Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne. Michael Schenk

Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne - Michael Schenk


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Kurve waren die Umrisse

      menschlicher Körper zu erkennen.

      Hauptmann Bernot ta Geos ließ seinen Blick über die Landschaft

      schweifen. »Gute Stelle für einen Hinterhalt. Die Hügel stehen dicht

      beieinander.« Er strich sich kurz über den schmalen Bart, der bei den

      Offizieren der Garde so beliebt war. »Flankenschutz raus«, befahl er. »Ich

      will nicht überrascht werden, wenn wir uns da unten umsehen.«

      Der Offizier mit den drei Federn am Helm schwieg. Er wusste, dass auf

      Bernot Verlass war. Der Hauptmann mochte nicht besonders fantasievoll sein,

      doch er verstand sein Handwerk. Während einige der Reiter ausschwärmten

      und Vorposten bildeten, hielt sich die Hauptmacht des Beritts auf ihrer

      Hügelkuppe bereit. Nur eine Handvoll Männer ritt mit dem Kommandeur zur

      Straße. Hauptmann ta Geos blieb bei der Truppe und knirschte vernehmlich

      mit den Zähnen. Es gefiel ihm nicht, den Vorgesetzten außerhalb seines

      Schutzes zu wissen. Aber wenn die Bestien nun erschienen, musste ein

      erfahrener Offizier die übrigen Gardisten führen.

      Kurz darauf trabte der Kommandeur zurück, und Bernot ta Geos atmete

      erleichtert auf, als sein Vorgesetzter das Pferd neben ihm zügelte. »Und?«

      »Wie Ihr es befürchtet habt, mein Freund.« Der Kommandeur deutete

      bedauernd über die Schulter zurück. »Drei Männer. Keine Frauen oder

      Kinder.«

      »Der Lemarier sprach aber auch von Kindern und Frauen.«

      »Ich weiß, Bernot. Hoffen wir, dass die Irghil sie nicht verschleppt haben.«

      »Lebendfutter.« Der Hauptmann erschauerte bei der Vorstellung.

      »Verfluchte Bestien. Mögen die Finsteren Abgründe sie alle verschlingen.«

      »Die Spuren sind deutlich und weisen nach Osten«, murmelte der

      Kommandeur.

      Sie kannten sich schon lange, und Bernot wusste die Nuancen in der

      Stimme seines Befehlshabers zu deuten. »Die Spuren sind also zu auffällig?

      Eine Falle?«

      »Ein Köder.«

      Bernot nickte. »Dennoch werden wir ihnen folgen?«

      »Dennoch werden wir ihnen folgen.«

      Der Hauptmann seufzte leise. »Sollen wir erst die Toten bestatten?«

      »Nein.«

      »Nein?« Bernot schürzte die Lippen. »Das ist nicht … ehrenhaft. Sie

      einfach dort liegen zu lassen.«

      »Nein, das ist es nicht, mein Freund.« Die Stimme des Kommandeurs

      klang wehmütig. »Doch dies ist Jalanne. Das vergangene Reich. Die Toten

      würden es nicht anders wollen.«

      Der Hauptmann zögerte einen kurzen Moment. Schließlich nickte er und

      gab das Zeichen zum Abritt. Die Spur der Bestien war nicht zu übersehen. Je

      weiter die Männer nach Osten trabten, desto weniger gefiel dem Offizier

      dieser Umstand. Es war zu einfach. Und immer wenn es einfach begann,

      endete es beschwerlich.

      Kapitel 2

      Der Mann wirkte trotz seiner vierunddreißig Jahre jugendlich, solange man

      nicht in seine Augen sah. In ihnen lag der Blick eines Menschen, der in

      seinem Leben zu viel Leid und Tod erlebt hatte. In den sanften Ausdruck

      mischten sich Trauer und Müdigkeit. Fast die ganze Nacht hatte er über

      Büchern verbracht und seine Zeichen auf Schriftrollen gesetzt. Nur eine

      Brennsteinlampe hatte etwas Licht und Wärme gespendet, und nun, da der

      Mann seine Arbeit getan hatte, seufzte er leise und blickte von seinem

      Schreibtisch auf. Er wirkte fast ein wenig überrascht, als er in den Fenstern

      den ersten Schimmer des Morgenrots sah. Mechanisch drehte er an der

      Stellschraube, die die Abdeckung der Lampe über das Brennbecken senkte,

      und der sanfte gelbe Schein erlosch.

      Gegenüber dem Schreibtisch war ein leises Knarren zu hören, als sich eine

      Gestalt in einem der gepolsterten Lehnstühle bewegte. Ein goldener Stirnreif

      mit dem Symbol des Pferdevolkes blitzte auf im Licht des heraufbrechenden

      Morgens, und ein ebenmäßiges Antlitz, umrahmt von langen blonden Locken,

      wandte sich dem Mann zu. Die Hohe Dame Larwyn, Witwe des Pferdefürsten

      Garodem und Mitregentin der Hochmark, war noch immer eine

      bemerkenswert schöne Frau. Ihre Augen waren im Schatten verborgen, als sie

      Nedeam ansah, und ihre Stimme klang sanft. »Fertig, Hoher Herr?«

      Nedeam, Erster Schwertmann der Hochmark und Befehlshaber ihrer

      Pferdelords, lächelte müde. »Nennt mich nicht so, Hohe Dame. Es ist mir

      lieber, wenn Ihr mich weiterhin mit meinem Namen anredet.«

      »Ich nenne Euch weit mehr, Nedeam.« Larwyn beugte sich leicht vor, und

      ihr lächelndes Gesicht tauchte nun ganz in das Licht des Morgens. »In den

      letzten drei Jahreswenden habt Ihr Euch als guter Freund erwiesen. Ihr steht

      mir und der Mark getreu zur Seite. Garodem wäre stolz auf Euch.«

      In den letzten Worten schwang Trauer mit. Sie vermisste ihren Gemahl

      Garodem und sorgte sich um Garwin, ihren Sohn, der so wenig nach dem

      Vater geraten war. Nedeam hatte sich lange gefragt, warum die Hohe Dame

      so oft in der Nacht in den Amtsraum des Pferdefürsten kam, obwohl sie nur

      selten das Gespräch mit ihm suchte. Inzwischen wusste er es. Der Erste

      Schwertmann richtete sich auf und erhob sich hinter dem Schreibtisch.

      Nachdenklich strich seine Hand über das alte Holz. Garodems Schreibtisch in

      Garodems altem Amtsraum. Alles hier atmete noch immer seine Gegenwart,

      obwohl nun offiziell Garwin an diesem Ort regierte. Der junge Pferdefürst

      war keineswegs erfreut gewesen, als Larwyn dem Ersten Schwertmann die

      Erlaubnis gegeben hatte, den Raum uneingeschränkt zu nutzen.

      Zähneknirschend hatte Garwin sich dem Argument seiner Mutter gebeugt,

      dass sie sich gelegentlich mit Nedeam besprechen müsse und man ihr

      schwerlich


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