Himmelsfrost. Linda V. Kasten

Himmelsfrost - Linda V. Kasten


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Ideale auch deine sind? Wie kannst du blind jemandes Drecksarbeit machen…«, griff ich seine Wortwahl auf, »…ohne zu wissen welchen tieferen Sinn sie erfüllt?«

      Er wandte sich mir zu und erwiderte meinen Blick »Weil wir alle etwas wollen und er es uns geben kann.«

      Eine Gänsehaut breitet sich auf meinen Armen aus und meine Hand wanderte automatisch zu der Pfeilspitze an meinem Hals.

      »Und was ist es, dass du willst, Ayden Blake?«

      Er beugte sich ein Stück vor, als erwäge er, mir zu antworten, doch besann sich dann eines Besseren und schenkte mir stattdessen ein gequältes Lächeln, bevor er wieder hinaus auf den See blickte.

      Eine Weile schwiegen wir, dann sagte Ayden plötzlich: »Das mit deiner Freundin tut mir leid.« Ich wollte zu einer bissigen Erwiderung ansetzen, doch er fügte hinzu. »Ich weiß wie es ist jemanden zu verlieren, den man liebt. Der Tod deiner Freundin war grausam und unnötig und so etwas hat niemand verdient.«

      Ich stieß zitternd den Atem aus. »Wie kannst du so etwas sagen, wenn doch dein Clan dafür verantwortlich ist?«

      »Es ist nicht mein Clan. Ich befolge lediglich Befehle. Meine Seele gehört mir allein und ich würde niemals grundlos auf Befehl töten.«

      Ich schnaubte. »Das spielt doch keine Rolle. Vielleicht tötest du sie nicht durch deine eigene Hand, aber die Leute, für die du arbeitest, die du unterstützt und deren Befehle du blind befolgst, diese Leute haben tausende unschuldige Menschenleben auf dem Gewissen.«

      »Ich habe meine Gründe. Du hast kein Recht, mich zu verurteilen. Du weißt rein gar nichts über mich.«, seine Augen verdunkelten sich und er wandte den Blick ab.

      Ich zuckte mit den Schultern. »Mag sein, doch ich weiß, dass du für die falschen Leute, die falsche Dinge tust und das reicht mir.«

      »Mag sein.«, gab er leise zurück.

      Als der Mond im Zenit stand weckte ich Cora und rollte mich selber neben dem Feuer zusammen. Am nächsten Morgen schmerzten meine Glieder vor Kälte und Feuchtigkeit und ich setzte mich schwerfällig auf. Als ich mich streckte und mit einem tiefen Atemzug die kalte Morgenluft in mich einzog, nahm ich den schwachen Geruch von Schnee wahr. Es konnte also nicht mehr weit sein. Mein Magen kribbelte vor Nervosität. Ich war noch nie in einer größeren Stadt gewesen. Außerdem waren meine Eltern hier aufgewachsen.

      Cora saß ein Stück von mir entfernt und stocherte in dem heruntergebrannten Feuer herum. Als ich mich umdrehte, sah ich Ayden an einem Baum gelehnt sitzen. Sein Blick war starr auf den See gerichtet.

      »Ich habe ihm seine Dosis schon verabreicht.«, sagt Cora.

      Plötzlich landete ein kleiner Spatz auf ihrer Schulter. Sie zuckte überrascht zusammen, dann breitete sich ein erfreutes Lächeln auf ihrem Gesicht aus. »Du hast uns gefunden!«, der Spatz kletterte auf ihre Hand und Cora streichelte liebevoll über sein helles Gefieder.

      »Sky, darf ich vorstellen, das ist Ivy.«

      »Dein Dämon.«, stellte ich fest und ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Ich konnte mir keinen besseren Gefährten als einen kleinen, zierlichen Vogel für meine Tante vorstellen. Er passte perfekt zu ihrer sanftmütigen und liebevollen Art.

      »Wieso sehe ich sie heute zum ersten Mal?«, wunderte ich mich.

      Cora zuckte mit der Schulter. »Wir haben versucht diskret zu bleiben, damit du…«, sie senkte schuldbewusst den Blick. »…naja, du weißt schon, damit niemand auf falsche Gedanken kommt.«

      Ich nickte. »Verstehe.«

      Ich erinnerte mich, wie Cora öfters vor unserem Haus auf der Wiese saß und Vögel fütterte. Jedoch hatte ich mir nie etwas dabei gedacht, auch nicht als sie im Winter immer mal wieder Vögel in ihrem Zimmer pflegte. Damals schien mir nicht aufgefallen zu sein, dass es sich immer um den gleichen Vogel zu handeln schien. Wie auch, es war so typisch für Cora sich liebevoll um alle möglichen Lebewesen zu kümmern. Hätten Soey und ich nicht aufgepasst, wäre das ganze Haus voller Waldtiere gewesen, die Cora umsorgt hätte.

