Kinder des Mondes. Evadeen Brickwood

Kinder des Mondes - Evadeen Brickwood


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stand dicht bei ihnen. Hinter Prof. Cromwell. Trevor mochte sie nicht besonders und es war unwahrscheinlich, dass sie sich über die Ferien gebessert hatte.

      Sie hatte ein hübsches Gesicht und dunkle Locken. Wenn man sie nicht kannte, konnte das leicht täuschen. Holly Benson mochte Schüler nicht, wenn sie ein Stipendium hatten. Was immer der Grund dafür sein mochte. Sie warf ihre dunklen Locken zurück und musterte scheinbar gleichgültig die Neuankömmlinge.

      Am liebsten hätte Holly ja Chryséis zur Freundin gehabt. Mr. Cromwell kam aus einer alt eingesessenen Familie und war Vorsitzender von Etheridgevilles Industrie- und Handelskammer. Gute Familie, wie Hollys Dad sagte.

      Der Klassentyrann stand hinter Prof. Cromwell, die sich jetzt mit ihren Eltern unterhielt. Sie hatte die drei Freunde entdeckt, wie sie lachten und schwatzten.

      Warum musste sich Chryséis sich mit einem Typen wie Trevor Huxley aus Chicago abgeben? Er war so gewöhnlich. Wie der es wohl geschafft hatte nach Pemberton zu kommen!

      Mr. Bensons Firma spendete jedes Jahr eine ansehnliche Summe an die Schule. Da konnte er wohl erwarten, dass seine Tochter mit den Kindern gleichwertiger Familien zur Schule ging. Und was Katherine anging - was war eigentlich so besonderes an ihr, dass Chryséis das englische Mädchen als beste Freundin vorzog?

      “Trevor, ich hab’ dich gefragt, ob du ‘n interessantes Buch gelesen hast.”

      “Ach so. Ich war eigentlich mehr im Internet,” gab Trevor zu.

      “Typisch.”

      “Diese neue Astronomie-Webseite ist einfach toll. Da gibt’s einen Screensaver mit ganz tollen Bildern von Planeten und Galaxien und Info über schwarze Materie.”

      Trevor fühlte sich in der virtuellen Welt des Internets zuhause. Von Computerspielen mal ganz abgesehen.

      “Und was sonst noch?” fragte Katherine.

      Bevor er etwas erwidern konnte, sagte Chryséis begeistert, “Ihr müsst unbedingt ‘Entfernte Resonanz’ lesen. Das neue Buch von Professor Herbert Shelton. Es geht darum, dass wenn was auf der einen Seite der Erde passiert, jemand auf der anderen Seite ziemlich genau die gleiche Idee haben kann, und...”

      Holly Benson hatte sich unbemerkt neben ihren Vater, Harold J. Benson III, gestellt. Direkt vor die drei Freunde.

      “Herbert Shelton? Hab’ ich schon vor ewigen Zeiten gelesen. Gutes Buch,” unterbrach sie mit wichtiger Miene. “Wahrscheinlich zu teuer für dich, was Trevor?”

      Trevor rollte mit den Augen und Katherine erschrak.

      “Wupps, wo kommst du denn auf einmal her?”

      “Ach komm Holly. Wer hat dich denn gefragt?” sagte Chryséis ärgerlich.

      Holly schien nie mitzubekommen, wenn sie unerwünscht war.

      Prof. Cromwell merkte, wie sich die Stimmung vereiste und kam ihnen zuhilfe.

      “Hallo Holly, nett dich zu sehen Kleine,” sagte sie schnell und blickte auf ihre Uhr. “Mrs. Benson, Mr. Benson es wird Zeit zu gehen. Auf Wiedersehen.”

      Sie wusste zu gut, wie ihre Tochter reagieren konnte und bugsierte die Kinder die Stufen zur Eingangshalle hinauf. Bevor Mr. Benson Gelegenheit hatte, sie weiter über die Vor- und Nachteile eines Karibikurlaubs zu belehren.

      “Schaut, drinnen ist schon alles vorbereitet,” sagte sie.

      Chryséis zog mit Trevors Hilfe einen kleinen, blauen Koffer hinter sich her.

      “’Habe Herbert Shelton schon vor ewigen Zeiten gelesen’… blahblah. Wen will sie eigentlich beeindrucken? Pah!” murmelte sie dabei vor sich hin. Sie hatte schon jetzt die Nase voll von Holly, und die Schule hatte noch nicht mal begonnen.

      Kurz darauf hielt Dr. Broadbent seine Rede.

      “Guten Tag, meine Damen und Herren, liebe Eltern und andere anwesende Erwachsene...” Dr. Broadbent sprach die Schüler immer mit ‘Damen und Herren’ an.

