Sagenbuch der Bayrischen Lande. Alexander Schöppner
von euch gehen, ohne euch zu beschenken.
« Es zog aus der Tasche drei Laiblein Brod
und gab jedem Kinde eines. Darauf entfernte es sich.
Die beiden Knaben lachten ob des ärmlichen Geschenks
und hielten es nicht werth. Der eine nahm
sein Laiblein und warf es auf die Erde. Es hüpfte den
Berg hinab in possirlichen Sprüngen, bis es sich zwischen
struppigem Gebüsch verlor. Da sprach der andere
Knabe: »Halt, mein Laiblein muß das deinige suchen!
« und warf es ebenfalls auf die Erde. Es nahm
denselben Weg, wie das erste. Nun wollten die leichtsinnigen
Knaben auch das Mädchen bereden, ihr Geschenk
wegzuwerfen. Die Kleine aber hüllte es eilig
in ihr Schürzlein und sprach: »Wie wird es meine
Aeltern freuen, wenn ich ihnen etwas mit nach Hause
bringe!« Da sie aber heim kam und man das Brod
aufschnitt, siehe, da war ein Klumpen Gold hineingebacken,
und Reichthum war eingezogen, wo sonst
Mangel herrschte. Als die beiden Knaben von dem
Glück ihrer Gefährtin hörten, gingen sie zurück, die
verschmähten Geschenke des grauen Männleins zu
suchen. Allein es war vergeblich.
164. Das Schloß der Spieler.
Die vor. Schrift, S. 126.
Als noch das Einbringen der abgestorbenen Waldbäume
zu den unverwehrten Geschäften der Landleute
gehörte, war eine Bauersfamilie aus Obersteinach am
Fuße des Ochsenkopfes in dieser Arbeit thätig. Einen
zu ihr gehörigen Dienstknecht fing auf einmal heftig
zu dürsten an. Er sprach daher zu einem jüngeren
Mägdlein: »Gehe und hole mir Wasser, sonst verschmachte
ich!« Da nahm das Kind ein Trinkgefäß,
diesem Wunsche nachzukommen. Lange suchte es
nach einer Quelle, bis es sich verirrt hatte. Als die
Kleine dieses bemerkte, weinte sie heftig, und rief alle
Namen der Ihrigen. Niemand wollte hören. Schon
neigte sich die Sonne zum Untergange und noch hatte
sie sich nicht aus dem Walde gefunden. Es war bereits
völlige Nacht geworden, der Himmel blickte das
verirrte Mädchen mit seinen zahllosen, flimmernden
Augen an und sie machte sich bereit, in der Wildniß
zu übernachten. Da gewahrte sie in geringer Entfernung
ein herrlich beleuchtetes Schloß, das sie noch
niemals gesehen hatte. Wie freudig schlug der Geängsteten
das Herz, denn es lächelte ihr ein wirthliches
Obdach! Sie eilte dieser schönen Hoffnung entgegen.
Als sie näher an das Schloß kam, verkündete kein
Laut lebende Bewohner. Sie klopfte – Niemand kam
zu öffnen. Zum zweiten Male schlug sie an die hallende
Thüre – nur das Echo antwortete, sie zu äffen. Zum
dritten Male und stärker gebot ihr ängstliches Pochen
Einlaß. Da wurden die Riegel zurückgeschoben und
vor dem Mädchen stand ein Mann mit einer brennenden
Kerze, der ihren Gruß nicht erwiederte und sie
ernst und schweigend in einen weiten Saal führte. Sie
setzte sich bescheiden auf ein Bänklein am Kamin.
An einer langen Tafel saßen zwölf Männergestalten,
die mit Kartenspiel beschäftigt waren. Aber kein Laut
bewegte sich von den bleichen Lippen. Schweigend
legte der Verlierende die Münze hin und ohne ein
Wort wurde der Gewinnst eingezogen. Da erfaßte allmählig
das arme Mädchen jener Schauer, wie ihn der
Sterbliche bei Ahnung des Ungeheuren zu empfinden
pflegt. Mit ängstlichen Blicken betrachtete sie die rätselhaften
Gestalten, und mit Entsetzen bemerkte sie
jetzt, daß die Hände jedes Spielers eine andere Farbe
trugen. Sie bemerkte goldgelbe, silberweiße, blutrothe
Hände. Ihrer Besinnung kaum mächtig, rief die Kleine
wie in Todesangst: »Assi möchti!« Und schweigend
nahm der, welcher sie eingelassen hatte, die Kerze
und ließ sie hinaus von der Wohnung des Grausens.
Sie setzte sich ohnweit des Schlosses nieder und
schlief bald ein. Als sie erwachte, vergoldete schon
die Morgensonne die Wipfel der Bäume, die Lerche
wirbelte ihr Lied und das Schloß war verschwunden.
Ein Haufen Schutt und Steine auf der Stelle desselben
ließ vermuthen, daß wohl ehemals ein Gebäude dort
gewesen sein möge. Froh, das Abenteuer glücklich
bestanden zu haben, setzte das Mägdlein ihr Suchen
nach dem Wege fort und fand ihn wieder.
165. Der Nußhard.
C.v. F a l k e n s t e i n Buch der Kaisersagen S. 108. J.
Ch. H o l t z m a n n in B. G ö r w i t z Sagenschatz S.
124.
Im Fichtelgebirg unweit Bischofsgrün erhebt sich der
steile Klippenberg Nußhard.
Am Fuße dieses Felsens sah einst ein Hirt eine
schöne Jungfrau. Sie hatte einen Rechen in der Hand
und breitete damit Flachsknoten in der Sonne aus.
Niemals hatte er hier ein Mädchen gesehen. Er betrachtete
sie, gewann sie lieb, und hätte gern mit ihr
gesprochen; doch dazu fehlte ihm der Muth.
Wenn sie sich entfernte, ging er aus dem Gebüsch
und besah ihre Knoten, unter welchen er einmal ein
Goldstück fand. Einstmals zur Mittagszeit, in der sie
gewöhnlich kam, bemerkte sie den Lauscher. Beide
sahen sich an, ohne einander zu nahen. So vergingen
Wochen. Da drängte es den armen Hirten zur schönen
Jungfrau hin, und entschlossen sprach er sie an.
Freundlich antwortete sie, daß sie, eine Fürstin, seit
Jahrhunderten in diese Gegend verbannt und er dazu
bestimmt sei, sie aus ihrem Elend zu befreien. Am St.
Petritage sollte er wiederkehren, sich aber nicht vor
ihr fürchten, wenn sie als häßliches Weib erschiene,
sie dann dreimal nach einander kühn und muthig auf
die Stirne küssen und damit ihre Erlösung bewirken.
Schweren Herzens