Aeternitas - Die komplette Trilogie. Sabina S. Schneider

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      „Eine Art Tiermuseum?“, frage ich begeistert. Ich mag Tiere und Musen. Eine Kombination muss einem Freizeitpark gleichen. Bei dem Gedanken an einen integrierten Streichelzoo jucken vor Aufregung meine Fingerkuppen.

      „Ja, und je mehr ich lerne, desto größer wird der Raum, genauer und füllt sich immer weiter.“ Mehr Schafe, Katzen, Ziegen und Affen zum Spielen?

      „Und wie lernst du?“, frage ich und versuche meinen Spieltrieb zu kontrollieren.

      „Ich lese“, erwidert Adrian simpel.

      „Haha!“

      „Nein, wirklich! Jeder erweitert mit seinem Wissen die Bibliothek. Ich bin mir sicher, dass wenn ich jetzt in der Zoologie Abteilung blättere, würde ich ein neues Buch über Hängebauchschweine finden“, führt er seine Erklärung näher aus.

      „Liebliche Kreaturen“, sage ich verträumt.

      „Das verrät der Name“, erwidert Adrian und ich muss grinsen.

      „Ihr habt also alle eure Gebiete, lehrt die anderen euer Wissen und erforscht euer Thema“, summiere ich die neu erworbenen Informationen. Adrian nickt, beugt sich zu mir herunter und flüstert: „Eine Eva hat ein Zimmer voll von Sexspielzeugen und mit einer Galerie, in der jede Sexstellung dargestellt ist, die existiert.“ Meine Augen werden rund und ich sage: „Du lügst!“ Er hebt nur eine Augenbraue und lächelt schief. Meine Wangen brennen und mein Interesse ist geweckt. Wem gehört wohl solch ein Zimmer?

      „Ich verrate dir einen Namen, wenn du mir sagst, in was du gut bist.“ Ich presse die Lippen aufeinander und wünschte, dass es da etwas gäbe … irgendetwas. Doch da ist nur der Gedanke, dass ich nicht hierhergehöre. Also schüttele ich den Kopf und frage: „Wo ist dein Zimmer?“

      „Das nenne ich doch mal schnellen Fortschritt! Gestern brichst du mir noch die Nase und heute bist du begierig darauf, in mein Zimmer zu gelangen.“ Er lacht leise und ich schlage ihn etwas mehr als spielerisch auf den Oberarm.

      „Nun gut, wenn du mir dein Talent nicht verraten willst, ist das okay. Ich werde es eh bald erfahren“, sagt Adrian und reibt sich den Oberarm.

      „Wie meinst du das?“, frage ich und meine Alarmglocken klingeln.

      „Bald werden sicher Kyles und dein Raum vorgestellt, damit wir unsere Zeitplanung anpassen können.“ Mir wird schlecht und ich frage bleich: „Was meinst du mit Zeitplanung?“

      „Du wurdest auf das hier wohl nicht sonderlich gut vorbereitet, oder?“, fragt er verwirrt. Ich schüttle den Kopf.

      „Wir haben hier ein Punktesystem. Nach individuellem Profil bekommst du für Kurse eine bestimmte Anzahl von Punkten. In der Woche musst du auf 100 Punkte kommen“, verwirrt mich Adrian mit seiner Ausführung noch mehr.

      „Und wenn nicht?“, frage ich, den Fehler im System suchend.

      „Wenn nicht was?“ Unschlüssig schaut Adrian mich an.

      „Wenn jemand nicht auf seine 100 Punkte kommt?“, hake ich nach.

      „Das ist meines Wissens noch nicht passiert. Hier ist alles perfekt und jeder gibt sein Bestes.“ Adrian Worte stoßen in meinem Magen auf wie bittere Galle. Das Beste … perfekt … Worte, die weder ich noch irgendjemand anderes je im Zusammenhang mit mir benutzt haben.

      „Was ist … was passiert, wenn jemand nicht perfekt ist?“, frage ich kleinlaut, als mein Blick sich in meiner linken Armbeuge verfängt.

      „Du brauchst dir keine Gedanken zu machen, Emilia. Wenn du nicht perfekt wärst, wärst du nicht hier. Johwa sucht sich basierend auf DNA-Analysen die Besten der Besten aus. Er ist darauf programmiert, keine Fehler zu machen. Solltest du nicht perfekt sein und es hierher geschafft haben, bist du ein Virus.“ Ich blicke hoch und sehe keine Spur von Humor in seinen Augen. Bin ich ein Virus? Die Welt um mich verschwimmt, alles wird durchsichtig. Ich konzentriere mich auf Adrians Hand, die auf meiner liegt. Schuppen leuchten in den Farben des Regenbogens.

