NY Phönix. U. Kirsten

NY Phönix - U. Kirsten


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die damalige Vorsitzende der Guggenheim Stiftung suchte für die Realisierung des Bauprojektes einen einzigartigen Künstler mit Visionen. Das zukünftige Museum sollte vor allem die Kunst der Moderne beherbergen. Viele Werke der abstrakten Malerei, des Expressionismus, des Impressionismus und des Surrealismus warteten darauf, eine angemessene Heimstadt zu finden. Sie schrieb an Frank Lloyd Wright einen werbenden Brief und begründete ihre Entscheidung mit intensiven Worten: „Ich brauche einen Kämpfer, einen Liebhaber des Raumes, einen Agitator, einen Prüfer und weisen Mann ... Ich möchte einen Tempel des Geistes, ein Monument“. Wright hatte bei der Verwirklichung des Projektes wahrlich zu kämpfen. Allein die Baubehörde listete 32 Mängel am ursprünglichen Entwurf auf. Die Öffentlichkeit zog seine Pläne durch den Kakao, die Kunstwelt diskutierte kontrovers und selbst Hilla von Rebay griff in die Planung ein und änderte die Außenfarbe von Rot in Weiß.

      Lenny mustert das Gebäude und er hat den Eindruck, dass die gesamte Architektur aus einer Ansammlung von geometrischen Formen besteht. Wenn er genauer hinsieht, entdeckt er überall Kreise, Dreiecke, Ovale, Quadrate, Bögen. Besonders auffällig ist der kreisförmige Turm, der wie ein sich nach unten verjüngender, in Scheiben geschnittener Kegel aussieht. Für Lenny ist dieses Museum erneut ein Beispiel, dass die Architektur nicht reines „Bauen“ und das schlichte Errichten von Häusern oder anderen Bauwerken ist, sondern eine wahrhafte Kunstform. Der Architekt setzte sich mit dem „gebauten Raum“ auseinander. Das Bauwerk hat oft technische, funktionale, wirtschaftliche, politische, repräsentative Aufgaben zu erfüllen. Letztlich kommt der Architektur jedoch immer eine ästhetische, Harmonie schaffende, ganzheitliche Rolle zu. Leon Battista Alberti, ein Architekt und Bautheoretiker der Renaissance definierte die Architektur als „Harmonie und Einklang aller Teile, die so erreicht wird, dass nichts weggenommen, zugefügt oder verändert werden könnte, ohne das Ganze zu zerstören.“

      Der Kreis war dabei für die Architektur schon immer der harmonischste, der perfekte Raum. Auch beim Guggenheim Museum hatte der Architekt auf die Form der Rotunde, des Kreises zurückgegriffen, um den vollkommenen Raum zu erschaffen. Die Rotunde war eine der klassischen Formen der Architektur und Lenny war immer wieder erstaunt, wo er den perfekten Kreis überall wieder fand. Eines der ersten Werke und immer wieder Vorbild für Bauwerke in den zurückliegenden Jahrhunderten war das Pantheon in Rom, das als antiker Tempel errichtet und später zur christlichen Kirche umfunktioniert wurde. Etwa 120 n. Christus von Kaiser Hadrian erbaut, hatte das Pantheon für nahezu 1700 Jahre die größte Kuppel der Welt. Die Rotunde, der überwölbte, kreisförmige Innenraum misst ganze 43 Meter. Architekten nachfolgender Baustile, wie der Renaissance, des Barock, des Klassizismus aber auch der Moderne zitierten die Formen der griechischen und römischen Antike und damit oft die Rotunde. Viele christliche Kirchen wiesen später eine Rotunde auf, so der Petersdom in Rom, die Karlskirche in Wien, die Hagia Sophia einst byzantinische Kirche, jetzt Moschee. Politisch, repräsentative Bauwerke, wie das Capitol in Washington, Museen, wie das Alte Museum in Berlin, die Pinakothek der Moderne in München, das Guggenheim in New York weisen mit der antiken Rotunde auf ihre demokratischen, antiken Wurzeln hin.

      Während Lenny in Gedanken versunken, das Museumsgebäude betrachtet, schwebt ein farbiges, flatterndes, kleines Wesen in seine Blickrichtung. Lenny fokussiert seinen Blick und erkennt einen wunderschönen, gelb-schwarzen Schmetterling, der sich gerade auf der Motorhaube des Pontiac, genau auf der Airbrush-Malerei des Feuervogels niederlässt. Es ist ein eleganter Schwalbenschwanz. Er öffnet wie zum Gruß seine gelb-schwarz-gemusterten, prachtvollen Schwingen und Lenny hat das Gefühl, dass die roten Augenflecken auf seinen Flügeln ihn direkt anblicken. Es ist nur ein kurz währendes Gefühl, das Lenny innerlich berührt und seine Intuition weckt. Aber nach wenigen Sekunden erhebt sich das wunderbare Geschöpf und flattert in Richtung des Guggenheim wieder davon.

