriett ist bleich. Sie starrt mich mit glitzernden Augen an. Wortlos gehe ich an ihr vorbei. Mandy stellt sich mir in den Weg und schlägt mir wohlwollend auf die Schulter: „Das war … intensiv! Sind die Worte von dir?“ Ich schaue sie an, suche nach Heuchelei und finde nur Ehrlichkeit.
„Shakespeare“, erwidere ich. Unverständnis blitzt in ihren Augen und sie fragt: „Ist das ein Untergrundkünstler? Ich würde gerne mehr von ihm hören.“ Ist das ihr ernst? Sie nennt mich eine Wilde und hat noch nie von Shakespeare gehört?
„Sollte ich ein Buch von ihm finden, denke ich an dich.“ Nikks Worte echoen in meinen Ohren. … vierter Weltkrieg … Was für eine kranke Welt hat sich mein kaputtes Hirn da nur ausgedacht? Während die anderen weiter die Show genießen, nutze ich die Chance und erkunde das Gebäude. Vielleicht finde ich einen Ausgang aus diesem Labyrinth. Vielleicht kann mein Körper die Drogen, die gerade in mich hineingepumpt werden, schneller abbauen, wenn mein Geist nicht mehr hier gefangen ist.
Doch egal, wohin ich mich auch wende, warten neue Biegungen auf mich, unbekannte Zimmer und verschlossene Türen. Ein paar erinnern an die automatische Schiebetür in meinem Zimmer. Andere scheinen aus Holz zu sein und haben normale und altmodische Klinken. Alle Glastüren der Fensterfront führen in den riesigen Garten, den Michael Eden genannt hat.
Ich lehne mich an die Wand, bin furchtbar müde. Meine Knie werden weich, als ich Schritte höre. Ich verspanne mich und blicke in die Richtung, aus der die Geräusche kommen. Überrascht muss ich feststellen, dass es nicht Adrian ist, der mir gefolgt ist, sondern Lederjacke.
„Wie unhöflich die Aufführungen der anderen zu verpassen!“, werfe ich ihm entgegen und suche Halt an der Wand hinter mir.
„Es gibt keinen Ausgang. Johwa öffnet Eden nur, wenn es für ihn notwendig erscheint“, sagt Lederjacke, der heute anstatt seiner Jacke eine schwarze Lederweste über einem dunkeln T-Shirt trägt.
„Ich gebe nicht auf, bevor ich nicht alles probiert habe“, sage ich und schiebe mein Kinn vor. Zwar fühle ich mich kraftlos, das ist jedoch kein Grund Schwäche zu zeigen. Nicht ihm gegenüber.
„Wenn ich keinen Ausweg finde, wirst du es auch nicht, kleines Mädchen!“ Seine Augen funkeln und ich muss lachen.
„Wie lange hast du gesucht?“, frage ich immer noch kichernd. Seine Schokoladen-Haut färbt sich dunkler und er räuspert sich, lässt mich jedoch nicht aus den Augen.
„In dein Zimmer kann dich führen. Ich kenne mich hier aus!“ Meine linke Augenbraue hebt sich und ein Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen, als ich sage: „So lange also?“ Er räuspert sich und dreht sich um. Ich bleibe mit dem Reif meiner linken Hand an einer Türklinke hängen und alles um mich herum verschwindet. Ist es so weit? Werde ich gleich gefesselt an ein Bett aufwachen? Ich spüre Arme die mich festhalten und die Welt wird wieder massiv.
Mit einem lauten Klack fällt mein Silberarmband von meinem Arm. Meine Hand greift automatisch zu dem Ärmel, zieht den Stoff nach unten. Doch grobe Hände öffnen den Klammergriff meiner dünnen Finger spielerisch und jemand saugt scharf Luft durch die Zähne. Wütende goldene Augen fressen meine Seele auf, als eine Stimme kalt wie Eis sich durch meine Eingeweide schneidet: „Ich bin hier, wegen einem Junkie? Man hat mich in dieses verfluchte Gefängnis mit den Schönlingen der Schöpfung gesperrt, wegen einer verfluchten Drogenabhängigen?“ Schmerz durchzuckt meinen Arm und ich keuche: „Ich bin kein Junkie!“ Mein Arm wird hochgerissen und ich starre auf die vielen kleinen Einstiche, die mich daran erinnern, was ich wirklich bin.
„Was, verflucht nochmal, ist dann das, wenn keine Fixlöcher?!“, schreit er mir ins Gesicht. Ich habe es zu oft gehört und ich zerbreche innerlich. Tränen rinnen meine Wangen herunter und ich höre mich schluchzen: „Ich wollte es nicht. Sie haben mich festgebunden und die Nadeln immer wieder …“ Ich breche ab, kann nichts mehr sagen und schließe die Augen vor dem brennenden, goldenen Braun. Hände schütteln mich und eine tiefe Stimme fragt: „Wer hat das getan? War es Luz? Hat er dir das angetan? Er muss Johwa gehackt haben und mit dir einen Virus ins System geschleust …“ Ein Virus in mir? Wer ist Luz?
Eine tiefe Stimme grollt: „Lass deine dreckigen Hände von ihr! Sie gehört mir!“ Adrian. Ich blicke hoch und sehe einen Schatten auf uns zurasen. Kurz bevor er uns erreicht, spüre ich kühles Metall an meinem linken Unterarm und seidenweichen Stoff auf meiner vernarbten Haut. Ich werde sanft auf den Boden gelegt und Adrians Faust trifft ins Leere.
„Ich wusste nicht, dass sie gebrandmarkt ist wie Vieh“, erwidert Lederweste spöttisch.
„Dann sieh genauer hin!“, zischt Adrian. Meine Hand fährt zu meiner Schulter, bevor ich sie aufhalten kann. Lederweste runzelt die Stirn.
„Verzieh dich, Neuling! Jeder weiß, dass sie mein ist“, knurrt Adrian gefährlich. Seine Stimme ist pure Aggression.
„Ich kenne die Regeln noch nicht. Wenn ich aber einen Kratzer an ihr sehe, ziehe ich dich zur Rechenschaft!“, erwidert Lederweste. Adrian wirft den Kopf in den Nacken und lacht.
„Ich bringe sie unbeschadet in ihr Zimmer. Ich habe kein Faible für wehrlose Frauen.“ Lederweste nickt, wirft einen letzten Blick auf meinen Unterarm und geht. Ich muss all meine Kraft zusammennehmen, um ihm nicht hinterherzurufen, ihn nicht anzuflehen zu bleiben. Überraschend sanft hebt Adrian mich hoch und drückt mich vorsichtig an seine Brust. Mein Körper verkrampft sich und ich blicke zu meinen Nägeln herunter. Ihr Blitzen und Blinken beruhigt mich etwas. Ich bin nicht wehrlos.
„Schsch