Geheimauftrag für SAX (4): SPECTATOR II. Hymer Georgy

Geheimauftrag für SAX (4): SPECTATOR II - Hymer Georgy


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Merkmal an ihr war eine etwa handtellergroße Tätowierung am rechten Schulterblatt: Ein zunehmender Halbmond, dessen Konturen sich zu einer dämonischen Fratze hin schlossen.

      Der Masseur, ein erfahrener und muskulöser Bauchinhaber in den Fünfzigern, welcher die schwedische Massage meisterhaft beherrschte, versetzte sie seit etwa einer Viertelstunde mit seinen gekonnten Griffen allmählich in einen Zustand absoluter Entspannung. Er hatte an ihrem verlängerten Rückgrat begonnen und sich dann langsam, aber stetig, nach oben hin vorgearbeitet. Die Verspannungen ihrer Rückenpartie waren einer wohligen Durchblutung gewichen. Sie stöhnte leicht auf, als er gerade eine besonders empfindliche Stelle mit gefühlvollen Strichen knetete. Ein paar abschließende und mehr klopfende Einheiten an der unteren Nackenpartie bedeuteten ihr, das es nun Zeit wurde, sich zu wenden, um auch der Vorderseite ihres wohlgeformten und sportlich trainierten Körpers, eines insgesamt nicht viel mehr als 1,65m messenden großen Energiebündels, diese wunderbare Behandlung zu teil werden zu lassen.

      Als sie sich jetzt geschickt umdrehte, lag ein befriedigtes Lächeln in ihrem herzförmigen Gesicht mit der etwas zu groß geratenen Nase. Sie leckte sich Ober- und Unterlippe, an dieser Stelle ein Zeichen erregter Freude, weniger des Durstes. Die Nippel ihrer kleinen Brüste waren sanft aufgerichtet, und als sie mit einer geschickten Handbewegung den Haarstecker löste, um die rote Pracht nach hinten über die etwas schräge Kante der Liege fallen zu lassen, wirkte dies selbst auf den langjährigen Profi in kaum zu ignorierender Weise erotisch. Der Masseur konnte sich daher eines kurzen männlichen Grinsens nicht erwehren, das aber in keiner Weise sexistisch anmutete.

      „Mademoiselle sehen heute wieder ganz besonders reizvoll aus!“, gab er von sich. Seine Stimme klang bretonisch-rau, aber freundlich. Er trug eine Kombination aus hellem kurzärmeligem Hemd mit dem Emblem des Instituts – einer abgewandelten französischen Lilie - und seinem Namenszug auf der linken Brustseite, dazu eine kurze Hose gleicher Farbe sowie hellblaue Sandalen. Seine vor Kraft strotzenden oberen Gliedmaßen waren kaum behaart und die fleischigen Hände ölig.

      „Das liegt nur an Ihnen, Monsieur Amias!“, gab Cathleen Conquête das Kompliment in ihrem eigenen leicht elsässischen Tonfall zurück und meinte es ehrlich.

      Sie kam gern hierher, wenn Sie einen schwierigen Auftrag hinter sich gebracht hatte und besonderer Entspannung bedurfte, zählte aber nicht zu den Stammgästen. Das Institut, in einem weitläufigen, mehrfach renovierten Altbau der Jahrhundertwende mit hohen Fenstern unweit der Metrostation Mouton-Duvernet gelegen, wurde überwiegend von nicht mehr ganz taufrischen Damen des gehobenen Mittelstandes südlich des Pariser Zentrums und der näheren Umgebung aufgesucht, die sich hier wöchentlich ein paar erholsame Stunden vom Alltagsstress gönnten. Die gesamte Anlage bestand aus mehreren Saunen, Kalt-Heiß-Becken, Kneipp-Bädern, Massageräumen, Kosmetikkabinen und weiteren Wellness-Einrichtungen. Die Behandlungen hier waren im Vergleich zu anderen Salons dieser Güte nicht wirklich hochpreisig, aber gleichwohl verhältnismäßig exklusiv. Während ältere Patientinnen die Gelegenheit auch nutzten, hier mit dem diskreten Personal über ihre wohlfeinen Luxussorgen zu reden, genoss Cathleen Conquête die Zeit der Ruhe, und die Tatsache, dass ihre Schweigsamkeit respektiert wurde. Amias beugte sich gerade leicht über sie, um mit der Massage fortzufahren, als ein melodischer Mehrklang die Ankunft eines Telefonates anzeigte. Er blickte daher kurz hinüber zu einem kleinen Beistelltischchen, auf dem neben dem Pappkästchen mit sanften Einmaltüchlein ein aktuelles Samsung-Smartphone mit Gehäuse in der Farbe der Haare seiner Patientin lag.

      Dessen Display war mit dem ersten Klingelton aufgeleuchtet, und letzterer wiederholte sich gerade noch einmal. Er nahm das Gerät spitz mit Daumen und Mittelfinger an den Seiten, um es nicht einzuölen, reichte es an Cathleen weiter und verließ dann direkt und höflich nach einem kurzen Kopfnicken den Raum. Solche Diskretion war selbstverständlich und gehörte zum Motto des Instituts.

