INGRATUS - Das Unerwünschte in uns. Tabea Thomson

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ihrer Reise.

      An Bord gab es gleich zwei Gründe, die ihm die Unruhe in den Geist trieben. Zum einem lag es an seinem Sohn, der konnte nach über drei Jahren wieder ins reale Leben zurück. Und zum anderen wartete dort ein delikater Nasenkitzel mit bittersüßen Beigeschmack, der wurde durch einen ahl pii erzeugt.

      Der ahl pii ist ein Pheromon, das aus allen Hautporen, Speichel und Haaren entsteigt. In dem Fall entsprang es der blutjungen, bildhübschen sowie üppig gewachsenen, Mischlings Shumerer Sophie Minn. Seitdem das Energiebündel reift, steckte ihr körpereigener Duft sein "zweites ich" in Brand. Was daran lag, weil sein ahl pii bis ins Detail mit dem Weiblichen harmoniert.

      Ein Löschen dieses leidenschaftlichen Flächenbrandes ist durchaus machbar, allerdings im Moment war es unerwünscht. Somit blieb Kerun dem Weib kampflos ausgeliefert.

      Nur allzu gern möchte er das Gewissen von der Last befreien. Bloß zum jetzigen Zeitpunkt versteht es weder sie noch seine Familie. Ihm blieb nichts anderes übrig als zu schweigen. Und damit er weiterhin das gut gehütete Geheimnis wahren konnte, nahm er einen Enzym Blocker. Was ihm allerdings Sorgen machte, ist: ›was passiert, wenn ich es einmal vergesse zu injizieren, und wenn ich vielleicht noch mit ihrem Speichel in Berührung komme …‹

      Auf das Vergnügen wollte er in diesem Fall gern verzichten. Er akzeptiert Sophie bedingungslos mit allen ihren Launen und Eigenarten. Dennoch will er niemals eine feste Partnerschaft mit ihr eingehen. Folglich hatte er nicht das Bedürfnis; sich auf sie – die Auserwählte – zu prägen. Seine tiefen Gefühle galten alleinig seinem Capac Eheweib Eda. Und genau bei ihr lag das Problem, denn ihre Shumerer Gattung verschmelzt nicht die ahl pii.

      ~

      Bisher verabreichte Kerun sich den Blocker stets pünktlich. Aber unter Zeitdruck oder war es nur Aufregung, vergaß er es. Das Vorkommnis geschah am Vorabend vor Sophies Reise zum Rettungsraumschiff Visitor α U P, auf dem Planeten Advenu in der Stadt Sinu i, im Hause Phlox.

      Die außen Temperatur an dem frühen Nachmittag hatten mit den zweiundvierzig Grad einen Wohlfühlfaktor. Tai Minn mit Tochter Sophie, Kerun Peshk sowie der Gastgeber Mahid Phlox und ein Aiws Pilot wählten für die Zusammenkunft die Südterrasse. Sie ist von dichten mannshohen Hecken ummantelt.

      Entgegen sonstigen dienstlichen Gepflogenheiten hatte ihr Umgang heute was sehr Familiäres. Wodurch Tai, ein stattlicher Gatte mit extra breiten Schultern und wachsamen moosgrünen Augen, endlich mal sein strenges Organisationstalent ruhen ließ, aber stattdessen wirkte er nunmehr sehr besorgt. Seine Tochter Sophie wiederum, eine ansonsten sehr resolut auftretende, zeigte neben der eigentlichen anmutigen Shumerer Erscheinung, eine schüchterne als auch scheue Seite. Selbst Kerun, ein scharf kalkulierender Kämpfer mit strengen Regeln, zeigte sich von einer lockeren Seite. Der Aiws Pilot ignorierte sogar das Protokoll. Dessen Stelle übernahm sein redegewandtes und durchaus humorvolles Wesen.

      Nach einem Begrüßungstrunk setzten sich alle, dicht gedrängt, an einen kleinen runden Tisch und besprachen Sophies bevorstehende Reise mit der Fracht-Bark. Diese wird sie vor dem Tor der Stadt Dahl brie abholen und Nonstop zur Visitor bringen. Doch zunächst besprachen sie organisatorisches. Über allem stand Sophies Wohlergehen. Das war wegen ihrer schweren Erkrankung besonders schwierig umzusetzen. Deshalb nahmen an der Besprechung zusätzlich noch drei Visitor Heiler via holografischer Interface Konferenz teil. Zu den Teilnehmern zählten: Luckas – ein überaus fürsorglicher mit einer großen Portion Warmherzigkeit, sowie Doc Pieter – der allzeit bereite Helfer, mit dem Drang nach skurrilen sowie Chris – einem dem so schnell nichts in den emotionalen Schwitzkasten brachte.

      Doc Pieter wird während der Reise über ihre Biodaten wachen. Er versicherte: »... sollten Sie Sophie Probleme bekommen weiß die Kalab ihres Gatten, was zu tun ist. Notfalls bekommt er von uns die exakte Anweisung. Machen Sie sich keine Sorgen, genießen Sie einfach seine Nähe.«

      ~

      Allein der Gedanke, den Gemahl gegenüberzustehen, ließ Sophies ahl pii überquellen. Ihr bis eben noch verschlossenes und scheues Wesen blühte auf. Selbst ihr ansteckendes Lachen, kam überschäumend zurück.

