Aeternitas - Die komplette Trilogie. Sabina S. Schneider

Aeternitas - Die komplette Trilogie - Sabina S. Schneider


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Leise seufzend, gehe ich zum Schrank, greife nach einem dunklen Rock, steige hinein und ziehe ihn über meinen Hintern. Er sitzt etwas eng, aber für eine Weile wird es gehen.

      „Er passt wie angegossen“, sagt Adrian mit belegter Stimme.

      „Ich habe noch nicht gesagt, dass du dich umdrehen kannst!“, fiepe ich erschrocken, sehe seinen Rücken und begegne seinen Augen im Spiegel.

      „Du Schuft!“, rufe ich und kann nicht verhindern, dass ich rot anlaufe. Er grinst einfach nur. Ich greife nach einem dunklen Schal und binde ihn mir um den Hals. Adrian hebt eine Augenbraue, sagt jedoch nichts. Ich schiebe mein Kinn vor und er bietet mir seinen Arm an. Gemeinsam gehen wir in den Speiseraum, der sich nicht weit vom Garten befindet. Wir betreten den Saal und alle Unterhaltungen ersterben. Stille beherrscht jeden Zentimeter des riesigen Raumes, als wir eintreten. Adrian stellt sich hinter mich und bevor ich etwas tun kann, zieht er den Schal herunter und berührt meinen Hals mit seinen Lippen.

      Entrüstet rufe ich: „Adrian!“, und schlage nach ihm. Doch er weicht mir aus und zieht mich zu einem freien Tisch. Ein leiser Schrei zieht meine Aufmerksamkeit auf sich, dann sehe ich nur noch rotes Haar, als jemand aufspringt und aus dem Saal rennt. Harriett! Mein Herz krampft sich zusammen und mein erster Impuls ist es, ihr hinterherzulaufen. Doch Adrian legt seine Hand auf meine und schüttelt den Kopf.

      „Ich sehe, du hast dein Wort nicht gehalten“, sagt eine Stimme hinter mir und ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, wer es ist. Adrian lächelt und erwidert: „Ich habe nichts getan, was sie nicht wollte.“ Meine Hand fährt automatisch zu meinem Hals. Adrian sieht es, grinst schief und verbessert sich: „Fast nichts.“

      Lederweste geht an mir vorbei, beugt sich zu Adrian herunter und flüstert ihm etwas ins Ohr. Adrians Augen verengen sich zu Schlitzen und seine blaue Iris brennt, als er mich fixiert. Abermals tastet meine rechte Hand nach dem Armreif an meinem linken Arm und Adrians Blick folgt ihr. Ich habe wieder einen Fehler begangen. Doch er sagt nichts. Ein Kellner tritt an unseren Tisch und Adrian bestellt, ohne mich zu fragen, was ich essen möchte.

      Schweigend mustert mich Adrian und ich scheine unter seinem Blick zu schrumpfen.

      „Dein Auftritt heute Morgen war … interessant“, höre ich eine Stimme hinter mir und ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Nikk zieht einen Stuhl von einem anderen Tisch herbei und setzt sich zu uns.

      „Heißt interessant langweilig?“, frage ich mit einer hochgezogenen Braue und kassiere ein Aufblitzen seiner Grübchen.

      „Nein, es war alles andere als langweilig. Nicht wahr Adrian?“ Nikks Augen werden dunkel und sein Gesichtsausdruck ernst, als er zu Adrian blickt. Der runzelt die Stirn und erwidert kein Wort. Nikk beugt sich dann verschwörerisch zu mir und fährt fort: „Ich würde es als aufwühlend bezeichnen. Adrian hier ist wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen und aus dem Saal gerannt. Dein Auftritt hätte keinen bleibenderen Eindruck hinterlassen können.“ Nikk streckt seine Arme aus und bevor ich etwas erwidern kann, lehnt er sich zu mir vor, sein Gesicht direkt vor meinem. Als ich überrascht zwinkere, fühle ich, wie er Stoff um meinen Hals legt. Mein Schal! Sanft streift seine Hand meine Wange und er sagt: „Ich glaube, du hast das hier verloren.“

      Dann steht er auf, macht eine leichte Verbeugung und sagt: „Das nächste Mal solltest du eine nicht ganz so aufreizende Performanz hinlegen. Dann können es ein paar von uns langsamer angehen lassen. Mandy und ich würden uns freuen, wenn du uns heute Nachmittag Gesellschaft leisten würdest …“

      „Sie wird die ganze Zeit in meinem Zimmer verbringen“, zischt Adrian. Nikk hebt eine Augenbraue, sieht ihn direkt an und sagt: „Du zerrst eine Dame in dein Zimmer, ohne dir die Zeit zu nehmen, sie vorher kennenzulernen?“

      „Ich weiß genug über sie!“, erwidert Adrian und funkelt Nikk böse an.