      ´Rufnummer unbekannt´ war in der Anzeige zu lesen, aber sie ahnte bereits, wer sich am anderen Ende der Verbindung melden würde, denn es gab nicht allzu viele Menschen auf dieser Welt, die ihre Privatnummer kannten. Beim vierten Mehrklang nahm sie das Gespräch entgegen und meldete sich mit ihrem regulären Namen.

      „LeMondes“, kam es sogleich zurück. Das war ihr direkter Vorgesetzter beim DGSE, dem französischen Geheimdienst. „Poire“, fügte er ohne große Pause hinzu. Wenn sie allein war, und sprechen konnte, würde sie mit „Griotte“ antworten, was sie nach einem kurzen Blick zur wieder verschlossenen Tür, durch welche der Masseur entschwunden war, auch tat.

      In einem Anflug unbegründeter Scham zog sie trotz ihres Alleinseins das Frottee-handtuch längs bis über die Brüste, während sie sich leicht aufrichtete und mit einem Ellenbogen auf der Liege abstützte. Es machte sie nicht eben weniger aufreizend.

      „Ich bedaure, aber sie müssen ihre Sitzung bei Garance leider abbrechen!“, klang es aus dem Apparat, sobald sie sich versichert hatten, dass die Verschlüsselung ihre Kommunikation auf dem Transmissionsweg unabhörbar machte. LeMondes klang äußerst ernst.

      Cathleen „Katie“ Conquête wirkte nicht erstaunt, dass ihr Arbeitgeber genau wusste, wo sie sich gerade aufhielt. Wie alle operativ eingesetzten Agenten und Agentinnen des Auslandsgeheimdienstes Frankreichs trug sie einen subkutanen Minisender, mit dessen Hilfe ihr genauer Aufenthaltsort jederzeit exakt bestimmbar war. Über das aktivierte Smartphone war er es für die Zentrale ohnehin.

      „Sie rufen mich sicher nicht an, weil ihre Sekretärin sich wieder mal krankgemeldet hat“, gab sie, beinahe ein wenig zu dreist witzelnd, zurück.

      „Sie erinnern sich sicherlich an die Explosion der VEGA-Trägerrakete vor knapp drei Wochen, kurz nach dem Start in Kourou, oder?“, blieb LeMondes bei der Sache.

      „Natürlich. Obwohl ich da bereits in Afrika weilte, wegen der Ebola-Sache. Das Unglück war ja weltweit in den Medien. Die VEGA gilt als sehr zuverlässig und sollte ein I.X.V.(*2) ´raufbringen, wenn ich mich nicht irre. Es wurde einem Blitzeinschlag mit nachfolgendem Softwarefehler zugeschrieben. Der Dienst dort ist doch sicher sofort tätig geworden, oder?“, fasste sie die Situation gut gelaunt zusammen.

      „Ist er. Und auch ein Expertenteam aus der Zentrale der Agence Spatiale Européenne war natürlich zeitnah nach dem Unglück vor Ort. Die Medien haben allerdings lediglich die offizielle Version verbreitet. Von wegen I.X.V. - in Wirklichkeit befand sich das neue Spectator-System im Gepäck der VEGA!“ LeMondes klang sehr besorgt und schien nicht in scherzhafter Stimmung zu sein.

      „Sabotage?“, fragte Cathleen und wurde schlagartig ebenfalls ernster.

      „Das wissen wir leider nicht mit Bestimmtheit. Die Trägerrakete des Spectator explodierte zwanzig Meilen über dem atlantischen Ozean!“, stellte er mit energischer Stimme fest. „Die Trümmer sind dann in großem Radius rund um 8.25 Nord und 50.00 West niedergegangen. Etwa 220 Seemeilen vor der Küste.“

      Sie überlegte kurz: „Also knapp außerhalb unserer Außenwirtschaftszone.“

      „Leider. Das Gebiet wird von deutscher und französischer Marine weiträumig abgesperrt, aber wir befürchten eine Kollision mit amerikanischen Interessen. Es sind wohl zwei US-U-Boote in der Gegend. Einzelne Trümmer hat man inzwischen geborgen und nach Kourou geschafft. Aber noch nichts wirklich Wichtiges.“

      „Und was ist dort meine Aufgabe?“

      „Recherchieren, beobachten, handeln!“, brachte es LeMondes auf den Punkt.

      „Was darf ich speziell darunter verstehen?“

      „Die Belgier schicken jemanden, wie Brüssel uns mitteilte. Die Italiener als Haupt-finanzier der VEGA sowie die Engländer sind bereits von Anfang an vor Ort. Da sollten wir besser aufgestellt sein als nur durch ein paar Bürokraten, oder?“

      „Die Engländer?“, hakte sie ein. „Aber die sind doch gar nicht beteiligt, weder an der VEGA noch an Spectator, wenn mich mein Wissen darüber nicht im Stich lässt.“

      „Das stimmt nicht ganz. Es gibt da deren finanzielle Beteiligung an der letzten Trägerstufe um drei Ecken herum, durch ein privates Konsortium. Es sind also durchaus auch deren wirtschaftliche


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