Sky-Navy 13 - Kampf um Rigel. Michael Schenk

Sky-Navy 13 - Kampf um Rigel - Michael Schenk


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Fruchtbarkeit und der strikte Glauben an die Überlegenheit führten zu einer gewaltsamen Expansion der Norsun. Dieser waren bereits mehrere Fremdvölker zum Opfer gefallen. Damals griffen sie die Negaruyen an, verwandelten deren fruchtbare Heimat in eine Wüste und vernichteten nahezu alle Kolonien. Doch die Negaruyen überlebten im Verborgenen und führten jetzt seit fast achthundert Jahren einen unbarmherzigen Kleinkrieg gegen den alten Feind. Ein Krieg der Nadelstiche, bei dem keine Seite den entscheidenden letzten Sieg erringen konnte.

      Als man die Menschheit auf der galaktischen Bühne entdeckt hatte, hofften die Negaruyen, in dem humanoiden Volk einen Verbündeten zu finden. Jeder Verbündete, und sei er noch so schwach, erhöhte die Chance, die Insektoiden doch noch zu bezwingen. Ein anfängliches Missverständnis führte tatsächlich zu einem Kampf zwischen Menschen und Norsun, doch es kam nicht zu dem von den Negaruyen erhofften umfassenden Krieg.

      Der Plan der Primär-Kommandantin Desara-dal-Kellon, ein menschliches Schiff zu erobern, mit ihm Welten der Norsun zu überfallen und so endlich den ersehnten Konflikt zu erzwingen, war gescheitert. Die fähige Flottenbefehlshaberin war auf die verborgene Welt befohlen worden. Nun stand sie vor der Statue der Namenlosen, konzentrierte sich auf ihr Innerstes und bereitete sich darauf vor, sich vor der Primär-Matriarchin zu verantworten.

      Die verborgene Welt war ein Paradies. Fauna und Flora waren üppig. Nur ein Stück der Oberfläche, die kreisförmige Öde der Namenlosen, zeigte noch das Antlitz nach dem Angriff der Norsun. Hier wurde jeder erneute Pflanzenwuchs sorgsam beseitigt, denn dies war die Stätte der Erinnerung an die Unbarmherzigkeit des Feindes und die Stätte der Mahnung, es ihm mit der gleichen Gnadenlosigkeit zu vergelten.

      Desara-dal-Kellon war in Begleitung ihrer vierköpfigen Leibgarde. Die Männer trugen seidige hellblaue Kampfanzüge und führten Klinge, Neuropeitsche, Pulsenergiepistole und Raketengewehr. Ein breiter hellroter Farbstreifen verlief von der rechten Schulter zur linken Hüfte und zeigte, dass die Leibgardisten das Recht besaßen, jederzeit tödliche Gewalt anwenden zu können, ohne hierüber Rechenschaft ablegen zu müssen. Nur zwei Personen waren für sie unberührbar: Ihre Schutzbefohlene, Desara-dal-Kellon, und die Primär- Matriarchin.

      Desara verzichtete auf einen Schutzpanzer. Sie trug ihre Dienstuniform. Einen hellblauen Einteiler, in den das Schuhwerk eingearbeitet war. An die breiten Manschetten konnten Handschuhe angeschlossen werden und der hohe und steife Stehkragen war für die Arretierung eines Raumhelms geeignet. Die Uniform erfüllte die Erfordernisse eines Raumanzuges und erfüllte damit die praktischen Erwägungen, die zur Lebensphilosophie der Negaruyen gehörten. Dennoch wusste man natürlich auch Dinge zu schätzen, die nicht nur zweckdienlich waren.

      Entlang der Außenseiten der Ärmel verliefen drei schmale parallele hellgrüne Streifen. Sie zeigten Desaras Zugehörigkeit zur Flotte an. Am hellgrünen Stehkragen waren jeweils drei hellrote fünfzackige Sterne befestigt. Sie bewiesen den hohen Rang als Primär-Kommandantin und Oberbefehlshaberin der Flotte.

      Sie und ihre Gardisten trugen alle das kreisrunde weiße Feld an der linken Brustseite, dessen Inhalt die verborgene Welt symbolisierte: Zwei schlanke Hände, die sich schützend zu einem einzelnen Stern erhoben, umgeben von einem blauen Ring, der die Gemeinschaft symbolisierte.

      Desara-dal-Kellon verzichtete auf eine Kopfbedeckung. Das glatte blonde Haar trug sie kurz, so dass es wie eine Kappe eng am Kopf anlag. Da sie vor die große Matriarchin treten würde, waren Kontaktlinsen und Nasenattrappe entfernt, die der Täuschung des Feindes gegolten hatten. An Stelle einer menschlichen Nase befand sich ein flaches Muskeldreieck mit zwei senkrechten Atemschlitzen. In dem ebenmäßigen Gesicht dominierten nun wieder die vollen Lippen und die großen hellblauen Augen mit den silbernen Pupillen.

      Von der fehlenden Nase einmal abgesehen, hätte Desara sogar unter den Menschen als sehr attraktiv gegolten, doch es gab Lebewesen, bei denen man instinktiv vor einer näheren Beziehung zurückschreckte. Die Primär-Kommandantin strahlte Funktionalität und Gefühlskälte aus, auch wenn beides nicht wirklich zutraf. Sie genoss durchaus die Freuden des Lebens, auch wenn ihr Trachten alleine dem Wohl der verborgenen Welt galt.