      „Dann kannst du mir sicher ihren Namen verraten. Ich hatte ihn bei ihrer Vorstellung nicht gehört.“

      „Verschwinde! Oder ich vergesse, dass wir einmal Freunde waren“, presst Adrian zwischen seinen Zähnen hervor. Nikk erwidert nichts und lächelt nur. Dann blickt er zu mir und sagt: „Mein Angebot steht, Emil … ia. Du HAST die Wahl!“ Mir entgeht sein Zögern bei der Endung meines Namens nicht und meine Wangen röten sich. Doch ich nicke und schenke ihm ein dankbares Lächeln. Ich blicke ihm verträumt nach, spüre dann einen Druck auf meiner Hand.

      „Ich mag es nicht, wie er dich anschaut und noch weniger gefällt mir dein Blick“, sagt Adrian und der Druck wird stärker. Ich blicke ihm gerade heraus in die Augen und erwidere: „Du tust mir weh!“ Etwas Dunkles flackert in dem Blau seiner Iris, dann lässt er mich los.

      „Setz dich auf meinen Schoß!“, befiehlt er und ich traue meinen Ohren nicht.

      „Wie bitte?“, frage ich.

      „Du hast mich verstanden. Wenn so ein Feigling wie Nikk es wagt, dich in meiner Gegenwart zu berühren, werden sich die anderen auch ein Herz fassen. Vielleicht nicht wenn ich da bin, aber sicher, wenn sie dich alleine irgendwo antreffen. Entweder ich zeige ihnen jetzt, dass du mir gehörst oder ich weiche nie wieder von deiner Seite. Du hast die Wahl, … Emilia!“ Seine Wortwahl ist durchdacht und treibt mir die Röte ins Gesicht. Ich verkrampfe mich und ein schiefes Grinsen umspielt Adrians Mund. Er bekommt bei beiden Optionen, was er will. Ich rühre mich nicht und er sagt: „Weise gewählt! So haben wir mehr Zeit für uns!“ Er meint doch nicht etwa auch die Nächte?

      „Erzähl mir etwas von dir, Emilia. Ich möchte mehr über die Frau wissen, mit der ich nun so viel Zeit verbringen werde.“ Ich verdrehe die Augen und sage: „Da gibt es nicht viel zu erzählen.“ Ich habe die letzten Monate auf der Flucht verbracht, nachdem ich aus der Irrenanstalt geflohen bin. Du und diese ganze Welt seid in meinem kranken Gehirn entstanden und du wirst dich, wenn ich wieder aufwache, in Luft auflösen und mit dir das Paradies. Meine Gedanken sind klar, doch kein Wort verlässt meine Lippen. Das ist nichts, was man beim Mittagessen bespricht.

      „Du bist also bescheiden“, sagt Adrian und lächelt. „Was war das für ein Text, den du auf der Bühne rezitiert hast?“

      „Shakespeare“, sage ich und füge, als kein Funke der Erkenntnis leuchtet, hinzu, „ein unbekannter Untergrundkünstler. Was führst du bei solchen Veranstaltungen vor?“

      „Ich jongliere.“ Das Bild von Adrian mit einer Clownsmütze auf einem Einrad drängt sich mir auf und ein Kichern entschlüpft meinen Lippen, bevor ich es aufhalten kann. Adrian zieht die Augenbrauen hoch und ich will mich gerade entschuldigen, als er nach den Tellern und Untertassen greift, aufsteht und tatsächlich die Dinger nacheinander in die Luft wirft und wieder auffängt. Er schiebt den Stuhl mit dem rechten Bein beiseite, um sich Platz zu schaffen, und dreht sich dabei auch noch.

      Fasziniert starre ich ihn an. Er wirft mir aus dem Augenwinkel einen Blick zu. Irgendetwas bringt ihn aus dem Rhythmus und seine Hand greift ins Leere. Ein lautes Klirren lässt neugierige Augen zu uns wandern, als ein Teller zerbricht. Geschickt fängt er jedoch die anderen auf und stellt sie zurück auf den Tisch. Er kniet sich hin und sammelt die Scherben auf. Im ganzen Raum herrscht Stille. Ich eile an seine Seite und will ihm helfen. Doch er packt meine Hand und sagt: „Du machst dich schmutzig.“ Ich ziehe eine Braue hoch und frage: „Und?“

      „Du wirst dich verletzten“, fügt er irritiert hinzu.

      „Pa!“, rufe ich aus, bevor ich darüber nachdenken kann, „ich habe schon schmutzigere Arbeiten gemacht und so tollpatschig bin ich nun auch nicht.“ Kaum sind die Worte aus meinem Mund, bereue ich sie und fühle ein Brennen an meinem linken Zeigefinger. Ich drücke ihn in den schwarzen Stoff meines Rockes.

      „Was für Arbeiten hast du gemacht?“, fragt Adrian neugierig. Jemand kommt mit einem Feger und scheucht uns zu einem anderen Tisch. Ein Gespräch über dreckige Toiletten ist weder passend beim Essen, noch ein Thema, das man an einem Ort diskutieren sollte, der Eden oder Paradies genannt wird. Verräterische Wärme kriecht in meine Wangen und ich lenke ab: „Wo hast du so jonglieren gelernt? Hast du in einem Zirkus gearbeitet? Elefanten dressiert und auf Löwen geritten? Kannst du Feuerspucken?“ Ich verfange


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