Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne. Michael Schenk

Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne - Michael Schenk


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      »Ich vermisse den Hohen Lord«, gestand der Erste Schwertmann ein. Es

      war klar, dass er damit nicht Garwin meinte. »Es war ein weiter Weg vom

      Wolltierzüchter zum Ersten Schwertmann der Mark. Ein beschwerlicher Weg,

      und manchmal weiß ich nicht, ob ich nicht besser auf dem Gehöft meines

      Vaters geblieben wäre.« Er deutete auf den Schreibtisch. »Das Arbeiten mit

      Büchern und das Setzen und Deuten der Zeichen liegen mir nicht besonders.«

      »Ihr hattet gute Fürsprecher, Nedeam, und Ihr habt sie immer noch.« Auch

      Larwyn erhob sich nun und seufzte leise, als sie sich nach dem langen Sitzen

      streckte. »Tasmund, den braven Mann Eurer Mutter Meowyn, Euren

      Vorgänger als Ersten Schwertmann. Kormund, den bewährten Scharführer.

      Und vergesst nicht Euren Freund Dorkemunt, den kleinen Pferdelord. Sie alle

      schlugen Euch vor, und mein Gemahl hat ihnen von Herzen zugestimmt.«

      Garodem hatte die Hochmark einst gegründet. Nun war er seit drei Jahren

      tot. Nicht ruhmreich in der Schlacht gefallen, sondern auf einer Treppe zu

      Tode gestürzt. Ein sinnloses Ende, aber die Menschen des Pferdevolkes

      hatten Garodems Tapferkeit immer geachtet und wussten, dass er nun in allen

      Ehren zwischen den Goldenen Wolken ritt.

      »Ich bin dankbar für dieses Vertrauen, Hohe Dame, und ich weiß, dass die

      Versammlung der Schwertmänner meiner Wahl bereitwillig zugestimmt hat.

      Doch manchmal glaube ich, dass ich für Euch und die Mark zu einer Last

      werde.«

      »Ich verstehe.« Larwyn legte ihre Hand sanft an seinen Oberarm. »Ihr

      meint den Zwist zwischen Euch und Garwin, nicht wahr?«

      Die Mark war an Garodems Sohn übergegangen. Der

      Zweiundzwanzigjährige bereitete auch Nedeam große Sorgen. Er war

      eigensinnig, arrogant und zudem rechthaberisch. Es war ein weiser Entschluss

      des Königs Reyodem gewesen, Larwyn ihrem Sohn an die Seite zu stellen.

      Obwohl Garwin Pferdefürst und damit eigentlich der uneingeschränkte

      Herrscher der Hochmark war, verfügte seine Mutter über ein Einspruchsrecht.

      Und zu Garwins Verdruss machte sie durchaus Gebrauch davon. Nedeam

      musste sich eingestehen, dass er seinem neuen Vorgesetzten gegenüber eine

      tiefe Abneigung empfand. Jeder Kämpfer des Pferdevolkes mochte seine

      Eigenheiten haben, aber ihnen allen war es eine Ehre, den grünen Umhang

      der Pferdelords zu tragen. Er war das Symbol ihrer Treue zur Mark und zu

      ihrem Fürsten. An Garwin hingegen war nur wenig Ehrenhaftes. Schon als

      Siebzehnjähriger hatte er sich geweigert, der bedrängten Hafenstadt

      Gendaneris und den zur gleichen Zeit bedrohten Elfen beizustehen. Damals

      hätte man es vielleicht noch seiner Unerfahrenheit zuschreiben können, doch

      nur zwei Jahre später war Nedeam mit seinen Pferdelords in der Festung

      Niyashaar von den Truppen der Mark abgeschnitten worden. Garwin hatte

      gezögert einzugreifen, obwohl ein überwältigender Angriff der Orks

      bevorstand. Für einen wahren Pferdelord gab es nichts Schändlicheres, als

      einen Kameraden oder einen Verbündeten im Stich zu lassen. Doch eben

      dieser Makel haftete nun Garwin an. Immerhin konnte man ihm keine

      Feigheit vorwerfen. Vielleicht hatte König Reyodem recht darin getan, ihn als

      Pferdefürsten zu bestätigen. Garwin mochte sich noch entwickeln und

      bewähren.

      Doch Nedeam zweifelte daran.

      Und auch wenn ihm die Arbeit mit den Schwertmännern Spaß machte, so

      vermisste er doch hin und wieder das einfache Leben auf dem Gehöft, die

      Gesellschaft Dorkemunts und den Umgang mit Wolltieren und Hornvieh. Aber

      er konnte nicht so einfach zurück. Er trug Verantwortung gegenüber der Mark

      und der Hohen Dame Larwyn. Er durfte sie nicht Garwins Willkür ausliefern.

      Denn was Nedeam niemals für möglich gehalten hätte, war eingetreten.

      Garwin hatte Anhänger im Pferdevolk und sogar unter den Schwertmännern

      gefunden. Es waren nicht viele, doch Nedeam wusste, dass ein einziger fauler

      Apfel einen ganzen Korb verderben konnte.

      Für eine Weile herrschte Schweigen im Amtsraum des Pferdefürsten, und

      beide Anwesenden ahnten, dass ähnliche Sorgen sie bedrückten. Erneut war

      es Larwyn, welche die Stille brach und Nedeam mit einem Seufzen zu einem

      der Fenster führte. Es wies nach Süden und bot einen Ausblick über das Tal,

      in dem die Burg und die Stadt von Eternas lagen. Die Kuppen der

      umliegenden Berge und die Spitzen der Dächer waren in morgendliches Licht

      getaucht, und sehr bald würde die Sonne das gesamte Land mit ihrem Glanz

      erhellen.

      »In den vergangenen drei Jahreswenden hat sich viel getan, Hoher Herr

      Nedeam. Das ist auch Euer Verdienst.«

      Ja, die Hochmark wandelte sich, vor allem die Stadt Eternas. Aber dies

      nicht ausschließlich zu ihrem Vorteil, wie Nedeam meinte. Die Enge der Stadt

      empfand er als bedrückend. Und Eternas war wirklich beengt. Vor einem Jahr

      hatte Larwyn angeordnet, die Zuwanderung aus den anderen Marken zu

      stoppen. Denn das Wachstum des eigenen Volkes war schon groß genug. Dies

      bereitete Larwyn Sorgen, und auch Nedeam sah das Problem. Noch war die

      Hochmark in der Lage, ihre Bewohner selbst zu ernähren und sogar einen

      Überschuss zu erwirtschaften. Aber wenn die Zahl der Menschen weiter

      wuchs, würde sie auf Güter aus den anderen Marken angewiesen sein. Diese

      grenzten unmittelbar aneinander und waren nicht so leicht zu isolieren. Doch

      die Hochmark lag eingebettet in das Gebirge von Noren-Brak. Der Südpass

      verband sie mit den unteren Marken, der Nordpass führte zu den Städten der

      Zwerge und weiter hinauf in die nördliche Öde und das daran anschließende

      Kaltland. Wenn es einem Feind gelang, den Südpass zu blockieren, war die

      Mark von der Versorgung von außen abgeschnitten. Eine erschreckende

      Vorstellung, und so unterstützte Nedeam das Streben Larwyns nach

      Selbstversorgung mit aller Kraft.

      Der


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