Kinder des Mondes. Evadeen Brickwood

Kinder des Mondes - Evadeen Brickwood


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Kopf. Ihr Mund war so trocken. Sie schluckte, aber der Kloß im Hals wollte nicht weggehen. Ausgerechnet jetzt bekam sie Panik!

      Und zu allem Überfluss schoss ihr auch noch eine sehr beunruhigende Frage durch den Kopf: Konnte man prähistorische Luft eigentlich einfach so einatmen oder war das gefährlich? Der Gedanke war verrückt. Das ganze Experiment war verrückt. Gefährlich sogar!

      Katherine schluckte verzweifelt und kämpfte gegen den unwiderstehlichen Drang an davonzulaufen. Dafür war es jetzt aber zu spät. Sie konnte ihre Freunde nicht im Stich lassen.

      Trevor hatte schon den großen weißen Knopf seines ZPSs aktiviert und war dabei, eine geeignete Stelle zu finden. Mal peilte er diesen Fels an, mal jenen. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass gleich etwas passieren würde. Und tatsächlich, das graue Gestein vor ihm begann plötzlich zu schimmern. Ein Vorhang wie damals im Schulgarten. Ein Portal zum Raum-Zeit Kontinuum!

      “Ich hab’s ja gewusst!” rief er.

      Katherine starrte wie gebannt auf die vibrierende, schimmernde Stelle. Eine Zeitschleife, das musste eine Zeitschleife sein!

      “Los, jetzt alle zusammen.” Auf Trevors Signal hin pressten sie den obersten roten Knopf durch das Plastik hindurch, um die heutige Zeitreferenz einzuloggen. Geschafft. Der erste Schritt war gelungen.

      “Ich aktiviere jetzt. Macht euch fertig.”

      Die Mädchen hielten sich an der Hand und Trevor drückte zum zweiten Mal auf den großen, weißen Knopf.

      Kapitel 2

      Ein Aufregendes Neues Schuljahr

      Am Ende der Winterferien war das Experiment im Carter-Tal noch reine Zukunftsmusik.

      Wie so oft hatte Walt, der Hausmeister, Katherine und andere Schüler vom Flughafen in Etheridgeville abgeholt. Zeitreisen war so ziemlich das letzte woran Katherine dachte, als sie sich auf dem Rücksitz des altmodischen, schwarzen Volvos zurücklehnte. Sie sah verträumt auf die vorbeihuschende Landschaft und versuchte Privesh und Hendrik zu ignorieren, die sich lauthals über irgendeinen öden Sport unterhielten.

      Sieht fast so aus wie in England, dachte sie sehnsüchtig, wenn nur die grauen Moosbärte an den Eukalyptusbäumen nicht wären. Sowas hatte sie in England noch nie gesehen. Und der Himmel war eigentlich auch viel zu blau.

      Ein einsames Wölkchen wanderte auf die linke Seite und drängte sich zwischen die Bäume, als der Wagen in die Straße beim breiten Schultor einbog. Ah, da war noch eine zweite Wolke, nicht weit von der ersten. Schon besser.

      Katherine seufzte und lehnte sich wieder ins weiche Lederpolster zurück.

      Die Ferien waren wie immer viel zu kurz gewesen. Schon jetzt vermisste sie ihre sanfte französische Mutter und Dad und Tante Trudie und das große Haus in Oxfordshire. Tante Trudie, Mutters jüngere Schwester, war immer so nett und lustig.

      Ihre beiden jüngeren Brüder Graham und Frederick vermisste sie nicht besonders. Die waren verwöhnt und ließen sie nie in Ruhe.

      Dad war oft auf Geschäftsreise. Der Geruch von Ledermöbeln und Zigarren erinnerte Katherine immer an ihn. Wenn Dad mal zuhause war, saß sie am liebsten auf seinem Schoss und lauschte seiner tiefen, klangvollen Stimme. Er erzählte gern, was er auf seinen Reisen alles so erlebt hatte. Wie die faszinierende Geschichte von der Hochzeit in Pakistan, zu der er eingeladen war.

      “Die Braut war in einen rot-goldenen Sari gewickelt und der Bräutigam trug einen Schleier aus Goldlametta vor dem Gesicht,” hatte er berichtet. “Die Frauen im Dorf tanzten im Kreis herum, mit Wasserkrügen aus Metall auf dem Kopf.”

      Dad war auch auf einem bemalten Elefanten geritten! Katherine versuchte sich das alles vorzustellen, als sie den Geruch der Ledersitze schnupperte. Dieses Mal war Dad nur für drei kurze Tage nach Hause gekommen. Dann musste er wieder nach Hong Kong fliegen.

