Kinder des Mondes. Evadeen Brickwood
gekommen. Jetzt konnten die drei endlich über Trevors Abenteuer reden. Sie mussten aber noch vorsichtig sein. Holly würde mit Sicherheit alles sabotieren, wenn sie von dem nächtlichen Experiment erfuhr.
“Bist du sicher, dass es Schuppen waren?”
Sie saßen im Gemeinschaftszimmer auf dem zweiten Stockwerk und behielten die Tür im Auge. Alle anderen waren noch unten im Speisesaal.
Chryséis verlangte zum hundertsten Male die kleinsten Einzelheiten der Testreise, obwohl sie jedesmal ein kribbelndes Gefühl in der Magengrube bekam.
“Bin mir nicht sicher. War zu dunkel. Vielleicht auch sowas wie Federn,” meinte Trevor ergeben. Je mehr er darüber nachdachte, desto weniger konnte er sich daran erinnern was wirklich passiert war. Vielleicht hatte er nur geträumt. Er wusste aber noch genau wie er sich in der Vortex immer wieder im Kreis drehte. Kein Traum also.
“Hört sich ganz wie ‘n Dinosaurier an.” Katherine sprach aus was alle dachten.
“Ja, vielleicht.”
“Das muss dann ‘ne ziemlich lange Reise gewesen sein,” sagte Chryséis.
“Kann sein. Ich hab’ einfach nur den Knopf gedrückt und bin reingesprungen, bevor die Vortex sich wieder schließen konnte.” Trevor musste gähnen. Warum war das alles so wichtig?
“Ohne vorher die Zeitspanne zu wählen?”
“Ja, ohne vorher die Zeitspanne zu wählen.”
“Das müssen wir unbedingt verbessern.”
“Ja.”
“Und du sagst, es war heiß und roch ganz grässlich?”
Katherine konnte das Thema einfach nicht lassen. Wenn Zeitreisen sich so ausnahm, war das ein Problem. Dinosaurier - das musste man sich mal vorstellen!
“Katie, ich weiß das nicht mehr so genau. Es dauerte ja nur eine Minute oder so. Hört jetzt endlich auf mit der Fragerei.”
Aber seine wissenschaftlichen Kollegen wollten die Sache noch lange nicht ruhen lassen.
“Heh, wir haben hierfür schließlich auf Nachtisch verzichtet,” protestierte Chryséis. “Nur mal so zum Sagen… was würde passieren, wenn wir in die Frühgeschichte reisen und dort einem Dinosaurier begegnen …oder einem Höhlenmenschen?”
Es war besser sich mit Fakten auseinanderzusetzen. “Oder wir landen mitten in einem Ozean oder in einem Vulkan?”
“Was?” fuhr Katherine auf. Sie aß an einer Tafel Schokolade und spielte mit dem Papier herum, um ihre Nerven zu beruhigen.
“Wir brauchen ja nicht so weit zurückgehen. Außerdem gibt’s ja Bücher über Erdgeschichte und ‘ne Menge DVDs.” Trevors Interesse war wieder geweckt.
“Wenn’s ein richtiger Knaller sein soll, müssen es schon ein paar tausend Jahre sein. Sonst ist es ja langweilig. Wir forschen einfach nach, bevor wir reisen. Musst du dauernd das blöde Schokoladenpapier zerknüllen?”
Katherine stopfte das Papier in ihre Jackentasche.
“Wir stellen Zeitreferenzen ein, nicht nur den Ausgangspunkt.” Trevors Blick fiel auf die Wanduhr. “Sorry Leute, ich muss gehen. Walt wartet sicher schon mit dem Besen auf mich.” Sprach’s und eilte die Treppe hinunter.
“Wir müssen aufpassen. Wenn Holly von der Sache Wind bekommt, sind wir geliefert.” Chryséis verzog ihr Gesicht als hätte sie in eine Zitrone gebissen.
“Vielleicht lässt sie Natascha schon hinter uns her spionieren.”
“Was sollen wir machen, nur herumsitzen?” fragte Katherine.
Ein paar Viertklässler kamen mit ihren Hausaufgaben herein. Sie schenkten den großen Mädchen keine Aufmerksamkeit und fingen an japanische Vokabeln zu lernen.