      Plötzlich kam mir ein beunruhigender Gedanke. Wie hatten wir das nur vergessen können?! Ich warf einen schnellen Seitenblick auf Ayden, der immer noch auf den hinaus starrte.

      »Cora, sein Dämon.«

      Sie blickte mich erschrocken an. »Wie konnten wir das vergessen? Verdammt Skyler!«

      Sie wandte sich Ivy zu und flüsterte irgendwas, bis der Vogel zurück in den Wald flog.

      »Wir sollten schnell weiter reiten, damit wir vor Sonnenuntergang in Dyllis sind.«

      Ich nickte. Wir tauschten beide noch einen besorgten Blick, dann machten wir uns daran unsere Spuren zu verwischen und die Pferde zur Weiterreise fertig zu machen.

      Uns beiden war klar, wie leichtsinnig es gewesen war nicht an Aydens Dämon zu denken. Er konnte längst beim Lixh-Clan sein und sie direkt zu uns führen.

      Wir ritten den ganzen Tag ohne Pause. Mein ganzer Körper schmerzte und der Hunger nagte an mir. Gegen Nachmittag begann es zu schneien. Ich zog meinen Umhang enger um mich und versuchte mich, so gut es ging, vor dem schneidenden Wind zu schützen. Schneeflocken verfingen sich in meinen Wimpern und als ich nach einer weiteren vergangenen Stunde die Landschaft in Augenschein nahm, war alles mit einer dünnen Schneedecke bedeckt. Obwohl es immer kälter wurde, konnte ich die Schönheit dieses Anblickes nicht leugnen. Je weiter wir gen Norden ritten, desto dunkler und stürmischer wurde es. Der am Morgen noch klare Himmel war nun von dicken Wolken bedeckt. Im letzten Tageslicht nahm ich in der Ferne plötzlich ein Blitzen am Horizont wahr. Ich gab Gladier die Sporen und trieb es die letzten Meter des Hügels hinauf. Oben angekommen machte ich halt und schob mir atemlos die Kapuze vom Kopf. Schneeflocken rieselten mir in den Nacken, doch ich starrte wir gebannt auf den Anblick, der sich mir bot. Eine weite verschneite Ebene mit kleinen Dörfern und Tannenwäldern und dahinter, etwas höher gelegen, im Rücken die Berge, ragten die Türme eines Schlosses in den Himmel. Weiße Steinmauern mit ihren grauen Türmen streckten sich kunstvoll in den Himmel. Der Rest des Schlosses war hinter verschneiten Tannen versteckt, welche den Hügel hinauf, zwischen vereinzelnden Felsen verteilt waren. Ehrfürchtig betrachtete ich den Anblick, der sich mit bot. Als Cora hinter mir mit Ayden auftauchte, zuckte ich erschrocken zusammen. »Wunderschön nicht wahr?«

      Ich nickte. »Ja, wunderschön.«

      Als wir weiter ritten, hörte ich Ayden etwas von Weißem Tod murmeln.

      Erst da fiel mir ein, wie schlimm es für einen Feuerwächter, umgeben von Schnee, wohl sein musste.

      Nach einer knappen halben Stunde erreichten wir die Außenbezirke. Anders als in Nebelhöhe, standen die Häuser hier eng beieinander und boten den Menschen in den Straßen so ein wenig Schutz vor dem eisigen Wind. Vor den Hütten war Feuerholz gestapelt und Menschen in dicken Pelzmänteln liefen durch die Straßen. Überall an den Häusern leuchteten Lichter und die Straßen waren von Laternen gesäumt, in denen kleine Flammenkugeln brannten. Je weiter wir ritten, umso mehr Lichter wurden es. Größere Plätze an denen wir vorbei kamen, waren von Tannen umrahmt, um den Wind abzuhalten und am Wegesrand bildeten sich Schneehaufen, in denen vereinzelnd Kinder spielten. Die Luft roch nach Schnee, Kaminfeuer und Tannennadeln und obwohl die Kälte sich langsam aber sicher einen Weg unter meinen viel zu dünne Umhang bahnte, konnte ich doch das Gefühl von Geborgenheit nicht ignorieren, welches sich in mir auszubreiten begann. Wir näherten uns den Stadtmauern Dyllis' und ich kam nicht ohnehin, die neugierigen Blicke der Menschen zu bemerken, welche uns hinterherschauten. Die Wachen am Tor hoben die Köpfe, als wir uns ihnen näherten. Sie trugen weiß goldene Uniformen mit dem Wappen der Eiswächter. Die Tore waren weit geöffnet und auch jetzt, am frühen Abend noch, herrschte ein geschäftiges Treiben. Kutschen fuhren aus und ein und vereinzelnd boten Händler am Straßenrand ihre Waren an. Cora vor mir stieg von ihrem Pferd und drückte mir die Zügel in die Hand. Sie tauschte ein paar Worte mit den Wachen am Tor. Ich ritt ein Stück näher an sie heran, um zu verstehen, was sie sagten, als die eine Wache plötzlich verschwand und kurz darauf mit einer anderen Person


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