Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne. Michael Schenk
sind nicht dumm. Man muss bei ihnen immer auf eine Überraschung
gefasst sein.«
Der Hauptmann grinste schwach. »Immerhin haben ihnen unsere neuen
Waffen übel zugesetzt.«
»Das haben sie.« Livianya schürzte die Lippen, und es sah einen
Augenblick so aus, als schmolle sie mit ihrem Hauptmann. »Wir sollten auch
die Lanzen mit dem Quetschkopf versehen. Ihre Spitzen rutschen ab, wenn
der Winkel nicht stimmt.«
»Der Gedanke kam mir auch schon.« Ta Geos zuckte die Schultern. »Ich
habe mit unserem Waffenmeister darüber gesprochen, Hochgeborene. Er
meint, die Lanzen seien bereits unhandlich genug. Würden wir die Spitzen
noch mit Weichmetall verkleiden, würden sie zu schwer werden und vornüber
kippen.«
»Meint er das, unser Waffenmeister?« Livianya lächelte kühl. »Ich möchte
annehmen, unsere Lanzenträger tragen lieber ein wenig mehr Gewicht und
bleiben dafür länger am Leben. Bei den Finsteren Abgründen, Bernot, wir
haben zwölf gute Männer verloren! Und weitere könnten ihnen folgen.
Gardist Elgort hat ein Bein verloren. Selbst wenn die Wunde ausgebrannt und
verbunden ist, hat er kaum Chancen, zu überleben. Er ist ein guter Mann,
unser Elgort. Das konnte nur geschehen, weil die Bestien in unsere Reihen
einbrachen. Weil ein paar lausige Lanzenspitzen abrutschten.«
Hauptmann ta Geos spürte die Wut, die sie erfüllte. »Ich werde dafür
sorgen, dass der Waffenmeister die Lanzen ändert, Hochgeborene.«
»Nichts anderes erwarte ich von meinem Hauptmann.« Die Stimme
Livianyas wurde wieder weicher. »Ich will nun mit den Männern sprechen,
Bernot. Sie sollen wissen, dass ich stolz auf sie bin. Und dass wir bald
aufbrechen müssen.«
»Kehren wir denn nach Maratran zurück?«
»Wir müssen unsere Verwundeten in Sicherheit bringen. Und unsere Toten
mitnehmen. Sie sollen in der Heimat verbrannt werden, nicht in diesem
verfluchten Land Jalanne, das noch immer den Tod verheißt.«
»Ich werde es veranlassen, Hochgeborene. Ich schlage vor, das Lager auf
einem benachbarten Hügel zu errichten. Die Kadaver der Bestien werden
rasch zu stinken beginnen.«
»Wir werden hier nicht lagern, mein Freund.«
»Nicht?« Ta Geos sah die Befehlshaberin überrascht an. »Die Männer
könnten eine Rast vertragen, und wir brauchen Zeit, um die Verwundeten für
den Transport herzurichten. Für einige von ihnen werden wir Tragen
anfertigen müssen.«
»Nun, mein Hauptmann, habt Ihr Euch schon gefragt, wer wohl die
Angreifer im Boden vergrub?«
Ta Geos Augen verengten sich, und mit plötzlicher Wachsamkeit spähte er
über das Land. »Ich verstehe, Hochgeborene. Es wird geschehen, wie Ihr es
wünscht.«
Kapitel 4
Wenn ein Mann und eine Frau des Pferdevolkes sich miteinander verbanden,
so teilten sie Zügel und Wasserflasche. Es war eine jahrtausendealte
Tradition, an deren Ursprung sich niemand mehr erinnerte. Besiegelt wurde
die Verbindung mit einer feierlichen Zeremonie, die stets Anlass war für Tanz
und fröhliches Gelage in den Gehöften und Weilern der Brautleute. In der
großen Stadt Eternas hingegen war man dazu übergegangen, die Verbindung
offiziell vor dem Stadtältesten zu besiegeln und sich dann in eine der
Schänken, vornehmlich den berühmt-berüchtigten »Donnerhuf«,
zurückzuziehen. Denn in der Stadt wurden Verbindungen zu häufig
geschlossen, um sie noch, wie sonst üblich, auf dem Hauptplatz vornehmen
zu können. Nedeam hätte seine Llarana am liebsten auf dem Gehöft seines
verstorbenen Vaters Balwin geehelicht, doch die Hohe Dame Larwyn hatte
ihn freundlich, aber bestimmt darauf hingewiesen, dass er als Erster
Schwertmann die Mark repräsentiere und zudem hohe Gäste erwartet würden.
Kein Ort sei für diese Feier angemessener als die große Halle der Burg von
Eternas.
Nedeam hatte eingelenkt, und im Grunde war er froh darüber.
Larwyn konnte ausgesprochen energisch sein, und als Ausdruck dessen
schickte sie ihren Ersten Schwertmann in seine Räume, damit er sich
gebührend auf die Feier vorbereitete. Er würde seine geliebte Llarana an
diesem Tag nach langer Zeit zum ersten Mal wiedersehen, da sie die letzten
Monde bei ihrem Vater verbracht hatte, um sich von ihm und den Elfen des
Hauses Deshay zu verabschieden. An diesem Abend würden er und seine
Gemahlin neue Räume im Haupthaus beziehen. Larwyn hatte diese bereits
herrichten lassen. Nedeams Vorgänger Tasmund und seine Mutter Meowyn
bewohnten die angrenzenden Räume. Larwyn legte Wert darauf, vertraute
Personen um sich zu haben. Vielleicht, weil sie in ihrer Gegenwart für einen
Moment vergaß, wie sehr sie ihren Garodem vermisste.
Schon früh an diesem Morgen setzte in der Burg von Eternas eine
Betriebsamkeit ein, die weit über das normale Maß hinausging.
Ununterbrochen kamen und gingen Bedienstete und Schwertmänner, aus den
Schloten der Küche stieg Dampf empor, und die Räder von Karren und
Wagen rollten in einem fort über die beiden gepflasterten Innenhöfe. Aus der
Halle drangen Rufe und Scharren, während man sie für die Zeremonie
umräumte und schmückte. Nedeam war versucht, hinüberzugehen und
mitzuhelfen, aber er wusste, dass Larwyn dies nicht geduldet hätte. Selbst
seine Mutter Meowyn sah er nur kurz. Schon nach wenigen Worten ließ sie
ihn stehen und eilte weiter. In all der Hektik fühlte sich Nedeam seltsam
isoliert. So setzte er sich leicht verstimmt in seine Kammer und begann zum
wiederholten Male Rüstung und Waffen zu polieren und den Sitz seiner
Kleidung