      Er war ein ziemlich cleverer Mann von etwa fünfzig Jahren, mit rötlichen Wangen und einer Halbglatze. Das Bild eines Schuldirektors. Seine Ansprachen waren oft mit kleinen Wortspielen gespickt, die dazu dienen sollten, seine jungen Zuhörer wachzuhalten. Heute war seine Rede eher zahm.

      Einer der Achtklässler und entfernter Cousin Hollys, Bradley Benson, stieß einen kleineren Jungen unsanft zur Seite und Dr. Broadbent hörte auf zu sprechen, bis die Ordnung wieder hergestellt war. Zu Anfang des Schuljahres war er noch gut gelaunt. Die geräumige Eingangshalle füllte sich langsam.

      “...und so betreten wir wieder die heiligen Hallen des Lernens. Ich möchte auch unsere geschätzten Lehrkräfte willkommen heißen - die sich sicher irgendwo im Gebäude verstecken. Alle Eltern und auch unsere neuen Schüler. Möge Ihr Aufenthalt in Pemberton genauso erfolgreich sein, wie…” Er sprach noch zehn lange Minuten. Danach gab es Häppchen am Buffet, bevor die Eltern sich wieder auf den Weg machten. Dann ging’s gleich wieder in den Alltag über.

      Die kleine Privatschule hatte nur zwei Klassen pro Stufe. Katherine, Trevor und Chryséis waren diesmal in der gleichen Klasse. Allerdings auch Holly und ihre zur Zeit beste Freundin Natascha Manning.

      “Na prima!” stöhnte Chryséis .

      “Ach komm’, das lässt sich nicht ändern,” flüsterte Trevor.

      “Das werden wir ja sehen.”

      Wenigstens war jetzt Dr. Wilkins ihr Klassenlehrer. Ein eifriger, wenn auch oft langweiliger Lehrer, der es gut mit einem meinte. Leider ließ er sich leicht aus der Fassung bringen. Die achte Klasse brach noch immer in wildes Gekicher aus, wenn der Streich von letztem Oktober zur Sprache kam. Anscheinend hatte das Ganze was mit einem Furzballon zu tun.

      Nach dem eiligen Abendessen wurden die Schlafräume eingeteilt. Kleidung, Bücher und andere Habseligkeiten wanderten lautstark aus vollgestopften Taschen und Koffern in gähnend leere Schränke und Schreibtische.

      Die Jungs waren im Ostflügel des Schulgebäudes. Die Mädchen im Westflügel. Bald ertönte Schwatzen und Gelächter in den Gesellschaftsräumen.

      “Habt ihr Vanessa gesehen? Nein diese neue Frisur!”

      “Ich habe gehört, dass sich Bobbys Eltern scheiden lassen …” “Nein!”

      “Ich nehme dieses Jahr Japanisch als neue Sprache dazu...”

      Chryséis teilte sich ein Eckzimmer im zweiten Stock mit Katherine und Sally Holfield, einem neuen Mädchen aus Missouri. Sie war kein Morgenmensch und mochte keine grelle Morgensonne. Deshalb stellte sie zufrieden fest, dass die Fenster nach Westen zeigten. Hollys Zimmer befand sich zum Glück in der ersten Etage.

      Trevor hatte seine Sachen schon vor Stunden ausgepackt und saß lesend auf einer Bank draußen. Chryséis lehnte sich aus dem Fenster und winkte.

      “Hallo Trevor!”

      Es war nicht gerade cool, einem Mädchen in ihrem Schlafraum zuzurufen. Trevor winkte nur kurz und nahm sich dann wieder sein Buch, ‘Die Libelle’ von H.A. Humphries, vor. Ein anspruchsvoller Roman über einen chinesischen Jungen während der Ming Dynastie. Trevor hatte nur noch 74 Seiten vor sich und wollte das Buch heute noch zu Ende lesen.

      Katherine verstaute ihre Socken in der untersten Schublade und gab Sally freundschaftliche Ratschläge. Sally Holfield war noch ganz befangen, weil sie auf so eine berühmte Schule ging. Sie glaubte mit den anderen nicht mithalten zu können.

      “Du musst wissen, dass unsere Snobs sich ab und zu die Neuen vornehmen. Also kannst du etwas Schikane von denen erwarten.” Sie wusste, wovon sie sprach.

      “Das ist aber gemein!”

      “Ja, aber lass’ die einfach nicht an dich ‘ran. Wir sind ja auch noch da.”

      “Trevor gab Holly Benson letztes Jahr solange die kalte Schulter,


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