Sagenbuch der Bayrischen Lande. Alexander Schöppner
Dann hebt sich an ein heil'ger Sang
Mit Glockengruß und Orgelklang,
Und wonnig lauscht der Knabe.
Doch eine leise Stimme ruft:
»Frisch auf, du kühner Knabe,
Eh' dir die Kirche wird zur Gruft,
Nimm von der reichen Habe!
Nimm Gold und Perlen und Gestein
Nimm, weß' begehrt das Herze dein,
Nur eil', und kehre nimmer.«
Der Knabe hört's, doch geht er nicht:
Was Gold und Steingeflimmer!
Ihm ist so wohl, so klar und licht;
Und scheiden möcht' er nimmer.
Und wieder ruft's: »Geschwind! geschwind!
Du bist verloren, mein armes Kind!«
– Er bleibt, er lauscht dem Sange.
Mit Eins verstummt der Geisterchor;
Und bei dem letzten Halle
Da wird es Nacht; das Eisenthor
Schließt sich mit Donnerschalle.
Da sinkt er hin im goldnen Schacht,
Da ist er in der Zwerge Macht;
Kein Auge sah ihn wieder.
158. Die Geisterkirche auf dem Ochsenkopf.
Von L u d w i g Z a p f .
Einsam, schauerlich und stille
Ist's am hohen Fichtelberg,
Oben fliegen scheu die Raben,
In der Tiefe klopft der Zwerg.
Graue Wolken hängen flockig
In den finstern Wald herein,
Sausend regen sich die Bäume,
Wasser rieseln vom Gestein.
Ungesehen blüht im Schatten
Noch die Wunderblume hold
Und im Innersten verborgen
Düster glüht das rothe Gold.
An dem heil'gen Tage aber,
Der Johanni ist geweiht,
Zeigt sich, wenn sie drunten läuten,
Offen alle Herrlichkeit.
Eine Kirche in den Felsen
Hat sich schimmernd aufgethan,
Edle Schätze, Gold und Silber,
Schaut der Wald verwundert an.
Sonnenhelle Strahlen leuchten
In die Wildniß weit hinein,
Und die alten Bäume prangen
Wunderlich im Zauberschein.
Eile, Menschenkind, zu haschen,
Das zur heil'gen Stelle tritt,
Nimm soviel die Arme fassen,
Doch beflügle deinen Schritt!
Denn wie drunten nun gesprochen
Wird das Evangelium,
Mit dem Wörtlein Amen! krachend
Schließt der Fels sich wiederum.
Wunderbar, wie er erglommen,
Ist erloschen nun der Schein,
Und in seine düstern Schatten
Hüllt der Wald sich wieder ein; –
Einsam, schauerlich und stille
Ist's am hohen Fichtelberg,
Oben fliegen scheu die Raben,
In der Tiefe klopft der Zwerg.
159. Das Brautpaar.
B. G ö r w i t z Sagenschatz S. 49.
Ein armer Aschenbrenner zu Bischofsgrün, der eines
Morgens ausgegangen war, um die zu seinem Geschäft
geeigneten Bäume auszuwählen, wurde jählings
von einem Unwetter überrascht, und stellte sich,
Schutz suchend, von Ohngefähr in eine Felsengrotte.
Kaum war er ein Weilchen dort gestanden, als er ein
seltsames Klingen und Singen hinter sich vernahm. Er
wendete sich stracks um, und gewahrte zu seinem
höchsten Erstaunen ein weites, strahlendes Gewölb,
dem Innern einer Kirche vergleichbar. An den Wänden
und Emporen hing Gold und Silber wie Eiszapfen
herab, und Perlen und Edelgesteine waren da aufgethürmt
wie Zwiebelstränge. Der gute Aschenmann gedachte
bei diesem köstlichen Anblick an nichts anderes,
denn an sein Weib, das er herzurufen müsse; er
lief fort nach dem Dorfe, und brachte dieses, trotz
alles Sträubens, daher. Schon glaubte er die Grotte
wieder zu erkennen – ja, die Grotte war's – aber von
all' den Schätzen und Herrlichkeiten war nicht die
Spur geblieben. Dem getreuen Ehemann ward
Schimpf und Spott von seinem Weibe, er mochte ihr
betheuern so viel er wollte.
Mittlerweile war auch der Sohn dieser Eltern mit
seinem Bräutlein herangekommen und ließ sich von
dem Vater den seltsamen Vorgang erzählen. »Ei,«
sagte der, »warum ist das mir nicht geschehen und
meiner Gretl. Wenn wir mitsammen die Grotte offen
gefunden hätten, wir wären flugs hineingegangen;
denn wenn eine Kirche darinnen ist, so würden wir
auch einen Priester gefunden haben, der uns getraut
hätte. Dann wären wir glücklich geworden mit einem
Male.«
Indem der Bursche dieß noch sprach, war, wie
durch einen Zauberschlag, die Grotte abermals geöffnet,
und drinnen zeigte sich eine gar herrliche Aussicht.
Zur Linken stand eine goldene Kirche mit stattlichen
Thürmen und strahlenden Fenstern, und helles
Geläut tönte von droben hernieder; zur rechten Seite
stand ein zierliches Haus, von Gärten und Wiesen
umgeben, und es schaute, mit Blumen und Kränzen
geschmückt, recht hochzeitlich aus. – »Da haben wirs
ja, was wir wünschen,« rief des Aschenmann's Sohn,
indem er sein Bräutlein in den Arm nahm – »dort ist
die Kirche zur Trauung, daneben unsere Wirtschaft –
ade, Vater und Mutter – da drinnen sind wir glücklicher
als droben!« – Mit diesen Worten war das Brautpaar
verschwunden, und nimmermehr kehrte es wieder.
160. Der goldne Ziegelstein.
W a l d s t e i n im F i c h t e l g e b i r g . – K. Z a p f ,
Wanderungen zu den Burgruinen des Fichtelgebirgs S.
35.
In der Nähe des Waldsteins war einst ein armer Taglöhner
mit Holzhauen beschäftigt. Eben als er im Begriffe