Aeternitas - Die komplette Trilogie. Sabina S. Schneider

Aeternitas - Die komplette Trilogie - Sabina S. Schneider


Скачать книгу
märchenhaftes Eden verliert seinen zauberhaften Glanz, verwandelt sich in ein buntes Gefängnis und ich würde am liebsten wegrennen. Doch der künstliche Garten ist von allen Seiten von gläsernen Wandfronten umringt. Michael hat Recht. Es ist ein Raum.

      Mein Magen knurrt wieder. Ich lasse meinen Blick schweifen und habe Glück. Eine Decke außerhalb ist frei und ich steuere zielsicher auf sie zu, setze mich und blicke gierig in den überfüllten Korb. Das Geschirr lasse ich links liegen, greife nach dreieckigen Sandwichen, stopfe Trauben nach, entscheide mich dagegen, die Banane zu essen, gieße mir heißen Kaffee aus einer Thermoskanne ein und schütte Orangensaft nach, vermutlich frisch gepresst.

      Dann strecke ich mich zufrieden auf der Decke aus, blicke in den zu blauen Himmel, schließe die Augen und genieße die Wärme der nicht vorhandenen, morgendlichen Sonnenstrahlen. So gut ist es mir schon lange nicht gegangen und die Hoffnung, dass dieser Traum, meiner Fantasie entsprungen, sich nicht sofort in einen Alptraum verwandelt, schwelgt in meiner Brust. Der Wunsch, dass mein krankes Gehirn mir einen Moment Ruhe gönnt.

      Doch ein Schatten fällt auf mein Gesicht und stiehlt mir die Wärme der fehlenden Sonne und eine mir bekannte Stimme raunt: „Die Wildkatze hat Krallen bekommen.“ Ich lasse die Augen geschlossen, lege die Hände hinter den Kopf und höre ihn scharf einatmen, als ein kühler Lufthauch meinen Bauchnabel umspielt.

      „Wenn du nicht zusätzlich zu deiner gebrochenen Nase Kratzspuren willst, würde ich mich an deiner Stelle verziehen.“ Ein leises, raues Lachen erfüllt die Luft und ich spüre, wie sich die Decke bewegt. Meine kurze Rede hat Adrian nicht im Geringsten beeindruckt. Bevor ich irgendwie reagieren kann, fühle ich eine große, warme Hand auf meinem nackten Bauch und Finger, die sanft über meine Wange streicheln, als seine Worte leise geflüstert mein Ohr kitzeln: „Meinen Rücken darfst du jederzeit zerkratzen.“

      Meine Augenlider fliegen hoch und meine spitzen Nägel bohren sich in das weiche Fleisch an seinem Hals. Überrascht stelle ich fest, dass seine Augen nicht hart sind, sondern warm und weich auf mir ruhen. Das Blau seiner Iris wirkt real und irgendwie greifbar. Ein starker Kontrast zum Poster-Himmel, der mir für wenige Herzschläge den Atem raubt. Ein schiefes Grinsen erhellt Adrians Züge und er rollt sich lachend auf den Rücken, stopft sich Trauben in den Mund und lässt mich verwirrt zurück. Mein inneres Gleichgewicht ist gestört. Und ich runzle die Stirn, als er sagt: „Wenn ich meinen Kopf auf deinen Schoß legen darf, ohne dass du mir die Halsschlagader aufkratzt, verspreche ich, dich heute nicht zu küssen.“ Er zwinkert in die Sonne wie ein fauler Kater und streckt sich auf der Decke aus.

      Als ich nicht sofort antworte, fixieren mich seine Augen.

      „Was soll es sein, Madam?“, fragt er höfflich nach. Meine Runzeln werden tiefer und ich komme nicht umhin, die Wut über so viel Dreistigkeit in mir aufwallen zu fühlen.

      „Das ist, als ob ich mich zwischen Pest und Cholera entscheiden müsste!“, zische ich wütend. Was für ein ungehobelter …

      „Ich entnehme dieser Antwort den Wunsch nach einem Kuss. Gestern durfte ich den Geschmack deiner Lippen nicht testen. Das werde ich heute nachholen.“

      „Stimmt, gestern durftest du meinen Handballen kosten. Wenn du mir nochmal zu nahe kommst, wirst du meine Krallen näher kennenlernen, als dir lieb ist, Adrian.“ Seine Augen leuchten wild auf, blitzschnell liegt seine Hand auf meiner Schulter und er zieht mich auf seine Brust. Bevor ich reagieren kann, liegt mein Ohr über seinem Herzen und er flüstert: „Es erregt mich, meinen Namen aus deinem Mund zu hören.“ Als ich versuche mich zu wehren, höre ich eine sanfte Stimme sagen: „Du hast die Dame lange genug für dich beansprucht, Adrian. Ich hoffe, du überlässt sie mir für einen kurzen Spaziergang.“

      Adrians Arme lassen mich los und ich richte mich schnell auf, stoße meinen Ellenbogen mit aller Kraft in seine Rippen und ergreife die Hand, die man mir anbietet. Adrians Lachen verfolgt mich, als mich mein Retter fortführt. Seine Hand ist kräftig, aber nicht so groß wie Adrians. Mein Herz rast und er führt mich abseits zu einem Baum. Ich lasse mich in den Schatten sinken und umklammere meine Beine. Schwäche und Wut kämpfen miteinander und ich unterdrücke Tränen. Es raschelt neben mir und mein Retter setzt sich zu mir ins Gras.