      Kanaj legt in diesem Augenblick die Hand auf Lennys Schulter: „Ist Dir etwas an dem Gebäude aufgefallen?“ Lenny war so mit der Architektur des Guggenheim-Museums beschäftigt, dass er bisher noch gar nicht dazu gekommen ist, auf Besonderheiten oder Veränderungen zu achten. Als ihn jedoch jetzt Kanaj direkt darauf anspricht, fällt ihm auf, dass diesmal vor dem Museum keine endlos lange Besucherschlange zu sehen ist. Stattdessen ist vor dem Eingang ein Trupp von Männern in roten Umhängen postiert. Kanaj erklärt die Situation: „Das sind die Elitetruppen des Kanzlers.“ Lenny ist erstaunt: „Was machen die den hier vor dem Guggenheim-Museum?!“ „Das wissen wir auch nicht.“ antwortet Kanaj. „Wir glauben, dass die Krähe das Museum umfunktioniert hat und nun etwas sehr Wertvolles dort aufbewahrt. Der Kanzler Crow hat eine Reihe von Museen in New York geschlossen. Sein Presse-Minister hat verkünden lassen, dass die sogenannte moderne Kunst abartig sei. Künstler der Pop Art, wie Andy Warhol, Roy Lichtenstein, des Expressionismus oder der Kitschkunst eines Jeff Koons sind auf dem Index und sie wurden aus den Museen entfernt. Und er hat Filme, Theaterstücke und Musicals verboten, die in irgendeiner Form sexistisch, anzüglich erscheinen und ein Stück nackte Haut zeigen. Stattdessen installierte er im Museum of Modern Art eine Sonderausstellung, mit der, von der Krähe bevorzugten Kunst. Sie zeigt realistisch dargestellte, schöne Menschen, die Freude an der Arbeit haben. Sie ziehen hinter der Fahne des Kanzlers Crow mit einem strahlenden Lächeln in den Krieg und fallen dort heroisch. Alle Kunst, die in der Vergangenheit einen patriotischen Inhalt hatte, durfte bei der Sonderausstellung ausgestellt werden. Lenny muss daran denken, dass jede Kunst auch immer Ausdruck des vorherrschenden gesellschaftlichen Systems war und ist. Gern wurde die Kunst auch von den jeweiligen Machthabern instrumentalisiert.

      Kanaj hat den Pontiac wieder aus der Parknische heraus manövriert und beschleunigt ihn nun. Nach wenigen Minuten befinden sie sich südlich vom Central Park auf der Central Park South. Sie erreichen den Columbus Circle, die südwestlichste Ecke des großen Parks. Inzwischen lässt Kanaj den Wagen langsamer fahren. „Hier sollten wir nicht auffallen. Gleich um die Ecke liegt das YMCA, unser Versteck und Unterschlupf.“ Er fährt die Central Park West einige Straßen nach Norden und bringt den Pontiac dann in einer Seitenstraße zum Stehen. „Den Rest des Weges zum San Remo nehmen wir zu Fuß.“ Kanaj und Lenny verlassen den Wagen. Es ist die 66.Straße auf der westlichen Seite des Central Park. Sie überqueren die Central Park West und laufen auf dem Fußweg nach Norden. Lenny merkt, wie er innerlich ruhiger wird. Hier am Park ist seine Heimat. Er liebt die vielen Bäume, ihre Ruhe und die Energie, die sie ausstrahlen. Der Park ist eine Oase in der Hektik New Yorks. Lenny ist hier aufgewachsen. Wie viele Sonntage hat er mit seinen Eltern und später mit seiner Schwester Mati auf der großen Liegewiese Fußball gespielt. Mit Freunden hatten sie sich hier immer und immer wieder zum Picknick getroffen. Letztes Jahr durfte er mit Mati bereits allein auf dem Lake mit einem Boot herumpaddeln. Mit seinem Vater ging er 2-3 mal die Woche, wie viele New Yorker, zum Joggen um den großen See, der nach Jackie Kennedy benannte worden war. Auch Jackie war hier oft joggen gegangen. Die Strecke um den See war 2,5 km lang und Lenny hatte mit seinem Vater schon einmal 3 Runden gemeinsam geschafft.

      Gerade passieren sie auf der linken Seite das Dakota Apartment Haus. Lenny muss dabei unwillkürlich an den berühmten Nachbarn denken, der hier mit seiner japanischen Frau gewohnt hatte. John Lennon lebte im Dakota 7 Jahre, mit kurzer Unterbrechung, dem „Lost Weekend“, das er aufgrund einer zeitweiligen Trennung von Yoko Ono in Los Angeles verbrachte. Lennon liebte New York. „An jeder Straßenecke hätte er sich neu verliebt, in diese hastige, dynamische Stadt.“ so ähnlich hatte sich John einmal in einem Zeitungsinterview geäußert. Demgegenüber stand seine Abneigung gegen den US-Staat, der von 1960 ab, über 13 Jahre Napalm und Tod in Vietnam verbreitete. 2 Millionen Menschen, davon 58.000 US-amerikanische Soldaten starben in diesem sinnlosen Krieg. Der damalige US-Präsident Nixon beauftragte das FBI, die staatsfeindlichen Aktivitäten John Lennons zu beobachten. Als John Lennon und Yoko Ono 1969 heirateten, nutzen sie ihre Flitterwochen, um bei einem „Bed-In“ Happening in einem Amsterdamer Hotel die ganze Welt auf den Krieg in Vietnam aufmerksam zu machen. Bei einer solchen Gelegenheit entstand auch ihre Friedens-Hymne „Give peace a chance“. Im selben Jahr organisierten sie eine weltweite Posterkampagne. Die schwarze Schrift auf weißem Hintergrund provozierte und forderte zum Handeln und Verweigern auf: „WAR IS OVER! IF YOU WANT IT Happy Christmas from John & Yoko”. Jahrelang führte John Lennon einen Prozess gegen den amerikanischen Staat, der ihn am liebsten losgeworden wäre. Lennon gewann nach 4 Jahren und erhielt seine Greencard. Was John Lennon besonders an New York mochte,


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