“Nein. Trevor fegt, also gehen wir zwei in unsere gute alte Bibliothek. Wir können mit Meeren und Vulkanen anfangen,” flüsterte Chryséis.
Sie fanden ein paar DVDs in der Bibliothek, die sie sich später anschauen wollten und brachten sie auf ihr Zimmer im zweiten Stock.
“Komm’ wir gehen zum Teich runter,” schlug Chryséis vor. “Wenigstens können wir da sicher sein, dass wir Holly nicht treffen. Sie kann Wasser nicht ausstehen.”
Die beiden Freundinnen setzten sich an den Rand des Teichs und zogen ihre Turnschuhe aus.
“Dinosaurier sind eklig.” Katherine schüttelte sich.
“Weiß ich nicht, hab’ noch nie einen lebendig gesehen,” meinte Chryséis. Wie wär’s damit… wir können ja mal nachschauen…”
“Was? Was nachschauen?”
“Na, wie man sich unsichtbar machen kann.”
“Oh OK. Unsichtbar machen,” Katherine dachte nach. “Neue Richtung. Ich glaube ich hab’ da mal was drüber gelesen, in einer Zeitschrift.”
“Was für ‘ne Zeitschrift denn?”
“Ich hab’s, es war in ‘Science Today’, der Dezember Ausgabe. Irgend ein Erfinder in Kansas hat sich da was Cleveres ausgedacht. Mit Lichtwellenbiegung. Keiner nimmt das so richtig ernst, aber ist ja egal. Wir können es ja mal ausprobieren.”
“Auf jeden Fall ist es sicherer, wenn man sich unsichtbar machen kann... wenn es sein muss,” sagte Chryséis. “Falls es einem alten Neandertaler einfällt, uns zum Frühstück zu futtern. Oder einer riesigen Dinosaurierdame mit grün-goldenen Schuppen, wenn wir zu nahe an ihr Nest rankommen...”
“Oh ja, wir wollen ja nicht als Neandertaler-Müsli enden. Du hast vielleicht ‘ne Fantasie.”
“Ich mein es ernst, Chris,” sagte Katherine und bekam eine Gänsehaut.
Chryséis hörte auf zu lachen. “Ich auch. Ein virtueller Unsichtbarkeitsumhang muss her. Werde mir nochmal die Ausgabe von ‘Science Today’ ansehen. Wird nicht lange dauern.” Sie trockneten ihre Füße an dem langen Gras ab, nahmen die Schuhe in die Hand und gingen barfuß zum Schulgebäude zurück.
In den nächsten Tagen machten die drei Freunde endlich Fortschritte. Sie recherchierten die Idee mit dem Unsichtbarkeitsumhang. Die Sache war dann überraschend schnell in die Tat umgesetzt. Chryséis bot sich mutig als Versuchskaninchen an. Sie mussten nur sichergehen, dass am Nachmittag alle zur Imbisszeit hinten auf der Veranda waren. Die beste Zeit für so ein Experiment.
“Du wirst uns noch verraten mit deinem ständigen Gezappel,” sagte Chryséis zu Katherine. “Was ist, wenn Holly Benson was mitkriegt?”
Gegen Nervosität half ihrer Meinung nur eins.
“Komm’ mach’s mir nach.”
Chryséis machte gerade die Brücke auf dem Fußboden des Schlafraums. Eine ihrer bevorzugten Jogastellungen. Ihr umgekehrtes Gesicht sah ganz komisch aus, wenn sie redete.
“Ne keine Lust,” sagte Katherine. “Warum sollte sie was ‘rausfinden?”
“Du kennst doch Holly. Wenn die Lunte riecht, lässt sie so schnell nicht locker. Wo bleibt denn Trevor?”
Jemand klopfte und die Tür. Dreimal lang und zweimal kurz. Das Geheimzeichen.
“Aah, da ist er auch schon.” Chryséis entrollte sich.
“Seid ihr fertig?” flüsterte Trevor ungeduldig.
Er hatte keine Lust im Mädchenflügel erwischt zu werden und für den Rest des Jahres die hintere Veranda zu fegen. “Kommt, macht hin. Wir wollen nicht auch noch das Abendessen verpassen.”
“Warum denkst du dauernd ans Essen?” fragte Katherine irritiert.
“Ich mag keine Schokolade.”
“Hört auf zu streiten. Geh’ schon mal vor, Trev, wir kommen gleich.”