      „Du musst Adrian sein Verhalten nachsehen! Er war nicht immer so“, sagt er leise, entschuldigend.

      „Das heißt nicht, dass ich ihm verzeihen muss, wenn er sich wie ein wild gewordener Gorilla verhält.“ Ein melodisches Lachen erklingt und mein Retter sagt: „Ja, du hast vollkommen Recht. Ich wollte damit nur sagen, dass wir nicht alle so lüsterne Barbaren sind.“ Meine Augen wandern zu ihm und ich nehme ihn zum ersten Mal wahr. Seine Augen haben die Farbe von saftigem Gras. Sein Körper ist schlank. Nicht dürr, aber auch nicht muskelbepackt. Ein schwarzes T-Shirt umspannt jede Biegung seines Oberkörpers. Er trägt eine lockere, beige Stoffhose. Braune Locken, ein paar Schattierungen heller als meine, leuchten in den Sonnenflecken, die es schaffen sich durch die Blätterpracht der Baumkrone zu schmuggeln. Er hat Grübchen, stelle ich fest und die Wut fällt unter dem Strahlen seiner Augen von mir ab. Die Angst zerschmilzt wie Eis in der Sonne.

      „Ich heiße Nikk und du?“, fragt er und blickt mich neugierig an.

      „E …“, beginne ich, bevor ich mich fangen kann und gefasster fortfahren kann, „Emelie.“

      „Hallo Emelie!“, sagt Nikk, greift nach meiner Hand, führt sie zu seinem Mund und berührt sie zart wie ein Schmetterlingsflügel. Es stört mich nicht, dass er sie nicht loslässt, während er weiterspricht: „Willkommen im Paradies! Ich hoffe Eden gefällt dir.“ Ich versteife mich und er lässt meine Hand los.

      „Es tut mir leid. Du hattest keinen guten Start hier. Wir sind wirklich nicht alle wie Adrian.“ Wiederholt er und ich will ihm glauben.

      „Wird er … wird Adrian mich in Ruhe lassen?“, flüstere ich und umschlinge wieder meine Knie.

      „Möchtest du denn, dass er dich in Ruhe lässt?“, fragt Nikk sanft. Mein Kopf fährt zu ihm herum und ich werfe ihm einen giftigen Blick zu. Er nickt, ohne es persönlich zu nehmen, und sagt: „Kaum einer ist stark genug, um es mit Adrian aufzunehmen. Deswegen ist keiner dazwischengegangen.“ Ich spüre einen Stich in meinem Herzen. Sie haben alle zugesehen, wie dieses Machoschwein … Hätten sie zugelassen, dass … Mir wird schlecht und ich presse meinen Rücken gegen die harte Baumrinde.

      „Adrian ist das Alphatier unter den Alphatieren“, versucht Nikk zu erklären.

      „Tier ist das richtige Wort!“, zische ich durch zusammengebissene Zähne. Dann ruckt mein Kopf zu Nikk und ich fühle mich blind, als ich sage: „Du bist dazwischengegangen!“ Er nickt und lächelt traurig.

      „Das bin ich. Ich habe ihn gebeten, dich freizulassen. Und er hat mir meinen Wunsch erfüllt. Für heute. In einer körperlichen Auseinandersetzung habe ich keine Chance gegen ihn.“

      „Sind wir hier im Zoo, in dem sich Männchen um das Recht, ein Weibchen zu begatten, prügeln?“, fluche ich entsetzt. Er bewegt keine Miene und erwidert: „Manchmal scheint es so. Wenn du dich beruhigt hast, möchtest du dich vielleicht zu Mandy und mir setzen?“ Ich versuche den Stich in meinem Herzen zu ignorieren, als ich den Namen einer anderen Frau aus seinem schönen Mund höre. Doch er scheint es zu merken. Seine Hand streicht sanft eine lose Strähne aus meiner Stirn und er murmelt leise: „Wenn ich die Kraft und den Mut hätte, würde ich um dich kämpfen, Emelie.“ Seine Worte jagen eine Schar Gänse über meine Haut. Ich weiche zurück und erhebe mich.

      „Niemand muss um mich kämpfen. Ich kann gut auf mich selbst aufpassen!“ Ich halte diese Worte wie ein Schild vor mich, strecke meine Schultern durch und blicke Nikk herausfordernd an, als ich ihm die Hand hinhalte, um ihm aufzuhelfen. Er ergreift sie und ich ziehe ihn auf seine Beine.

      „Du wirst dich sicher mit Mandy verstehen. Sie hat darauf bestanden, dass ich dir helfe.“ Ich komme nicht umhin, bei dem Aufblitzen seiner Grübchen zu lachen, und er führt mich zu einer Decke, auf der eine schöne Frau mir durchgestrecktem Rücken und ernstem Gesicht auf uns wartet. Ihr blondes Haar ist zu einem Dutt hochgesteckt, ihr Hals ist weiß wie Porzellan und lange wie bei einem Schwan. Ihre Augen fahren


Скачать книгу