      Die aufgetaute Stimmung wurde dann bei einer Besprechungspause zu Keruns Albtraum. Er scherzte und flirtete mehr als sonst mit Sophie. Sie ließ nichts unbeantwortet. Das eine oder andere Mal geschah es mit vollem Mund. Dadurch sprudelten nicht nur erheiterte Wörter aus Sophie. Etliche winzige Speicheltröpfchen landeten so auf den Speisen.

      Kaum das Kerun einen verhängnisvollen Bissen zwischen seinen Zähnen hatte, schnappte die Enzym-Falle zu. Anfangs hatte er keine auffälligen Symptome. Das änderte sich erst als im Peshk Anwesen, im privaten Fitnessraum, ein lange hinausgeschobener väterlicher Wettkampf zwischen Tai Minn – Sophies Vater – und Kerun stattfand. Es war insofern ungewöhnlich, weil Kerun zuvor noch nie derlei sportliches Duell verloren hatte. Hinzu kam noch, er witterte seltsame Gerüche und er war überreizt. Er begründete seine Wahrnehmungen damit, dass sein Eheweib Eda demnächst in die monatliche fruchtbare Phase; das Ponvaa kommt.

      Obgleich die Erklärungen logisch erschienen, schmälerten sie Tai's ungute Vorahnungen nicht. Die Bestätigung erhielt er von den beauftragten I P S Sensoren, sie zeigten: Kerns Libido ist ausgeprägter wie das von Edas.

      ~

      Am anderen Morgen erwachte Kerun trotz der ausgiebigen Liebesnacht weit vor dem glückselig schlummernden Eheweib. Die Frische des Tages wollte er für den Fitnesslauf nutzen und auf dem Rückweg kann er die Bestellungen in der zentralen Nahrungsmittelverteilung abholen.

      Bevor er aufbrach, überprüfte er nochmals die Einkaufsliste. Hingegen seiner Annahme berechnete der Citraa, das er nur einen Rucksack braucht. Die stehen stets einsatzbereit unten in der gemeinschaftlichen Küche. ...

      ~ ~

      (Die öffentlichen Wohnräume sind im Erdgeschoss.

      Zu den zählen unter anderen die gemeinschaftliche Küche und der daran anschließende gemeinschaftlichen Wohnraum.

      Auf dem Peshk-Gwen parkähnlichen Anwesen steht rechts und links je ein viereckiger Wohnturm mit Glasfassade zum Garten. Dazwischen sind die zuvor genannten Räume. Vom Peshk Wohnturm gelangt man zuerst in den zum Feiern einladenden Wohnraum und dann in die viel benutzte Küche. Und vom Gwen Wohnturm aus gesehen ist es gerade andersherum.)

      ~ ~

      … Allerdings wird er weder die Rucksäcke noch die Abholliste vorfinden, denn Sophie und der Butler Nexus sind bereits damit unterwegs. Davon ahnte Kerun nichts, bis er die Tür öffnete und Sophies zurückgelassene verheißungsvolle Botschaft in seine Nase schoss. Einem hungrigen Raubtier gleich verschlang ihm die ahl pii Sucht. Sein Ego wehrte sich gegen das urwüchsige Verlangen. Der reife Körper jedoch unterwarf sich bereitwillig. Er entzündete mit hitzigen Schweißausbrüchen und zittern am ganzen Körper geradezu ein Freudenfeuer in seinem anschwellenden Phallus. Sein ohnehin schon triebhaftes Verlangen nach dem verführerischen Weib wuchs ins unermessliche, aber Sophies und er sind mit einem unzerbrechlichen Eid an einen anderen Partner gebunden. Sein Schwur verhinderte nun, dass er dem steinharten Verlangen nachgab, und gleichzeitig löste er einen geistigen Konflikt aus, qualvoll stöhnend sackte er zusammen. ...

      Die I P S Sensoren hatten Tai bereits bei den ersten Anzeichen benachrichtigt. Und nachdem er dem Freund auf den Rücken neurale Blockaden gesetzt hatte, flüsterte Kerun mit erschöpfter Stimme: »Das Lysanders Vermächtnis so fordernd sein wird, damit rechnete ich nicht.« Verbissen lächelnd blickte er Tai an. »Schöner Schlamassel! ... Und nun?«

      »Yep! ...« Tai klopfte dem Freund mitfühlend auf die Schulter, er kannte bereits seit Jahrzehnten Keruns Geheimnis. »... Im Moment dürfen wir deine ahl pii Übereinstimmung nicht ändern. Und zur Sucht Behandlung müssen wir auf ungewöhnliche Therapien ausweichen.«

      Kerun nickte zustimmend, dabei tupfte er den erneut einsetzenden heißen Schweiß von der Stirn. »Ich akzeptiere alles. Nur gib es sofort, bevor es wieder unerträglich wird.«

      Entgegen seiner Erwartung injizierte Tai nichts Linderndes. Er schlug stattdessen vor: »Sobald die beiden geweckt sind, werde ich dich von dem lästigen


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