      Ich blinzle und weigere mich, Adrian ins Gesicht zu blicken. In seiner Stimme hallt ein Zischen mit, als er sagt: „Die Bibliothek liegt im östlichen Flügel. Lass uns nach Hängebauchschweinen suchen.“ Schweigend laufe ich neben Adrian und halte den Atem an, bis ich wieder Haut sehe anstelle von Schuppen. Als das Zischen in seiner Stimme verschwunden ist, erreichen seine Worte mein Gehirn und ergeben wieder Sinn. Nicht weit von dem Theatersaal, den Adrian in seiner Tour großzügig auslässt, befindet sich ein riesiges Tor mit zwei Flügeln, die doppelt so hoch sind wie Adrian lang. Ohne Anstrengung schiebt er die Tore auf und wir schreiten hindurch.

      Meinem Mund entschlüpft ein überraschter Schrei, als sich mir das Paradies für jeden Bücherwurm eröffnet. Regale, so hoch, dass man die Decke nicht sehen kann, schlängeln sich wie die Wände eines Labyrinths durch einen scheinbar unendlichen Raum. Zierliche Wendeltreppen aus weißem Geflecht recken sich wie Birken zum Himmel und schaffen ein Netz über dem Netz. Der Geruch von Leder, Pergament und Tusche überwältigt mich und ich sinke in die Knie, als ich kleine Leseoasen entdecke. Hängematten in allen Farben, Sessel, Couchs, Stühle und sogar Betten sind im ganzen Raum verteilt. Die Wand, die zur Mitte zeigt, hat als einziges keine Regale. Sonnenlicht flutet hindurch und das leise Gezwitscher von Spatzen ist zu hören, wenn ich auch nicht eine Feder erblicke.

      Ich stehe mit zittrigen Knien auf, streife mit einer Hand einen runden Globus, der geheimes Alkoholversteck schreit, und mit der anderen über die Bücher. Alte, dicke Lederbände stehen neben modernen Taschenbüchern und vergilbten handgeschriebenen Heften. Meine Finger bleiben bei einem Buch hängen.

      Shakespeares Hamlet. Ich greife danach in der festen Absicht, es Mandy zu geben. Adrian nimmt meine Hand in seine und sagt mit belegter Stimme: „Wunderschön!“ Mein Blick wandert zu ihm und dann wieder über das Märchenland vor mir.

      „Ja, die Bibliothek ist wunderschön“, stimme ich ihm zu.

      „Ja … die habe ich gemeint“, sagt er und lacht leise. Dann zieht er mich sanft durch das herrliche Bücherlabyrinth, steigt zwei Etagen auf den filigranen Wendeltreppen hinauf und geht zielsicher zu einer kuscheligen Ecke, in der auf dem Boden hunderte von Kissen eine Wiese bilden. Dann tastet sein Finger Buchrücken ab, bleibt nach wenigen Reihen hängen und er zieht ein schmales Heft heraus. Ihm entfährt ein überraschter Laut und er sieht mich mit großen Augen an.

      „Was?“, frage ich ihn. Warum fühle ich mich angegriffen? Als er sich wegdreht und in dem kleinen Buch blättert, schlägt mein Herz schneller.

      „Was hast du da?“, versuche ich es noch einmal, gehe um ihn herum, um zu sehen, was er liest. Doch er dreht sich im Kreis, blättert weiter und seine Augen leuchten, wie die eines Kindes. Ich weiß nicht wieso, doch ich fühle mich in meiner Privatsphäre verletzt. Irgendwas sagt mir, dass er nicht das Recht hat, dieses Buch anzuschauen, geschweige denn zu lesen. Als ich stehenbleibe und Adrian mir in seiner Pirouette entgegendreht, sehe ich das Buchcover und greife mit roten Wangen danach.

      Er hebt es aus meiner Reichweite und liest laut vor. Ich möchte im Erdboden versinken. Meine Wangen brennen.

      „Fred - das Hängebauchschwein. Fred hat schwarze Borsten, einen platten Rüssel und sein Kinn ist fast so dick wie sein Bauch, der beim Gehen am Boden schleift …“

      „Ich war sieben, als ich das geschrieben habe!“, verteidige ich mich und springe wie ein Zirkusaffe im Kreis. Dann erwischen meine Finger Papier, ich klammere mich daran fest, mein Körper prallt auf Adrians und wir fallen. Er lacht, als er auf den Boden trifft und ich würde ihn am liebsten umbringen. Ich schnappe mir das Buch, entferne mich von ihm, setze mich in eine Ecke und funkele ihn wütend an. Die Welt verschwimmt, als verräterische Tränen sich in meinen Augen sammeln und ich hasse mich dafür, hasse ihn.

      Adrian geht in die Hocke, blickt mich überrascht an und fährt sich mit beiden Händen übers Gesicht, dann streicht er sich die Haare zurück. Er nähert sich mir nicht und doch ist er zu nahe, hat einen Teil von mir berührt, der nur mir gehört.

      „Geh weg!“, rufe ich


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