      „Ehrenwerte, es ist an der Zeit“, erinnerte einer der Gardisten leise.

      Eher unbewusst stampfte sie kurz mit dem linken Fuß auf und gab so das Zeichen ihrer Zustimmung. „Fliegen wir“, entschied sie. „Die Zeit der Erinnerung an das Vergangene ist vorbei. Nun muss ich mich unserer Zukunft und der Primär-Matriarchin zuwenden.“

      Der linsenförmige Gleiter brachte sie innerhalb einer Stunde in die Hauptstadt und so betrat Desara-dal-Kellon, rechtzeitig und ohne die Begleitung ihrer Leibgardisten, jenen Raum der Residenz, den die Primär-Matriarchin privaten Audienzen vorbehielt.

      Der Raum war gemütlich eingerichtet. Es gab eine bequeme Sitzgruppe, reichlich Pflanzen, einen transparenten Wassertank mit Zierfischen, einen munter plätschernden Brunnen, dessen Wasserstrahl in einen kleinen Teich traf sowie einen Versorgungsbereich für Getränke und Nahrung. In dem mit Holz bedeckten Boden war das Emblem der verborgenen Welt eingelegt. Die sanft gewölbte Decke wurde von einer holografischen Karte gebildet. Große Panoramascheiben erlaubten den Ausblick auf die blühende Hauptstadt.

      Es wirkte luxuriös, obwohl jeder Negaruyen wusste, dass die Primär-Matriarchin keinerlei Wert auf Luxus legte. Ja, dass sie diesen nicht einmal hätte genießen können, wenn sie das gewollt hätte, denn die junge Frau, die auf einem der bequemen Polster saß, war keine wirklich lebende Person.

      Die Primär-Matriarchin hatte das Aussehen einer jungen Frau, doch dies täuschte über ihr wahres Alter. Sie war sicher die Älteste noch lebende Negaruyen und hatte, als kleines Mädchen und Tochter der damaligen Primär-Matriarchin, den Angriff der Norsun miterlebt. Kurz vor dem Tod ihrer Mutter, als junge Frau, war sie selbst zur Primär-Matriarchin erhoben worden. Ihrem Willen entsprechend, war es den Wissenschaftlern gelungen, sie in eine Kältestasis zu versetzen, so dass ihr Körper kaum mehr alterte, ihr Geist davon jedoch unberührt blieb. Ein holografischer Avatar erlaubte ihr, mit ihrer Umwelt zu kommunizieren. So entschied sie nun, seit vielen Jahrhunderten und mit der entsprechenden Erfahrung, über die Geschicke ihres Volkes und das der verborgenen Welt.

      Desara-dal-Kellon legte die Fingerspitzen der linken Hand an die linke Schulter und verneigte sich voller Respekt. „Primär-Kommandantin Desara-dal-Kellon, deinem Wunsch entsprechend, Allerhöchste.“

      „Du bist willkommen.“ Der weibliche Avatar deutete in die Sitzgruppe. „Komm zu uns. Wir müssen uns beraten.“

      Die Anwesenheit der zweiten Person überraschte Desara nicht. Hoch-Kommandantin Suna-dal-Sollis war ihre Stellvertreterin und als zweite im Kommando zugleich ihre schärfste Konkurrentin. Sie war von Ehrgeiz getrieben und lauerte auf ein Versagen ihrer Vorgesetzten, um deren Position einzunehmen. Desara erkannte die Fähigkeiten der Frau durchaus an, verachtete jedoch deren persönliche Beweggründe. Das Interesse der verborgenen Welt hatte über allem Anderen zu stehen.

      Desara-dal-Kellon wartete, bis die Hoch-Kommandantin ihr den gebotenen Respekt erwies, bevor sie den Gruß erwiderte und sich ebenfalls setzte.

      Der Avatar der Primär-Matriarchin schenkte Desara eine bunt schillernde Flüssigkeit in ein geschliffenes Kristallglas und schob es vor sie. Desara dankte und bewunderte erneut die Technologie, die es einem Hologramm ermöglichte, körperliche Handlungen auszuüben. Es war eine in der verborgenen Welt einzigartige Errungenschaft, denn sie wurde nur beim Avatar der obersten Herrin genutzt.

      Desara war noch vor dem vereinbarten Zeitpunkt eingetroffen. Demnach war Suna-dal-Sollis wesentlich früher gekommen und schon eine Weile mit der Primär-Matriarchin im Gespräch. Sicherlich hatte Suna die Gelegenheit genutzt, um ihre Vorgesetzte in zweifelhaftem Licht erscheinen zu lassen. Sie musste vorsichtig sein. Die vielen Jahre brachten der Primär-Matriarchin nicht nur Erfahrungen ein, sondern leider auch gelegentliche Stimmungsschwankungen.

      „Dein Plan war in vielerlei Hinsicht erfolgreich“, begann die Herrin mit sanftem Lächeln. „Durch deine Eroberung des Menschenschiffes konnten viele Dinge untersucht und viele Fragen beantwortet werden. Andere sind neu aufgeworfen und bedürfen der Klärung. Wusstest du, dass die Menschen genetisch zu 99,86 Prozent mit uns identisch sind? Das ist sehr interessant, nicht wahr?“


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