      Wäre alles einfacher, wenn ihre Eltern kein Geld hätten? Katherine dachte oft an den Luxus einer normalen Kindheit, ohne endloses Internatsleben und all das. Das Leben war wirklich unfair. Warum durfte sie nicht so aufwachsen wie alle anderen Kinder? Na ja, wie fast alle anderen Kinder. Auf Pemberton gingen viele Kinder mit reichen Eltern.

      Hinter gepflegten Rasenflächen am Ende der Straße, erschien das große, rot-weiße Schulgebäude mit seinen ungeheuer vielen Dächern und Türmchen. Katherine fragte sich zum x-ten Male, wer sich das wohl ausgedacht hatte.

      Es gab eine Unmenge von Blumenbeeten, Büschen und schattigen Bäumen in Pemberton. Die üppige Vegetation hielt zwei Gärtner das ganze Jahr über auf Trab. Als der Wagen am grünen Golfplatz vorbeischnurrte, schimmerten hier und da plätschernde Springbrunnen und ein paar Teiche durch die Botanik.

      Die Sportanlagen von Pemberton konnten sich auch sehen lassen. Schade nur, dass Katherine sich kein bisschen für Sport interessierte.

      Dann hatten sie auch schon die Tennisplätze hinter sich gelassen und der Wagen schlängelte sich die alte Allee zwischen hohen Eukalyptusbäumen entlang. Walt steuerte den schwarzen Volvo die breite Auffahrt hinauf. Ein vertrauter Buckel in der Straße riss Katherine aus ihren Träumereien. Ein rotes Eichhörnchen mit buschigem Schwanz lief geschwind den Stamm eines alten Baumes rauf- und runter, als sie den kiesbedeckten Parkplatz erreichten. Direkt vor der breiten Eingangstreppe.

      Überall liefen Kinder zwischen den geparkten Autos umher und gutgekleidete Erwachsene standen schwatzend neben aufgestapelten Gepäckstücken.

      Ein gewohnter Anblick.

      Die Schulzeitung behauptete immer stolz, dass Pemberton-Schüler aus allen Ecken und Enden der Vereinigten Staaten, aus Europa und so weit entfernten Ländern wie Korea, Südafrika und Neuseeland kamen. Die Akademie genoss weltweit einen ausgezeichneten Ruf.

      Ein schluchzender Junge von etwa acht Jahren war anscheinend neu an der Schule und hängte sich an seine mittlerweile ungehaltene Mutter.

      “Mama, ich will nicht hierbleiben. Bitte lass uns gehen...”

      Sie schimpfte halb flüsternd mit ihm und versuchte seine Finger von dem teuren, hellrosa Designer-Kostüm zu klauben.

      "Lester…, hör’ sofort auf damit. Nein, hör’ auf... bitte - es reicht jetzt!”

      Sie versuchte gleichzeitig auf Woody Kranichs Mutter, einer bekannten Modejournalistin aus Kalifornien, einen guten Eindruck zu machen. Lester setzte sich ergeben auf seinen Designerkoffer und sah unglücklich drein.

      Katherine selbst hatte in der ersten Klasse der Boeing zwischen London und New York ein paar heimliche Tränen vergossen. Als sie dann endlich in Etheridgeville landeten, waren die Tränen schon lange wieder getrocknet. Sie verstand, dass ihre Eltern nur die beste Ausbildung für sie wollten. Und sie konnten es sich leisten. Dagegen konnte man nichts machen.

      Der Volvo kam zum Stehen. Die großen Türflügel oben auf der Treppe waren einladend geöffnet. Neben der Eingangstür aus dunklem Holz war ein poliertes Messingschild: ‘Pemberton Akademie für Fortschrittliches Lernen’.

      “So, da wären wir,” sagte Walt. Seine Stimme war rau wie ein Reibeisen. “Raus mit euch. Ich hole zackzack euer Gepäck aus dem Kofferraum und bringe es in die Eingangshalle.”

      Walt war ein netter Mensch mit drahtigen, grauen Haaren. Er war schon seit Ewigkeiten Hausmeister und Chauffeur in Pemberton - sogar noch länger als die fette Köchin Mrs. Hadley - und beaufsichtigte das Personal. Walt war stolz auf seine wichtige Stellung. Er schätzte Dr. Broadbent und hatte ein weiches Herz für die Schüler. Naja, für die meisten.

      Solange sie nicht in seinen gepflegten Blumenbeeten herumtrampelten oder mit dem Wasserschlauch Springbrunnen spielten. Wasser war heutzutage schließlich teuer. Einfach zu schlau für ihr eigenes Wohl waren viele von ihnen, dachte er und öffnete den Kofferraum. Einfach zu schlau für ihr eigenes Wohl.

      Katherine und die beiden Jungs sprangen auf den knirschenden Kies. Es war ihr mittlerweile in


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